ShootMania: Storm - Test
Wie weit kann man die Essenz eines Arena-Shooters konzentrieren? Wie zugänglich kann ein Map-Editor sein? (Spoiler: SEHR!)
Es ist leichter, ShootMania Storm anhand dessen zu beschreiben, was es nicht hat. Es gibt keine Story. Es gibt in den Maps kein beeindruckendes Waffenarsenal zum Aufsammeln. Keine Health-Packs oder Rüstungen. Kein Quaddamage, keinen Teleporter, keine BFG und kein Redeemer. Die Welten glänzen nicht durch barocke Pracht oder durch High-Tech-Huppi-Fluppi. Die Avatare sehen ein bisschen aus wie Solid Snake mit Wappen auf dem Rücken. Ihr Look spielt sowieso keine Rolle, wichtig ist nur die farbige Aura, die sie umgibt. Es wird nicht gelevelt, es gibt keine Erfahrungspunkte, keine Boni, keine Booster, keine Zielhilfen und keine Achievements.
ShootMania steht für die Konzentration auf das Wesentliche. Meisterschaft und Skill durch Arbeit und Beschränkung. Der Titel ist quasi das virtuelle Pendant der staubigen Straßen Brasiliens, in denen Pelé oder Ronaldinho lernten, den Ball zu jonglieren. Die Mittel sind begrenzt, die Regeln simpel, die Lernkurve steil. Doch die Möglichkeiten: immens.
Der Minimalismus spiegelt sich schon in den drei (!) Waffen wider, deren Gebrauch durch einen gemächlichen Cooldown-Balken beschränkt wird und die sich nicht manuell wechseln lassen. Stattdessen werdet ihr damit ausgerüstet, wenn es der Spielmodus vorsieht oder wenn ihr euch in bestimmten Bereichen der Karten befindet.
Drei Schießprügel für ein Halleluja
Die Standard-Wumme ist auf den ersten Blick eine fiese Zitrone. Sie entfesselt vier Energiekugeln in Folge, bevor sie fürs Aufladen pausieren muss. Die Geschosse fliegen langsam und hinterlassen eine Rauchspur. Ihr Splashdamage ist ein Witz, außer man nutzt ihn für Rocketjumps. Mit diesem Ballermann in den Kampf zu ziehen, ist wie Dribbeln mit einem Medizinball: schmerzhaft und mühsam.
Die Geschosse fliegen langsam und hinterlassen eine Rauchspur. Ihr Splashdamage ist ein Witz, außer man nutzt ihn für Rocketjumps.
Eigentlich ist das Teil eine Zumutung. Aber eine von der guten Sorte, die einen nicht umbringt, sondern stärker macht. Man lernt, sich die Schüsse aufzusparen, beim Zielen vorzuhalten, in Bewegung zu bleiben, und die Salven des Feindes zu zählen, um ihn zu überrumpeln, während er nachlädt. Man wird ein besserer Spieler.
Die zweite Knarre ist eine Art Blitz-Railgun mit langem Cooldown. Die Lieblingswaffe der Arena-Shooter-Veteranen. Doch ihr Zielfernrohr bleibt auf vielen Karten deaktiviert. Snipern wird damit zur anstrengenden Konzentrationsübung, wenn man ein verschwommenes Pixel am Horizont erwischen will. Die dritte Wumme ist kaum der Rede wert. Eine Granate mit großem Wirkradius, die an Oberflächen kleben bleibt und nach einer Weile explodiert. Wenn man sie richtig platziert, erwischt sie einen Verfolger kalt.
Die Reduktion auf diese wenigen Waffen-Archetypen macht ShootMania Storm zweifellos zu einem interessanten eSports-Titel. Bei nur drei Schießprügeln kann man davon ausgehen, dass keiner der Kombattanten ins Hintertreffen gerät. Der individuelle Skill ist die einzige Währung, die hier zählt. Allerdings hätte ich es lieber gesehen, wenn die Macher ein paar zusätzliche Waffen ins Repertoire gelegt hätten, die man optional aktivieren und deaktivieren kann. Einfach für die Spaß-Runde zwischendurch. Manchmal steht mir der Sinn eben nach Abwechslung. Entweder ich editiere mir selbst eine Waffe zusammen oder ich muss auf die Modder-Community warten. Das ist schade. Einsteiger hingegen könnten von den wenigen Knarren profitieren. Wer sich nicht von ein paar Dutzend verlorenen Matches ins Bockshorn jagen lässt, kann mit ShootMania sogar den Grundstein einer passablen Ego-Shooter-Karriere legen.
