Die Wii U im Detail - 1. Das GamePad im Test
Hätte ja nicht gedacht, dass wir zusammenfinden. Aber es hat geklappt.
Die Konsole der Wii U ist ein dezenter schmaler, wenn auch ziemlich tiefer Kasten, der bis auf ein paar Laufwerksgeräusche leise und kühl seinen Dienst tut. Zu ihr komme ich nächste Woche noch ausführlich, wenn ich etwas längere Zeit online verbringen konnte. Zunächst aber einmal der eigentliche Star der Show: das GamePad. Der mit seinem Touchscreen durchaus recht neuartige Controller beherbergt einige der großen Fragezeichen der Wii U. Vor allem: Wie lange hält das Pad mit seinen Akkus durch und wie weit reicht es wirklich. Bevor ich viele gute Dinge über das Pad berichten kann, müssen diese beiden Punkte geklärt werden, denn ich bin weder vom einen noch vom anderen beeindruckt.
Reichweite und Laufzeit
Die Ladezeit beträgt wenige Stunden von leer auf voll, ein bis zwei grob geschätzt, das Problem ist, dass es nur vier bis fünf Stunden maximal bei einem Spiel wie ZombiU durchhält. Für eine einzelne Spielsession mag das noch ok sein, länger spiele zumindest ich selten am Stück, aber wenn ihr entweder doch mehr Zeit in einem Rutsch verbringt oder einfach am nächsten Tag zum Pad greifen wollt, müsst ihr eine Steckdose in der Nähe haben.
Das Pad wird über einen Standard-Mini-USB Stromadapter befüllt, der entweder direkt in dessen Buchse kommt oder in die Ladeschale. Dort lässt sich der Controller elegant abstellen, verbindet ihr ihn direkt mit dem Strom, könnt ihr auch so weiterspielen. Das Kabel ist recht lang, etwa zwei Meter, was das zu keiner großen Akrobatik ausarten lässt, aber trotzdem: Etwas länger hätte der Akku schon durchhalten dürfen. Wahrscheinlich verbessert sich die Zeit ein klein wenig nach mehr Ladezyklen, aber entscheidend wird es nicht sein.
Die Reichweite ist das nächste "Problem". Solange ihr im selben Raum seid - ist das bei mehr als zehn Metern immer noch der Fall ist euch mein Sozialneid gewiss - gibt es keine Schwierigkeiten. Pad und Konsole reden ohne Aussetzer miteinander. In den Flur bei geöffneter Tür, ca. fünf Meter weiter, geht es gerade noch so, auch wenn das Pad je nach Haltung zu meckern anfängt. Im durch eine Altbauwand getrennten Nebenraum ist Schluss. Selbst in meiner relativ übersichtlichen Mietwohnung kann ich das Pad nicht durch diese tragen und überall spielen. Im Falle von großen Eigenheimen mit mehren Etagen braucht ihr gar nicht darüber nachdenken, die Konsole im Spielzimmer im Dachgeschoss aufzubauen und das Pad zum Zocken mit in den Garten zu nehmen. Das Klo sollte auch sehr Hardware-Basis-nah positioniert sein, wenn ihr euch diesen Traum erfüllen wollt.
Es ist anzunehmen, dass einerseits das leuchtstarke Display ganz gut Strom zieht, aber auch die Bandbreite, die nötig ist, um Bild und Ton zu ziehen und Lag-frei die Steuerung zu kommunizieren sehr hoch sein muss. Das kostet eine Menge Energie und ist sicher auch anfälliger für einen Datenabriss als eine recht dünne Verbindung, wie sie zum Beispiel ein Funkkopfhörer braucht - der es komplett durch die Wohnung ohne Aussetzer schafft.
Der Bildschirm
Benutzt ihr das Pad jedoch so, wie es scheinbar gedacht ist - alles im selben Raum -, dann gibt es keine Probleme mit dem Empfang, das Bild wird, sobald ihr es wollt und ein Spiel das anbietet, auf den Screen gezogen und ihr könnt es vollständig dort spielen. Will man das, ist die Frage? Mehhh ... Nein. Außer die Not ist groß, ich muss noch was testen, Frau will den TV in Beschlag nehmen. Dann könnte ich mir vorstellen, auch mal auf das kleine Display auszuweichen. Sonst jedoch nehme ich die grafische Opulenz eines Assassin´s Creed 3 lieber in all der Farbpracht und Bildschiärfe, die mir der TV auf vielen Zoll Diagonale bietet. Dass Nintendo hier kein Retina verbauen würde, war klar, und angesichts des Preises ist es immer noch ein sehr solides Display, aber die resistive Touch-Technik ist nun mal von vorgestern, was Tablets angeht.
Nutzt man das Pad, für das, wofür es eigentlich gedacht scheint, nämlich die Steuerung der großen Spiele zu unterstützen, spielt das keine Rolle. Die Auflösung ist hoch genug (854 mal 480), die Schärfe ausreichend, sogar fein gezeichnet und alle Icons oder die Karte eines ZombiU oder Mass Effect 3 tadellos und ohne jede Ermüdungserscheinung lesbar.
