Skip to main content

The Cave – Test

Es gibt einen Grund, warum Adventures so aufgebaut sind, wie sie es sind. Weil sie dann nicht wie The Cave sind.

Wenn wir über The Cave reden, kommt man einfach nicht umhin, Ron Gilbert und all seine unbestreitbaren Leistungen für das Adventure-Genre zu erwähnen. Ohne ins Detail gehen zu wollen, er war mit eine der treibenden Kräfte hinter den ewigen Klassikern, die die Frühzeit von Lucas Arts definierten. Maniac Mansion, Zac McKracken, Monkey Island, Day of the Tentacle, bei allen war er entscheidend mit daran beteiligt, dass sie diese phänomenalen Spiele wurden, die wohl nie ganz vergessen werden.

Diese Spiele brachten das Genre voran und verstanden viele Dinge, vor allem, wie ein Rätsel auszusehen hat. Dass man, wenn man verschiedene Figuren hat, sie auch sinnvoll und individuell in Rätsel integrieren muss, und in ihrem späteren Verlauf auch, dass ein Doppelklick auf den gewünschten Zielort die Animationen drastisch beschleunigen sollte. 20 Jahre später: The Cave. Hat der Mann eigentlich alles vergessen, was er mal miterfunden hat?

Der Grog und Chuck die Pflanze. Ein paar Memorabilia an bessere Tage müssen sein.

Lasst mich erst einmal kurz klären, was The Cave ist und was es nicht ist, bevor ich dazu komme, was schief lief. Es ist kein Jump`n`Run, kein Action-Adventure, es gibt ein paar Abläufe mit Zeitdruck, aber da kannten selbst die alten LucasArts-Titel unvergebendere Stellen. Es ist ein Adventure. Rätsel lösen ist der komplette Fokus. Dinge mit anderen Dingen zu kombinieren ist der Weg, das Ziel ist es in der Regel, einfach weiter durch die Höhle zu kommen. Die Hüpferei ist nur der Modus Operandi der Fortbewegung, kein Geschicklichkeits-Element. Und eine besonders auf Dauer saudumme Idee für ein Adventure. Sorry, das klingt hart, aber das ist auch so gemeint.

Hin und her, rauf und runter, immer wieder.

In einem Adventure will ich Rätsel lösen und nicht immer nur zeitfressend hin- und her-, vor- und zurückrennen, um mir anzuschauen, was es gibt, wo ich überhaupt hinkann, welche Gegenstände benutzbar sind oder um mir überhaupt ein Bild der Lage zu machen. In Monkey Island, um einen Vergleich zu wählen, habt ihr sehr viel Orte, die ihr besuchen könnt. Es reichen ein paar Klicks um die ganze Insel zu überqueren, sobald euch etwas einfällt, was man am anderen Ende probieren könnte. In The Cave müsst ihr rennen, klettern, laufen. Immer wieder, immer die gleichen Strecken vor und zurück. Keine Möglichkeit die Wege abzukürzen, keine Chance bekannte Pfade einfach mal zu überspringen und direkt zum gewünschten Ziel zu gelangen.

Nehmt eine der ersten Locations, durch die alle der insgesamt sieben Figuren, aus den ihr ein Dreier-Team für jeden Spieldurchgang zusammenstellt, müssen: die Goldmine. Ihr müsst drei Minenwagen in einem mehrstöckigen Minenschacht beschaffen, jeder der drei mit einem kleinen Rätsel verbunden. Diese zu lösen - rein geistig im Kopf - geht recht zügig. Aber alle sind unendlich viel Laufarbeit. Ihr müsst immer ganz nach unten um eine Dynamitstange zu holen. Die tragt ihr auf die entsprechende Ebene. Für eines der Puzzles müsst ihr von ganz unten sogar noch einen weiteren Gegenstand beschaffen, der auch nach oben getragen werden muss. Einzeln, weil es kein Inventar gibt und eine Figur nur einen Gegenstand festhalten kann. Noch so eine Schnapsidee. Für alle drei Rätsel braucht ihr mehr als eine Figur, also müsst ihr mehrfach zwischen den Figuren wechseln und mit ihnen an den gewünschten Ort laufen. Selbst wenn ihr also wisst, wie es gehen muss, bleibt viel, viel Fleißarbeit, weil die Idee mit dem Jump`n`Run für ein Adventure einfach nur eine Hürde darstellt, ohne spielerischen Mehrwert zu bieten. Auf diese Weise wird dieses Spiel eines Genres, das schon nicht gerade für Tempo bekannt ist, noch weiter ausgebremst.