So simpel das Waffenarsenal daherkommt, so vielfältig sind die Möglichkeiten, seinen Avatar durch die Level zu dirigieren. Neben dem Ladebalken eurer Waffe und eurer Lebensleiste gibt es auf der rechten Bildschirmseite einen Balken für Bewegungs-Manöver, die abhängig vom Untergrund durch Gedrückthalten der Sprungtaste ausführbar sind. Wie in Tribes: Ascend könnt ihr damit für kurze Zeit durch die Luft und über den Boden gleiten, wodurch ihr eure Geschwindigkeit enorm erhöht und die Reichweite eurer Sprünge steigert. Daneben sind Walljumps möglich, durch die Könner selbst höhere Ebenen problemlos erklimmen. Die Rocketjumps mithilfe der Standard-Kanone dürfen ebenfalls nicht fehlen.
Im Spielmodus Obstacle kommt das besonders zum Tragen - hier wird nicht geballert, hier müsst ihr euch möglichst schnell über Hindernisse und Abgründe zum Ziel des Levels durchschlagen. Es gibt schnelle Parcours, die einem alles abverlangen - hier empfiehlt es sich, in den Zuschauermodus zu wechseln und ein paar Profis über die Schulter zu schauen. Aus Beobachtung zu lernen ist in ShootMania Storm sowieso keine schlechte Idee.
Hin, Her, Twister, Angriff, Verteidigung und Duelle
Die sonstigen Spielmodi? Schnell kapiert, schnörkellos umgesetzt und über die ManiaPlanet-Oberfläche bequem zu erreichen (Der Client startet übrigens erfreulich schnell und reagiert fix. Gut gemacht!). Beim Modus 'Battle" geht es darum, die Lichtsäulen auf der gegnerischen Spielhälfte zu erobern oder seine eigenen Säulen zu verteidigen. Die Zeitfenster für die Eroberungs- und Verteidigungsphasen wechseln konstant, sodass die Teams ständig zwischen Angriff und Gegenangriff umschalten müssen.
In 'Royal' geben sich 16 Spieler eines auf die Mütze und verdienen dadurch Punkte, bis der Energiebalken im Kartenzentrum zur Eroberung freigegeben wird. Wer ihn schnappt, bekommt ein paar Extrapunkte. Doch viel wichtiger: Dadurch startet ein Countdown. Von da an ist jedes Ableben endgültig und der einzige Überlebende wird zum Sieger der Runde erklärt. Für zusätzliche Dramatik sorgt ein Tornado, dessen Trichter das ganze Spielfeld umschließt und der sich langsam enger zieht, bis schließlich nur noch ein paar Meter rund um den Flaggenmast übrig bleiben. Spätestens dann gerät das wilde Hüpfen und Ausweichen im Auge des Zyklons für die Zuschauer zum hypnotischen Totentanz.
Der vierte prominente Modus ist 'Elite'. Hier wechseln sich zwei Dreier-Teams bei Angriff und Verteidigung einer Flagge ab.
'Joust' ist ein Zweimann-Duell der besonderen Art, bei dem ihr eure Waffe abwechselnd an einer der beiden Energiebalken auf der Karte aufladet. Jagen und gejagt werden, Konfrontation und Flucht, Munitionsmanagement und Taktik - dieser Modus unterwirft euch einem eleganten Wechsel-Rhythmus, bis einer der Kontrahenten die nötige Anzahl Abschüsse beisammen hat.
Der vierte prominente Modus ist 'Elite'. Hier wechseln sich zwei Dreier-Teams bei Angriff und Verteidigung einer Flagge ab. Die drei Verteidiger ballern mit der Standard-Energieball-Wumme auf den einzelnen Angreifer, der mit der Blitz-Railgun unterwegs ist und nach drei Treffern ins Gras beißt. Das restliche Team schaut zu, wie sich ihr Angreifer gegen die drei Verteidiger behauptet. Nach einer Weile wird die Flagge zur Eroberung freigegeben, allerdings nur für kurze Zeit. Kommt der Angreifer zu spät, verliert sein Team einen Punkt. Das sorgt für jede Menge Druck und Tempo.
Kann jeder? Ja! Und das ist gut so!