Multitouch-Gesten gibt die Touch-Technik leider nicht her und auch sonst müsst ihr schon mal beherzt zudrücken, damit es klappt. Das ganz leichte Wischen, das man von iPad oder den Samsung-Tabs kennt, bekommt ihr hier nicht, wiederum der resistiven Technik geschuldet. Das ist aber eine Frage zum Glück recht kurzer Gewöhnung und es artet mitnichten in ein Herumhacken aus. Lediglich schnell aufeinander folgende Aktionen wie das Antippen, Ziehen der Karte und dann das Auswählen eines Punktes darauf kann schon mal für Verwirrung sorgen. Das Pad registriert von Zeit zu Zeit das Ziehen als Tippen und wählt dann etwas aus, was ihr so nicht wolltet. Das ist kein echtes Problem, aber wiederum etwas, an das man sich gewöhnen muss. In gewisser Weise erzieht euch das GamePad sehr schnell, dass Präzision und ein kräftiger Fingerdruck in eurem Sinne sind.
Was den Stylus angeht ... Das Pad reagiert auf Finger mehr als genau genug. Er ist jedoch hervorragend geeignet, um sich die Fingernägel zu säubern oder schlechte Menschen damit zu pieksen. Sonst verzichte ich auf den Gebrauch, wo es nur geht. Das ist 2012 und ein GamePad und nicht 2003 und mein erster PDA.
Sound aus Minis
Zwei kleine Stereo-Lautsprecher wurden in die Front eingebaut und erfüllen ihren Zweck bisher ganz ordentlich. Sei es das Ping! des ZombiU-Radars oder der Funkverkehr in Batman Arkham City, solange man weiß, was man mit diesen Lautsprechern tun kann, gibt es keine Probleme. Den kompletten Sound eines großen Spiels nur darauf genießen, davon würde ich dann aber doch abraten. Dafür wurden sie nicht gebaut, lasst es besser, schließt einen Kopfhörer an.
Die Steuer-Elemente
Neben dem Touchscreen besitzt das GamePad so ziemlich alle Buttons, Sticks und Trigger, die ein "normaler" Controller aktuell so mit sich bringt. Die Meinung über die Sticks geht leicht auseinander. Die meisten, mit denen ich sprach - und ich teile diesen Eindruck - waren durchaus von der Position der Analogsticks angetan, empfanden den mit dem 360-Controller vergleichbaren Widerstand als angenehm und die Wölbung nach außen auf der Berührungsfläche als nicht störend. Ein paar sagten jedoch, dass sie den Stick als "rutschig" empfanden. Mir ist nach mittlerweile über 40 oder 50 Stunden mit den Sticks nichts dergleichen aufgefallen.
Das Steuerkreuz ist ein echter Gewinner. Weit präziser als das der 360 noch etwas angenehmer als das der PS3 und vor allem sehr viel größer als diese schlechten Scherze auf den Wii-Remotes. Im Grunde ist es eine ganz dezente Weiterentwicklung des SNES-Kreuzes. Mehr ist dem Punkt wohl kaum zu wünschen.
Die Trigger liegen angenehm im Bereich der Mittelfinger. Gut erreichbar sind sie, aber eigentlich keine echten Trigger. Es ist kein analoger Weg da, es sind digitale Schalter. Sie sind sehr präzise, lassen sich tadellos bedienen, aber für Rennspiele beispielsweise sind sie nicht gebaut. Shooter jedoch, da fühlen sie sich wohl. Die beiden L/R-Buttons darüber wiederum werden mit den Zeigefingern bedient, die angenehm entspannt darauf ruhen und die ebenfalls digitalen Knöpfe tadellos drücken. Keine Beschwerden hier.
Die vier Front-Buttons geben sich denkbar unspektakulär. Sie könnten ein wenig größer sein, aber eigentlich ist das egal. Sie sind sehr präzise, bieten einen guten Weg und Widerstand, nichts auszusetzen hier. Die beiden Start/Select, beziehungsweise +/- Buttons jedoch ... wir werden keine Freunde mehr. Sie sind zu klein, zu weit weg nach unten gerutscht, und um sie zu finden, musste ich sehr lange immer noch nach unten gucken, statt blind zu wissen, wo mein Finger sie zu erwarten hat. Bäh.
Am unteren Rand wurde in der Mitte der Home-Button verbaut, der das System-Menü aufruft. Ist nicht sonderlich gut zu erreichen, muss er auch nicht sein. Liegt, wo er soll, tut was er soll, lassen wir ihn in Ruhe. Rechts von ihm findet sich ein Switch zum Umschalten auf die TV-Kontrolle. Ihr könnt bei der Einrichtung euren Fernseher auswählen und per IR-Signal kann das GamePad dann alle wichtigen Funktionen über Tasten und Touch-Screen steuern. Sehr praktisch, zieht ihr doch einfach, so es denn nötig ist, das Spiel auf den Screen und schaltet auf den Sender eurer Wahl, ganz ohne das GamePad aus der Hand legen zu müssen. Wiederum daneben befindet sich die Powertaste. Sie schaltet Pad und Konsole ein und aus. Welch eine Überraschung. Alle drei Knöpfe sind versenkt im Gehäuse eingelassen, damit ihr sie nicht aus Versehen im Eifer des Gefechts bedient.
