Arcania: Gothic 4
Die Rückkehr des Namenlosen
Ein namenloser Held, ein Strand, mittelalterliche Holzhütten und mehr ungelöste Aufgaben als in den Mathe-Büchern der vergangenen zehn Jahre? Bei diesen Zutaten denken Rollenspiel-Kenner vermutlich an Gothic. Jetzt ist ein Spiel erschienen, das all diese Elemente besitzt und sogar den Namen Gothic 4 im Untertitel führt. Offizieller Nachschub für die Serie. Ihr erfahrt, dass aus dem früheren Hauptdarsteller scheinbar ein Tyrann geworden ist, der als König Rhobar der Dritte das Land ausbeutet.
Ihr selbst spielt einen Schäferjungen, zehn Jahre nach den Ereignissen des Vorgängers. Haudegen Diego gibt sich als euer Mentor die Ehre und auch andere alte Bekannte wie Xardas, Lester, Gorn oder Milten kreuzen euren Weg. Schnell stellt man als Spieler jedoch fest, dass spielerisch nicht überall Gothic drin steckt, wo Gothic drauf steht. Das allerdings muss ja nicht zwangsläufig schlecht sein.
Arcania ist von Beginn an das, was Gothic nie war: Einsteigerfreundlich. Die Sicht ist zu jeder Tages- und Nachtzeit gut, Kämpfe fallen nie zu schwer aus, Aufgaben nie zu komplex, Wege nie zu lang, das Inventar präsentiert sich nie zu unübersichtlich. Schmetterlinge kennzeichnen Fundorte von Objekten und die Charakterentwicklung könnte auch ein dressierter Affe nicht verbocken. Langjährige Gothic-Anhänger können das Spiel also nur scheiße finden. Das ist nicht Gothic!
Dafür existieren sogar noch weitere Gründe. Um dem Spiel eine Chance zu geben, solltet ihr euch von geistigem Ballast trennen: Vergesst Gothic 1 bis 3! Falls ihr euch dazu nicht in der Lage seht, empfindet ihr das Spiel eindimensional, oberflächlich, kastriert. Ihr könnt an dieser Stelle den Test verlassen. Der Rest liest sich jetzt erst einmal durch, was der Neue so auf dem Kasten hat und entscheidet dann.
Es ist eine dieser Aufgaben, die einem als Held des Öfteren begegnen. Diesmal ist es ein Skizzenbuch, das der Schmied bei einem Scharmützel liegen gelassen hat. Bei einem einsamen Turm im Süden. Ihr steht mittlerweile vor diesem Turm und habt das Objekt der Begierde auch schon geortet. Shurak heißt sein neuer Besitzer. Seine groben Gesichtszüge und der hühnenhafte Körperbau verraten: Shurak ist ein Ork. Und der Ork will das Werk nicht wieder herausrücken. „Ich gebe dir das Buch nicht. Das ist gut für das dunkle Geschäft." Aha, das dunkle Geschäft.
Dieser Ork steckt offensichtlich mit diesen Teufelsanbetern des Beliar-Kults unter einer Decke. Vielleicht eine Gelegenheit, das einfältige Vieh auszuhorchen. „Was für ein dunkles Geschäft?", fragt ihr nach. „Es gibt das helle Geschäft und das dunkle Geschäft", erklärt Shurak mit tiefer Stimme. „Das Menschending ist gut für das dunkle Geschäft. Schön weich." Oh Mann...
Wenn es wie oben um die Wurst geht, blitzt Humor auf. Auch für selbstironische Seitenhiebe wie „Kannst doch schwimmen, oder?" sind sich die neuen Entwickler des seit jeher wasserscheuen Helden nicht zu schade. Gute Ansätze. Dennoch hat Spellbound Entertainment (Desperados) von den früheren Gothic-Machern Piranha Bytes ein schweres Erbe übernommen.
Einerseits erwarten Anhänger der Serie mehr von dem ungehobelten Holzfäller-Charme der früheren Spiele, andererseits wirkt manches Spielelement inzwischen antiquiert. Hinzu kommt das Bug-Desaster des dritten Teils, das der Serie immer noch in den Knochen sitzt. Statt eines komplizierten Spagats geht Spellbound den sauberen Weg und krempelt Gothic auf links.
Alles, was überfordern könnte, fliegt raus! Speichern dürft ihr jederzeit, Lebensenergie regeneriert sich. Falls ihr mehr wollt als einen animierten Abenteuerrundgang, stellt ruhig am Anfang einen hohen Schwierigkeitsgrad ein – Empfehlung des Hauses. Andernfalls enden Kämpfe in ein paar Klicks, für die ihr noch nicht einmal hinschauen müsst. Und ein Großteil des Spiels besteht aus Kämpfen in der Verfolgerperspektive. Kämpfen gegen Goblins, Golems, Orks, Spinnen, Käfer, Blutfliegen, Urzeitvögel, Wölfe und so weiter.