Bliebe es bei dieser überschaubaren Anzahl Maps, Modi, Features und Waffen, ich hätte ShootMania Storm als nette Durchschnittskost abgetan. Handwerklich sauber, prima für schnelle Matches online oder im LAN, aber langfristig uninteressant. Doch die Entwickler von Nadeo haben ein starkes Ass im Ärmel, das ihren Shooter für Jahre überdauern lassen könnte - den einsteigerfreundlichen Map-Editor.
Das französische Studio hatte schon bei ihrem Renn- und Stuntspiel TrackMania gezeigt, wie ein intuitiver Leveleditor auszusehen hat und welches kreative Potenzial in der Community schlummert. ShootMania verwendet dieselbe Engine und knüpft mit seinem zugänglichen Editor nahtlos an diese Designphilosophie an. Ich bin wirklich kein talentierter Weltenbastler - was an architektonischer Komplexität über Minecraft hinaus geht, bereitet mir eher Kopfschmerz denn Vergnügen. Umso überraschender war die Erkenntnis, dass auch mein Gehirn mit den richtigen Werkzeugen interessante Karten zaubern kann. So wanden sich nach 45 Minuten Editoren-Klickerei verschlungene Pfade und Rampen in schwindelerregende Höhen, um in einem Showdown auf einer kleinen Plattform zu gipfeln. Was wohl ein Profi mit diesen Tools anstellt?
Wer bereits Erfahrung mit eigenen Servern hat, sollte dank der Tools von Nadeo und Ubisoft keine Probleme haben, seine eigene Wettkampf-Plattform hochzuziehen und mit selbst gebastelten Karten zu bestücken.
Doch nicht nur Maps, auch Skripte für neue Spielmodi, Waffen, Texturen, Wettbewerbe - alles lässt sich manipulieren, modden, bearbeiten. Zwar scheiterte ich letztlich an meinem eigenen Router, als ich meine Kreationen mittels Dedicated Server der Öffentlichkeit präsentieren wollte. Doch mit ein bisschen Suchmaschinen-Schmalz sollte auch das machbar sein. Wer bereits Erfahrung mit eigenen Servern hat, sollte dank der Tools von Nadeo und Ubisoft keine Probleme haben, seine eigene Wettkampf-Plattform hochzuziehen und mit selbst gebastelten Karten zu bestücken. Der Server-Browser quillt jedenfalls jetzt schon über. Täglich kommen neue Server hinzu, fein säuberlich sortier- und filterbar. Hier haben sich die Macher keine Blöße gegeben. Das Gleiche gilt für die Ranglisten. Von einem globalen Ranking geht der Vergleich hinunter bis zur individuellen Heimatstadt. Das motiviert ungemein. "Wenn ich schon nicht in Europa mithalten kann, will ich wenigstens in Deutschland oder der Nachbarschaft nen guten Schnitt machen."
Somit liegen nun alle herausragenden Merkmale ShootManias auf dem Tisch: Konsequenter Minimalismus, erstklassige eSports-Tauglichkeit und viel kreatives Potenzial. Die Reduktion auf das Wesentliche fand ich sehr erfrischend, auch wenn ich mir etwas mehr Waffen-Optionen seitens der Entwickler gewünscht hätte. Manchmal ist mir eben doch nach einem Match mit mehr als nur drei Schießeisen. Arena-Shooter der Marke Quake und Unreal Tournament sind ja nicht trotz, sondern auch wegen ihres Waffenarsenals zu Klassikern geworden. Wer auf grafische Opulenz oder überflüssigen Schnickschnack zugunsten von Spielbarkeit verzichten kann, wird den Kauf dennoch nicht bereuen. Sogar Anfänger können von dem Titel profitieren, wenn sie sich von der steilen Lernkurve nicht abschrecken lassen. Allerdings gibt es andere Ego-Shooter, die besser für einen Einstieg in die Materie taugen und sogar noch weniger kosten. Wenn die Community in den nächsten Wochen und Monaten ihre Editoren glühen lässt, kommt der eigentliche Trumpf von ShootMania zum Zug. Betrachtet man die Zunahme an Servern, Maps und Skripten in den letzten Tagen, scheint das Konzept von Nadeo und Ubisoft aufzugehen. 20 Euro für eine Einzel-, respektive 50 Euro für eine Dreifachlizenz dürften jedenfalls gut angelegt sein.