Die Goldmine. Wege und Leitern und nur wenig Substanz.

Es ist gut, dass diese Bewegungen, das Klettern und Springen, tadellos funktionieren und euch so keine weiteren Hürden in den Weg stellen. Aber das macht es nur bedingt besser und angesichts dessen ist es schon ein wenig schade, dass viele der Rätsel eigentlich Besseres verdient gehabt hätten. Hier liegt nämlich die große Stärke von the Cave, hier zeigt Gilbert, dass er Puzzles bauen kann. Jede der sieben Figuren hat einen eigenen Abschnitt, dazwischen liegt immer ein Bereich, den alle Figuren, egal, mit welchem Trio ihr unterwegs seid, teilen. Auch diese ziehen nach der grausigen Goldmine deutlich an, aber die sieben individuellen sind definitiv die Highlights.

Sieben mal logische Gradlinigkeit statt einmal so richtig um die Ecke gedacht

Alle Figuren werden auf eine Art moralisch wertvolle Reise geschickt, in der ihnen vor Augen geführt wird, was der Preis ist, den sie für den Gegenstand, den sie am meisten im Leben begehren, zahlen müssen. Das geht schon mal zum Massenmord hoch und diese kleinen Geschichten spielen sich teilweise sehr dunkel-unterhaltsam aus - ich spoilere mal lieber nichts, es würde euch einiges nehmen - und die intelligente Höhle als britisch-trockener Kommentator und Gegenpart zu den grundsätzlich stummen Helden hätte kaum besser gewählt sein können. Jede Figur hat eine Spezialfertigkeit, die nötig ist, um den eigenen Abschnitt zu bewältigen. Diese Fertigkeiten sind leider nicht sonderlich spektakulär: die Abenteurerin schwingt sich an einem Lasso über Abgründe, die Zwillinge teilen sich, um an zwei Orten etwas zu tun, der Mönch kann durch Gedankenkraft entfernte Schalter und Gegenstände bewegen. In erster Linie dienen sie nur dazu, um an bestimmten Stellen nur die richtige Figur passieren zu lassen. Trotzdem, insgesamt werdet ihr hier auf Dutzende kleiner Rätselchen stoßen, die euch fordern, unterhalten, aber nie komplett aus der Ruhe bringen werden. Angenehmes Puzzlen, das sich jedoch nicht mit den Gehirnverrenkern früherer Zeiten vergleichen lässt.

Denkt ihr zurück an Day of the Tentacle und die Hirnverkrampfungen, die zwar komplett logisch, aber eben auch sehr verschachtelt waren, und erwartet solche hier auch, dann werdet ihr enttäuscht. Es gibt praktisch kein Rätsel, das darauf eingeht, welche Dreier-Konstellation ihr im Detail gerade mitführt. Entweder ihr habt jemanden und müsst dann einen speziellen Bereich lösen oder das Spiel lotst euch daran einfach vorbei. Keine Aufgabe kombiniert die speziellen Fertigkeiten, weil das Spiel nicht wissen kann, wen ihr zu Beginn auswählt und weil es keinen einzigen alternativen Lösungsweg gibt. Nicht wirklich, jedenfalls. An ein paar Stellen könnt ihr eine Tür schneller öffnen, sofern ihr einen bestimmten Charakter dabei habt, aber das ist so marginal, dass es nicht zählt. Hier wäre deutlich mehr Potenzial drin gewesen, komplexere Rätsel zu bauen, aber vielleicht war dies einfach nicht die Intention des Schöpfers. Es gelang ihm also durchdachte, logische und unterhaltsame Puzzles zu kreieren, die euch mehr durch die Laufwege bremsen, als euch wirklich geistig an die Wand zu spielen.

