SHIFT 2: Unleashed
Like a Virgin
Es ist gut, wenn ein Rennspiel schwierig ist, wenn die KI so richtig beißt, in den Kurven nicht nachgibt und man für den Sieg kämpfen muss und zwar bis zum letzten Meter der Zielgerade. Es ist gut, wenn ein Fehler in einer Kurve kurz vor Schluss über ein Rennen entscheidet, weil so nun einmal Rennen bei Profis gefahren werden. Es ist gut, dass einem nichts geschenkt wird. Ist es gut, wenn das auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad inklusive Fahrhilfen geschieht? Bin mir nicht so sicher. Aber manchmal muss man das Leben nehmen, wie es kommt.
Ich bin nicht der Unerfahrenste, wenn es um diese Mitte zwischen Fun-Racer und Hardcore-Sim geht, wo sich all die Forzas und Turismos tummeln. Ich gewinne auch online dort gelegentlich meine Rennen und selbst wenn ich nicht zu den Top-Fahrern gehöre, habe ich bisher bei keinem dieser Spiele, auch bei dem ersten SHIFT nicht, den leichten Schwierigkeitsgrad gebraucht.
Der Hauptgrund dafür ist die KI. Eigentlich nur die KI. Selbst auf Einfach geschaltet landet ihr immer noch oft genug auf den hinteren Rängen, obwohl ihr ein anständiges Rennen abgeliefert habt. Sie fährt weitestgehend eine sehr stabile Ideallinie, überlässt euch diese nicht freiwillig, ohne dabei jedoch zum Ideallinienzombie zu mutieren, und nimmt Kurven fast grundsätzlich am Limit. Spielt ihr auf Hart, dann streicht ihr das „fast". Überholmanöver gestalten sich deshalb auch durchaus schwierig und dauern relativ lange.
Wer nicht hoch konzentriert auf den richtigen Moment warten kann, wird sich hier häufig nach einem Rempler in die Bande drehen. Man kann den Vordermann als Bremsklotz benutzen, sofern der optionale Schaden am Wagen abgeschaltet ist, aber bringen tut das herzlich wenig. Im schlimmsten Fall hakelt man ein wenig, der Vordermann kann auch nicht mehr richtig bremsen und beide landen in der Bande. Man selbst endet meist in der schlechteren Position, während der Rest des Feldes wegfährt und nie wieder zurückkommt. Gummiband? Fehlanzeige. Weg ist weg. Da hilft auch das Zurücksetzen in die richtige Richtung per Select-Taste herzlich wenig und ein einzelner Fahrfehler selbst drei Runden vor Rennende kann das vorzeitige Aus bedeuten. Kaum ein Rennspiel aus dem Mainstream-Bereich macht es euch so schwer, so etwas auszubügeln.
Ein ganz klein wenig kann man aber auch mitunter den Eindruck haben, dass die KI zu eigenen Gunsten schummelt. Während einen selbst ein leichter Rempler zwar nicht aus der Bahn wirft, aber doch merklich verlangsamt, scheint der Computer anschließend wesentlich schneller durchzustarten oder gar nicht erst so viel an Geschwindigkeit zu verlieren. Das kann beim schon sicher geglaubten Überholmanöver zu ordentlich Frust führen. Auch sind die Spitzen in der Schwierigkeitsgrad-Kurve teilweise absurd.
Man muss zum Glück nicht alle Rennen gewinnen, selbst ein dritter Platz ist schon viel wert und irgendwie geht es eigentlich fast immer irgendwo weiter, aber manche Veranstaltungen, insbesondere die gelegentlichen Invitationals zu höheren Rennklassen, lassen einen permanent ins Pad oder Lenkrad beißen. Platz sechs erscheint einem plötzlich richtig gut. Hier lässt sich auch nichts mit Tuning drehen. In den Standard-Rennen hat das Aufmotzen der Motor- und Fahrleistung ein wenig den Effekt früherer Gran Turismos. Eben noch hinkt ihr mit Etwas hinterher, was höchstens als luxuriöses Balz-PR-Mittel bei der Dorfjugend durchkommen würde, nach einem Besuch in der Werkstatt fahrt ihr dem Feld davon. Relativ zumindest, das ist immer noch SHIFT 2. Das fühlt sich passagenweise ein wenig zu sehr nach Vorsprung durch Technik an statt nach ordentlichem Balancing.
Die Ideallinie spielt in SHIFT 2 eine interessante Rolle. Wer die sowieso ausschaltet, dem kann das egal sein, wer die jedoch aus der Konkurrenz kennt, wird hier die ersten Male ordentlich in der Bande landen. Das liegt daran, dass der Toleranzbereich extrem niedrig ausfällt, vor allem wenn man nicht genau auf der Linie fährt und eigentlich das Tempo dem eigenen Eintrittswinkel in die Kurve anders anpassen müsste. Fahrt ihr dann kurz vor der Kurve auf Gelb oder Rot, retten euch nur noch eine Vollbremsung und vorsichtiges Drehen, um wenigstens nur mit Zeitverlust statt einer groben Kollision durchzukommen. Nach dem Anfangsschock lässt es sich mit so einer Linie jedoch viel besser arbeiten. Hier wird nicht geschätzt, wo denn jetzt das wirkliche Limit ist, hier weiß man es auf fünf Prozent genau. Dieses letzte bisschen Toleranz bleibt, danach wird es kritisch.
Die Feinfühligkeit der Steuerung stellt für Pad-Besitzer ein echtes Problem dar. Stellt ihr die tote Zone zu hoch ein, lässt sich ein hochgezüchteter Renner auf etwas wackeligen Strecken leichter austarieren, jedoch fallen enge Kurven schwerer, insbesondere auf Stadtkursen. Mit dem sehr leichtgängigen Stick der PS3 fällt dies noch stärker ins Gewicht als bei dem etwas großzügigeren 360-Stick, jedoch ist dies das erste Rennspiel, bei dem ich sagen würde, dass ein gutes Lenkrad-Set nicht nur mehr Spaß macht, sondern die Spielbarkeit so drastisch erhöht, dass es fast einen Wertungsaufschlag rechtfertigen würde.