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Need for Speed: Hot Pursuit

BREMSE!? Ich hab nicht mal ne stinkende Bremse!

„Wir lieben diese Serie."

„Nein, wir hassen diese Serie."

„Aber wir lieben sie doch!"

„Nein, wir hassen sie so sehr! Sterben muss sie!"

„Niemals, wir tun ihr nichts an!"

Kurz bevor mein innerer Gollum drohte, im Angesicht eines neuen Need for Speed aus dem Ruder zu laufen und was weiß ich der Reihe anzutun, kam die Erkenntnis, die ihn zur Ruhe brachte. Ob ich jetzt Need for Speed für seine Untaten über die Jahre verdamme oder doch für seine Leistungen schätze, Need for Speed: Hot Pursuit kann ich komplett unabhängig davon ins Herz schließen. Der Serientitel spielt endgültig keine Rolle mehr. Ein Label, so aussagekräftig wie der Schriftzug des Herstellers, der auch für alles stehen kann. Und da man diesmal – wieder, zum tausendsten Mal – alles anders machte, gehe ich auch gar nicht erst auf das ein, wofür dieser Name vielleicht mal stand, noch stehen könnte oder auch nicht. Dieses Need for Speed ist nämlich die Vision, die ich von einem solchen Rennspiel hatte, bevor ich damals den ersten Teil spielte.

Es sollte sich um reale Luxus-Straßenwagen drehen. Keine Fantasiegeschöpfe, keine Decal-verschandelten City-Shopper und auch keine Formel-1-Fantasiewagen. Zu der Zeit des allerersten Need for Speed lief gerade ein BMW-Spot, indem irgendeiner der bayerischen Luxus-Schlitten mit Tempo durch den Indian Summer rauschte und die bunten Blätter eines lichten Waldes auf der Straße aufwirbelte. Auto-Technik-Ästhetik und Tempo mit Eleganz vor allem anderen. Need for Speed: Hot Pursuit bietet genau diese Momente, in all der Reinheit und Glorie, mit dem Geschwindigkeitsgefühl und der Erhabenheit, die man im normalen Rennspielalltag oder gar der schnöden Realität vergeblich sucht. Und außerdem hat es noch eine ganze Menge von Burnout, was immer ein definitives Plus darstellt.

Raus aus der Stadt, mal ab ins Land und gucken, was man beim Autohändler für den Preis eines besseren Einfamilienhauses bekommt.

Der Einfluss der Criterion Studios ist sofort sichtbar. So weitgehend, dass man, konzentrierte man sich erst einmal auf die Rennen ohne Cops im Gefolge, meinen könnte, dass man das schon mal spielte. Nicht dass es nicht so gut aussah, Burnout: Takedown lief ja bereits auf der letzten Generation. Dieses Driften, dieses Tempogefühl, die mal schicken, mal nervigen Zeitlupen-Crashs, all das gab es schon mal, und zwar so ähnlich, dass es fast ein wenig unheimlich wirkt. Der Stempel, den Criterion aufdrückte, ist so deutlich, dass es schon erstaunt, dass dieses Spiel nicht unter dem Burnout-Label verkauft wird.

Das Gute daran ist wohl, dass Burnout immer Spaß macht und mit dieser Kollektion an Motor-Träumen in atemberaubender Umgebung noch mal mehr. Und einen Unterschied gibt es schon, ist doch das Zusammentreffen von Metall nicht das Primärziel im normalen Rennen und die Strecken in der freien Landschaft sind in erster Linie auf Tempo geeicht. Bremsen ist zwar alles andere als unnötig, will aber sehr dosiert sein, lässt sich doch so ziemlich jede Kurve dieses Super-Arcade-Racers mit mindestens 80 Meilen bewältigen, meist noch viel schneller. In Hot Pursuit geht es nicht um filigrane Manöver zum Optimieren der Millisekunden in der Ideallinie, sondern rein um das brachiale Brettern am Limit sehr teurer Autos.

Und darum, mit diesen Autos der Polizei zu entkommen. Die eine Hälfte des Karrieremodus umfasst Burnout mit gelegentlichen Verfolgern. Gewinnt entweder ein Rennen oder ein Zeitfahren mit Limit oder absolviert diese Leistungen, während der schnelle Arm des Gesetzes euch davon so rabiat wie möglich abhalten will. Ihr könnt deren aufdringliche Komplimente beantworten, indem ihr zurückschubst, und neben dem Geschwindigkeitsgefühl ist dies ein weiterer Punkt, den Hot Pursuit schafft zu optimieren.

Der Moment, in dem zwei Fahrzeuge mit Wucht ineinander rauschen, fühlt sich einfach richtig an. Nicht realistisch wohlgemerkt, schließlich geht es hier in der Regel nach 200+ Stundenkilometer-Rempeleien noch weiter. Die Karossen werden zwar ganz schön vom Schadensmodell in die Mangel genommen, aber am Fahren ändert das nichts, solange die Schadensanzeige auch noch einen Pixel Leben in sich hat.

Das Spiel offenbart in diesen Momenten der Crashs sein Verständnis der Kontrolle, die man dem Spieler geben muss, soll er derartige Situationen beherrschen können, ohne dass sie ihm geschenkt werden. An keiner Stelle gerät man wild ins Drehen und Schleudern, weil alles irgendwie überempfindlich ausfiel, aber wer nicht ständig und gerade in den Rangeleien die omnipräsente Seitenplanke als Lenkhilfe nutzen will, muss mit Gefühl und sehr viel Gespür für Timing arbeiten.

Essenziell ist dabei der Einsatz des Boosts. Um es noch einmal ganz deutlich zu machen, gerade nachdem NfS: SHIFT zuletzt auf Realismus abzielte: Das hier ist Burnout, nix Simulation weit und breit. Es gibt also Boost und man sammelt ihn genau, wie man es eben von Criterions Reihe kennt. Fahrt auf der falschen Seite, weicht knapp dem Sonntagsverkehr aus, driftet, hängt euch in den Windschatten und fahrt genau so, wie es der Fahrlehrer cool findet, aber niemals von euch sehen will. Boost ist kein optionaler Bestandteil, sondern die Essenz des Hot-Pursuit-Lebens. Der taktische Einsatz, nicht nur beim Schlussspurt, sondern in jeder Kurve, jedem Drift, ist etwas, das man hier zur zweiten Lenkung neben dem Steuern verinnerlichen muss.