Daytona USA - Test
Zeitzeuge
Die Frage bei Retro-Spielen, die sich eigentlich immer stellt, vor allem, wenn der Preis sich auf dem Niveau bewegt, zu dem man auch aktuelle Download-Spiele bekommt, ist die der Relevanz eines einzelnen Spiels. Nostalgisch verklärt ist Daytona USA für mich eines der besten Sahnestückchen der Spielegeschichte. Meine Saturn-Version spielte ich so lange, bis ich Gicht-artige Erscheinungen in den Händen hatte und es war das schönste Spiel überhaupt. Es war auch das Einzige, was ich für das Saturn hatte und die PlayStation war noch ein gutes Stück weg. Insoweit alles relativ.
Aber welche Relevanz hat das alles heute noch? Das Ding hatte Pop-ups, die man heute nicht mehr glauben würde, ganze drei Strecken waren es, keine "echten" Autos und auch nur eins, das man fahren konnte. Der Automat, an dem sich diese Umsetzung orientiert, hatte hierzulande zwar eine minimale Verbreitung, aber niemals den Impact, den er in den USA hatte, wo mit schöner Regelmäßigkeit Turniere im Vier-Spieler-Kabinett ausgetragen wurden. Warum also sollte Daytona USA hier und heute für euch relevant sein?
Zwei Gründe. Erstens und sehr einfach: Es macht immer noch höllisch viel Spaß! Zweitens, etwas komplizierter: Es ist ein Zeitzeuge einer eigenwilligen Ära der Spielegeschichte, die von SEGA in seiner ganz eigene Nische entscheidend mitgeprägt wurde. Dieses Spiel lässt einen auf die beste Weise erahnen, warum diese quietschbunten Arcade-Racer mit ihrer beim ersten Hören unsäglichen Musik zwei Generationen von SEGA-Konsolen prägten und dort zum Vorzeigematerial gehörten.
Diese Art von Rennspiel betraf aber nicht nur SEGA, auch Namcos Ridge Racer war ein Kind dieser inzwischen beendeten Zeit. Ridge Racer versucht sich mittlerweile in Burnout-Gefilden, während der Arcade-Racer in seiner vermeintlich schlichteren Form ausgestorben und in seiner komplexeren nicht mehr viel mit diesen Ursprüngen jenseits der Genrebezeichnung gemein hat. Die realistischeren Spiele wie Gran Turismo oder Forza haben gesiegt.
Vor ihnen jedoch zählten zwei Dinge. Das eine war beeindruckende Optik. Die Spielhalle war der Showcase der technischen Möglichkeiten und die Arcade-Racer boten eine perfekte Fläche, um zu präsentieren, was die neue Hardware kann. Die Heimkonsolen konnten zu der Zeit visuell in keiner Weise gleichziehen, waren aber ihrerseits natürlich auch die Aushängeschilder, die man mit aller Macht so gut wie möglich umsetzen wollte.
Dass ein Daytona eine für damals großartige Menge an Polygonen auffahren konnte, interessiert heute keinen mehr. Dieser Punkt ist nicht mehr relevant, aber was immer noch beeindruckt, ist das, was man den SEGA-Arcade-Charme nennen könnte. Statt alles und jedes auf ein zwanghaftes emo-gritty zu trimmen, dominierte eine bunte, ausgelassene Welt, in der der Himmel stets blau, die Wiesen grün und die Städte entweder futuristische Zukunftsvisionen oder idealisierte Kleinstädte einer japanisch-wohlgeordneten Gemeinschafts-Vision waren. Vorwärtsgewandt und einer besseren Welt verschrieben, mit einer 90s-hippen Sprecher-Stimme, die sich nach einem Crash um das Wohl der Fahrer sorgt: "Are you okay?!"
Dazu gibt es dann richtig qietschige Musik, bei der man heute weder glauben kann, dass sie das Auswahlverfahren überstand, noch dass man nach einer gewissen Eingewöhnungsphase diese Melodien nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Blue, Blue Skies I see. Lang gezogen und als J-Pop zelebriert, immer wieder der gleiche Song im Hintergrund, der eine den optischen Eindrücken angemessene Brücke baut, um den Spieler in eine eigene Welt zu ziehen. Eine idealisierte und detailarme, aber auch eine stimmungsreiche, bestehend aus den Bauten dreier Rennstrecken. Das Gefühl, das diese Welt vermittelt, ist durchweg positiv, fast manisch fröhlich. Etwas, das sich heute kaum ein Spiel noch gönnt, das einen vergleichbaren Erfolg hat. Irgendwo in den letzten Jahren ging diese Nische der Unschuld verloren. Ich vermisse sie wahrlich nicht jeden Tag, aber gelegentlich erinnere ich mich zurück, dass da mal etwas war. Daytona USA schafft es auf beste Weise, daran zu erinnern, dass es sie einmal gab und das allein ist schon ein guter Grund, diesem Spiel eine gewisse Relevanz zuzugestehen.