Zuletzt gibt es oben rechts, gleich neben dem versteckten und herausziehbaren Stylus einen sehr billig wirkenden Lautstärkeregler, den die Entwickler aus der Reste-Kiste vom DS gefischt und verbaut haben. Er funktioniert, wie er soll. Mehr Gutes kann ich darüber nicht sagen, aber das genügt ja letztlich auch.
Haptik des GamePads
Was ich wirklich nicht erwartet habe, ist, wie gut das Pad auch bei langen Spiel-Sessions in der Hand liegt. Lasst ihr es locker auf Schoß oder Oberschenkeln ruhen, fällt das im Vergleich zu einem üblichen Controller hohe Gewicht überhaupt nicht auf. Beide Hände ruhen angenehm in Reichweite aller Bedienelemente, gelegentlich wandert die Hand zu Touchscreen, ihr werdet vergessen, dass das GamePad fast auf das Gewicht zweier Controller kommt.
Das Material ist vorn schwarzes beziehungsweise weißes Klavierlackplastik und stört nicht. Selbst gegen Fingerabdrücke ist es erstaunlich resistent. Die Rückseite ist matt aufgeraut und wirkt scheinbar effektiv schwitzigen Händen entgegen. Es ist so unspektakulär, dass es langweilig ist. Aber in diesem Punkt ist Langeweile super, so könnt ihr euch auf das Spiel konzentrieren.
Links und rechts an der unteren Seite des Rückens gibt es zwei Höcker, die ihr fast automatisch mit Ringfinger und kleinem Finger berührt. Sie unterstützen den Griff geschickt, die Hauptlast trägt aber der sich von links nach rechts in der ganzen Breite durchziehende Höcker, der auf den Ringfingern zum Liegen kommt. So werden die Mittel- und Zeigefinger entlastet und können ganz ungestört ihre Tasten bearbeiten.
Wer auch immer das GamePad genau entworfen hat, sie wussten sehr viel über Haptik, machten sich lange Gedanken, wie man ein doch relativ schweres Pad lange angenehm halten kann und sie hatten vollen Erfolg dabei. Dieses Pad zu halten, ist nicht die geringste Bürde, fast schon im Gegenteil. Es liegt einfach angenehm in den Händen.
Und sonst?
Der USB-Anschluss oben wird derzeit nur zum Laden benutzt, den Sync-Button unten hinten habe ich noch nicht benutzten müssen, das Mikro scheint ebenso funktional wie die Kamera, wobei "funktional" auch die Qualitätsbeschreibung darstellt. Berühmt gut sind sie nicht gerade, aber es reicht wohl. Einen Kopfhörer-Ausgang findet ihr oben halb-links, wo er und das Kabel in ihm, wenn er denn genutzt wird, beim Spielen nicht groß stören. Und hier ist noch eine Kleinigkeit, von der Apple lernen kann: Die Platte vor dem Akku lässt sich leicht abschrauben. Ein Akku-Tausch ist also wohl kein Problem.
Eine Art Fazit: Ich mag es.
Ja, ich mag es. Ich habe mich inzwischen mit dem GamePad wirklich gut angefreundet und mich sogar an sein fast allgegenwärtiges Ladekabel gewöhnt. Die Reichweitekiste trifft mich jetzt nicht so wirklich, ich hatte nie wirklich vor, das Pad irgendwohin zum Zocken zu entführen. Aber ich kann jeden verstehen, der von der kurzen möglichen Distanz zwischen Konsole und Pad etwas enttäuscht ist.
Nichtsdestotrotz, die Haptik des GamePads ist wunderbar. Es liegt fast perfekt in der Hand, die Steuerelemente sind (fast) alle durchdacht platziert und in der Benutzung tadellos. Das gilt mit Einschränkungen auch für den Screen, bei dem ich zwar viel lieber ein kapazitives Display gesehen hätte, aber auch verstehe, dass 300 Euro für das Pad allein insoweit ein Killerfeature gewesen wäre, als dass es die Konsole mit einem so hohen Preis gekillt hätte.
Also ja und abschließend: Ich mag das GamePad. Damit kann man in Zukunft sicher gut arbeiten. Kleiner Applaus an Nintendo. Ihr habt mich, einen bisher voreingenommenen GamePad-Hasser, weitestgehend bekehrt.
Jetzt noch ein dicker Akku rein, eine dickere Empfangsleistung und ein kapazitiver Bildschirm und wir werden alle arm aber sexy. Als Berliner bin ich so was gewohnt, also tut euch beim GamePad 2 keinen Zwang an, Nintendo.