Schöne Ausblicke gibt es immer wieder mal.

Inhaltlich wusste ich zuerst beim besten Willen nicht, was genau mir das Spiel sagen wollte. Der Weg schien bis zum Abspann vorgezeichnet, Abweichung nicht möglich, die Geschichten und ihre Aussagen verliefen seltsam und ohne eine Bedeutung. Die ganze Reise schien keinen Eindruck auf die Charaktere gemacht haben, was sollte das alles? Dann fand ich Folgendes heraus und das solltet ihr als Tipp mitnehmen: An einer Stelle, der allerletzten im Spiel, an der ihr Handeln könnt, gibt es eine Alternative. Ihr könnt etwas weggeben. Und damit machte es plötzlich Sinn. Ich hab jetzt die Wahl mich zu entscheiden, ob dieser Moment elegant-subtil genannt werden sollte, aber ich möchte lieber kritisieren, dass manchmal Subtilität auch zur Unerkennbarkeit der Lage führen kann. Nun, ihr wisst jetzt Bescheid und damit auch, dass die Geschichte um die Höhle, und was sie tun möchte, keine Schlechte ist. Ich habe sie und auch alle ihre sieben Untergeschichten am Ende sehr genossen. Die eine mehr als die andere, aber das ist wohl normal.

Sechs mal das (fast) gleiche Spiel spielen? Ernsthaft?

Was ein wenig dabei auf der Strecke blieb, ist der Humor. Monkey Island oder die anderen Gilbert-Spiele lebten gut von ihren teilweise irren Dialogen, in The Cave gibt es einfach keine, weil die Figuren nicht reden. Auch der visuelle Humor reduziert sich auf wenige Stellen. Die dunklen, zynischen Momente sind das Herz des Witzes und der nutzt sich ein wenig früher ab, als es gut für das Spiel ist. Zum Schluss konnte ich nicht mehr grinsen, wenn die Höhle mal wieder einen trockenen Spruch von sich gab, weil er ein wenig zu sehr an die vorigen erinnerte.

Wiederholung ist dann schließlich das letzte Problem. Um alle Geschichten und Enden zu sehen, müsst ihr The Cave sechs Mal durchspielen, in zwei der Durchgänge müsst ihr Figuren mitnehmen, die ihr schon ihn vorigen dabei hattet. Ab dem zweiten Durchgang wird euch das Herumgelaufe so richtig auffallen. Dann wird es euch so richtig auf den Kranz gehen. Danach schließlich wollt ihr die Höhle erwürgen, wenn sie den gleichen Satz zum dritten, vierten fünften oder sechsten Mal von sich gibt. Auf der einen Seite will das Spiel, das ihr diese Zahl von Runden dreht, auf der anderen Seite tut es denkbar wenig, um euch das zu erleichtern oder versüßen.

In jedem Durchgang müsst ihr durch die Goldmine und in ihr alle Wege und Aktionen immer wieder ablaufen. Eine Möglichkeit zum Überspringen, nachdem ihr es erst einmal hinter euch gebracht habt, hätte hier Wunder gewirkt, aber nein.

Der Rummelplatz ist stimmig, aber wenn ihr ihn erst oft genug durchquert habt, lässt der Reiz nach.

Wie schon gesagt, alternative Lösungswege kennt es nicht. In jedem Durchgang müsst ihr durch die Goldmine und in ihr alle Wege und Aktionen immer wieder ablaufen. Eine Möglichkeit zum Überspringen, nachdem ihr es erst einmal hinter euch gebracht habt, hätte hier Wunder gewirkt, aber nein. Kein Satz wird ausgelassen, jedes Rätsel muss aufs Neue abgearbeitet werden. Im ersten Spiel kein Problem, ab dem Zweiten eine immer größere Bürde. Selbst über Speicherstände lässt sich hier nichts retten, weil es nur einen einzigen, automatischen gibt. Kurz neu laden und das andere Ende auch noch angucken ist nicht. Zurück auf null, alles noch mal bitte.

