Shadows of the Damned
Resident Evil 4 – Grindhouse-Edition
Goichi Suda und sein Studio Grasshopper Manufacture sind in den Augen vieler westlicher Spiele-Fans ein seltsamer Haufen. Unter der "Alles-geht"-Philosophie der Japaner entstanden Spiele, denen der blanke Wahnsinn ins Gesicht geschrieben steht. Games, die so anders und "draußen" waren, dass man sich schon wundern muss, wie diese Mannen die Welt sehen. Auf spielerischer Ebene haperte es zwar nicht selten. Doch allein wegen des Mutes, eben nicht mit der allgemeinen Auffassung von einem Spiele-Abenteuer konform zu gehen, erwies sich Sudas Werk zumindest zum Teil bewundernswert kritikresistent.
Shadows of the Damned kehrt diesen Trend nun insofern um, als dass es das erste Grasshopper-Spiel ist, das nur wenig Angriffsfläche für allzu harte Kritik bietet. Dass dies ausgerechnet deshalb funktioniert, weil mit Shinji Mikami eine der Design-Gottheiten Japans den Wahnsinn der exzentrischen Grashüpfer an die Leine nimmt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Es ist zugegebenermaßen eine lange Leine, mit fluffig gepolstertem Halsband, aber sie reicht, um aus 'Shadows' einen der zielgerichtetsten und motivierendsten Titel des Studios zu machen. Dieses Spiel ist Resident Evil 4 in der Grindhouse-Version.
Worum geht's? Garcia Hotspur ist ein dick tätowierter Mexikaner, an dem die Anfeindungen rechtskonservativer Amerikaner ungehört vorbeigehen dürften. Er macht nämlich einen Job, den eigentlich ohnehin keiner haben will: Er ist hauptberuflich Dämonenjäger. Als der schwer verliebte Latino-Supermann eines Tages von der Nachtschicht zu seiner Angebeteten heimkehrt, sieht er gerade noch rechtzeitig, wie Oberdämon Fleming seine Paula entführt. Garcia wirft sich dem Sechsauge kurzerhand durch sein Höllenportal hinterher, um in dessen Unterwelt so richtig aufzuräumen und letzten Endes seine Liebste wieder in die Arme schließen zu können.
Doch Garcia ist nicht allein, denn was wäre schon ein Held mit abenteuerlicher Berufsbezeichnung ohne einen Sidekick? Daher steht ihm der Ex-Dämon Johnson zur Seite, ein geisterhafter Totenkopf mit englischem Akzent, der in einer Doppelrolle Garcias Dialogpartner und Waffenarsenal gibt. Und ja, Johnson ist eine Penis-Anspielung (zu Deutsch etwa "Johannes"). Diese Sorte Genital-Humor findet sich in dieser Welt an allen Ecken und Enden. Garcia bezeichnet Fleming in einer über die Maßen sorgfältig präparierten Punchline als "Dick...tator", schießt mit einem dämonischen Revolver namens "Boner" um sich (der sich zeitweise auch zum Sniper-Gewehr "Big Boner" upgraden lässt) und schlägt sich im Laufe der fünf Kapitel zu Flemings Schloss durch, dessen höchster Turm... naja ihr könnt euch schon denken...
Dieses Spiel gibt sich bewusst pubertär und albern und schämt sich auch gar nicht, dass seine Scherze genauso oft in die Hose gehen, wie sie voll ins Schwarze treffen. Im Gegensatz zu Duke Nukem Forever hat man aber das Gefühl, dass Suda und Mikami Begriffe wie Ironie und Selbstreflexion eben nicht fremd sind. Sie wollen eine ironische Trash-Klamotte machen und wenn es dafür schlechte Witze braucht, dann bauen sie auch gefälligst welche ein: Unterm Strich ist es zwar trotzdem ein Spiel, das man vorsichtshalber pausiert und vielleicht noch den Fernseher abstellt, wenn unvermittelt die Angebetete, ein Elternteil oder uneingeweihter Besuch das Zimmer betritt. Aber es ist auch eines, bei dem man froh ist, wenn man es weiterspielen kann, sobald die Luft wieder rein ist. Guilty Pleasure? Um in der Terminologie des Spiels zu antworten: "Worauf ihr einen lassen könnt!"
Rein spielerisch ist Mikamis Handschrift ziemlich genau zu erkennen, denn das eingangs erwähnte Resident Evil 4 stand überdeutlich Pate. Ihr blickt Garcia über die rechte Schulter und bei angelegtem Schießprügel geht die Sicht noch etwas näher ran, damit ihr den Laserpointer der Waffe präzise über die Leiber der gammelig-dämonischen Feinde steuern könnt. Allerdings sind Sidesteps in diesem Titel kein Tabu, in jede Richtung darf man eine rettende Rolle vollführen und selbst beim Zielen bewegt sich Garcia noch. Zwar nur im Schritttempo, aber immerhin schnell genug, damit ihr euch in den Gefechten nicht allein auf die Präzision eures rechten Daumens verlassen müsst.