Was ich The Cave jedoch auch ohne diese nutzlose Streckung nicht vorhalten kann, ist ein Mangel an Umfang. Ihr könnt für die erste Runde, je nachdem, wie schnell ihr im Puzzlen seid, schon ein Dutzend Stunden einrechnen, danach geht es etwas schneller, weil ihr Teile ja schon kennt und nur noch die Abschnitte der für euch neuen Figuren wirklich lösen müsst.

Hübsch ruckelig habt ihr es hier

Dass ich jedoch angesichts der zwar schön gezeichneten und animierten, aber schwerlich spektakulären Optik eine Rüge für die Technik verteilen muss, hatte ich auch nicht erwartet. Das Spiel ruckelt immer wieder mal ganz gerne. Völlig unklar, das ist nun wirklich nicht an den Grenzen der Leistungsfähigkeit der Konsole auf Kante genäht. Aber trotzdem: es ruckelt. Unschön. Ein mehr künstlerisches Problem stellen die Bilder da, die ihr an den Wänden der Höhle an bestimmten Stellen findet und die die dünnen Hintergrundgeschichten der Figuren erzählen. Sie sind ein kompletter Stilbruch und sie scheinen aus einem anderen, etwas preiswerteren Spiel zu stammen. Sie erfüllen ihre Pflicht, aber das auf eine fast schon störende Weise. Tröstet euch damit, dass fast alle der Bereiche der eigentlichen Höhle im Gegensatz einen freundlichen Retro-Charme verströmen und das Auge erfreuen, wie das Ohr die dezent eingesetzte Musik wohlwollend zur Kenntnis nimmt. Beides liegt schwerlich auf einer Stufe mit Trine 2, aber der Stil von Cave geht auch in eine positiv naivere Richtung und die Macher ziehen diesen konsequent und tadellos durch.

Kein Affe auf dieser Insel. Aber der Papagei kann mit dem Hund ganz gut.

The Cave ist ein ganz schwieriger Fall. Die Story, der Stil, die Rätsel, sie alle sind vielleicht nicht ganz, was sie sein könnten, aber ich denke schon, dass sie auf einem Niveau liegen, das ich euch normalerweise ohne Probleme ans Herz legen könnte. Aber dann gibt es da diese kruden Design-Entscheidungen, die sich so völlig kontraproduktiv dem eigentlichen Reiz eines Adventures gegenüber verhalten. Was sollen diese endlosen Laufwege per Hand? Das fehlende Inventar, das diese noch multipliziert? Die immer gleichen Wiederholungen machen es nur noch schlimmer. Geduld ist jedenfalls etwas, das ihr spätestens nach der ersten Runde haben müsst, um damit klarzukommen.

The Cave stellt sich fast alle Beine selbst, es stolpert über seinen Wunsch, anders zu sein. Dieser ging ohne Frage in Erfüllung, zeigt hier aber letztlich nur, dass man vorsichtig sein sollte mit dem, was man sich wünscht. Es könnte in Erfüllung gehen. Ironischerweise ist das die Lektion, die euch The Cave erzählen möchte. The Cave ist anders als jedes andere Adventure, das Ron Gilbert je machte. Aber leider auch deutlich schlechter. Am Ende bleibt ein nettes, behäbiges Puzzlespiel mit zu viel Leerlauf zwischen einzelnen, mal lustigen, mal schlauen Einzelmomenten und fast immer wohlkonstruierten Rätseln. Von Ron Gilbert hätte man erwartet, dass er genug Erfahrung hat, um diese selbst gebauten Hürden einfach zu Hause zu lassen.

6 / 10

Schon gelesen?

Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

The Cave

iOS, PS3, Xbox 360, Nintendo Wii U, PC

Verwandte Themen