Don’t Starve – Test
Im Schatten von Minecraft lebt es sich nicht leicht, selbst wenn man anders ist.
Viele Spiele verbringen sehr viel Zeit, um dem Spieler seine Aufgabe näher zu bringen. Don't Starve packt sämtliche Informationen dazu direkt in die Überschrift und wirft den Spieler ohne Tutorial einfach in eine offene Welt. Keine Menüs werden erklärt und niemand schiebt euch eine banale Quest nach der anderen in den Hals, um das Gameplay zu erläutern. Es existiert nur eine Aufgabe: Don't Starve - verhungere nicht!
Die Freuden der Neuentdeckung
Somit verbringt ihr die ersten Minuten in dieser fremden Welt mit dem Aufsammeln von Zweigen, Gräsern, Blumen und Steinen. Mehr könnt ihr an dieser Stelle nicht tun und die Zeit sitzt euch im Nacken. In der oberen rechten Bildschirmecke befindet sich eine Uhr. Sie zeigt keine Zeit an. Nur den Tag und wie lange euch noch vom Sonnenlicht bleibt. Ihr wisst nicht, was Nachts passiert, doch ihr seid euch zumindest in einer Sache sicher. Ihr wollt es nicht ungeschützt herausfinden. Also sammelt ihr weiter.
Plötzlich hört ihr Geräusch und merkt, dass sich eine der Anzeigen links grün verfärbt hat. Ein neugieriger Klick später erscheint eine Liste an Gegenständen, die ihr durch Kombination verschiedener Objekte basteln könnt. Zuerst nur simple Dinge wie eine Axt, mit der man Bäume fällt. Aus dem erbeuteten Holz entsteht ein nettes Feuer, von dem ihr euch bei Nacht nicht entfernen solltet. Ansonsten packen euch die Wesen, die in der Dunkelheit leben und das Spiel ist vorbei. Lieber nutzt ihr die eingeschränkte Sicht und kocht eure über den Tag gesammelten Beeren sowie Möhren am Feuer, um sie anschließend zu verspeisen. Ein kleines Symbol informiert euch stets über euren Hunger, der bei Vernachlässigung direkten Einfluss auf die Lebensanzeige nimmt. Für regelmäßige Nahrungsaufnahme sollte also besser gesorgt sein, denn die Hungerleiste sinkt nicht gerade langsam.
Mit den Erfahrungen des ersten Tages streift ihr nun weiter über die Felder, sammelt neue Materialien und erschafft daraus immer größere Dinge. Ein Ziel im größeren Sinne existiert nicht. Nur das Streben nach den besten Gegenständen und der längsten Serie überlebter Tage.
Klingt nach Minecraft. Sogar ziemlich stark. Eine gewisse Ähnlichkeit oder Inspiration zum schwedischen Erfolgstitel lässt sich auf keinen Fall bestreiten, doch Don't Starve verlagert seinen Fokus in eine andere Richtung, die der Name verdeutlicht. Hier geht es nicht um friedliche Erforschung, Bastlerträume oder entspannende Abende im Minenschacht. Nein, hier geht es ums Überleben und jeder Streifzug in der Wildnis, jeder besiegte Gegner und jedes gebaute Objekt dient nur einem Zweck: den nächsten Sonnenaufgang lebendig zu erblicken.
Don't Starve ist Stress pur und wird von Tag zu Tag schwieriger, da eure Ressourcen nicht nachwachsen oder überall erscheinen. Selbst wenn ihr euch eine Basis baut und in dieser genügend Felder zum Anbau von Karotten oder Mais anhäuft: Ihr müsst dennoch nach frischen Samen und Dünger suchen, deren Quellen sich immer weiter in den Tiefen des Landes verstecken und von stärkeren Kreaturen bewacht werden. Deswegen benötigt ihr bessere Ausrüstung, die wiederum seltenere Materialien verlangt. Nachdem ihr die ersten zehn Tage noch friedlich in einer bekannten Umgebung von den Dingen lebt, die euch der Boden zur Verfügung stellt, dreht der Titel mit schwächelnden Ressourcen die Daumenschrauben enger. So zwingt er euch zur Erkundung neuer Orte, von denen ihr nie wisst, welche Schrecken sie für euch bereithalten.
Don't Starve ist Stress pur und wird von Tag zu Tag schwieriger, da eure Ressourcen nicht nachwachsen oder überall erscheinen.
Die Welt ist gefüllt mit blutrünstigen Kreaturen, die euch selbst mit einer ordentlichen Rüstung in wenigen Schlägen vernichten. Neue Lebenspunkte erhaltet ihr nur langsam durch Nahrung. Seid ihr zu sehr angeschlagen, bedient ihr euch besser Tränke oder Bandagen, die, ihr habt es bereits erahnt, ebenfalls neue Substanzen erfordern, die euch das Anfangsgebiet nicht bietet. Zwar würfelt das Spiel eure Oberwelt bei jedem Versuch neu zusammen, doch man steckt eure Figur nie direkt in ein Sumpfgebiet oder schwarzes Feld voller aus dem Boden sprießender Killertentakel. Aber keine Angst, ihr macht früh genug mit diesen Monstren Bekanntschaft.
Solltet ihr dennoch lange genug überleben, wechselt die Jahreszeit nach ungefähr 20 Tagen ohne Vorwarnung in den Winter. Auf einmal müsst ihr euch nicht bloß um Nahrung kümmern. Auch die Körpertemperatur fordert Beachtung, wenn ihr nicht erfrieren wollt. Zudem durchstreifen neue Bestien das Land und warten nur gespannt auf euren Tod.
Not today!
Allerdings muss euer Ableben nicht immer den direkten Neustart bedeuten. Es bieten sich mehrere Möglichkeiten, die unterschiedliche Schwierigkeiten mit sich bringen. Durch simple Suche findet ihr manchmal von aufgespießten Köpfen umringte Ritualsteine, die ihr aktiviert, um im Fall eines Todes ein Mal wiederbelebt zu werden. Als wesentlich komplizierter erweist sich da schon das Amulett, das aus äußerst seltenen Bauteilen besteht. Die seltsamste Art der Lebensversicherung bietet jedoch Hauptcharakter Wilson. Schraubt einen Rasierer zusammen, wartet ein paar Tage auf den unnatürlich schnell wachsenden Bart und schneidet die Haare ab. Zusammen mit ein wenig Holz baut ihr eine Wilson-Statue, an der ihr eure Wiedergeburt erlebt.
Verlorene Gegenstände bleiben wie Seelen in Dark Souls brav an eurem Todesort liegen. Und obwohl ihr viel Zeit und Mühe in diese kleinen Absicherungen investiert, bringt der Tod dennoch ein Problem mit sich. Nämlich für euren Verstand, der neben Hunger und Lebenspunkten eine eigene Anzeige besitzt. Sinkt dieser nach einen Tod oder dem Sprung durch ein Wurmportal unter einen bestimmten Wert, beginnen erste Halluzinationen, die sich später in echten Kreaturen manifestieren und euch endgültig zerfleischen.
All diese Dinge passieren in einem regulären Durchgang, der euch zu Beginn ein bis zwei Stunden kostet. Ein Tag sind dabei knapp zehn Minuten Echtzeit. Dabei kristallisiert sich ein Problem recht früh heraus. Die ersten Tage entwickeln sich bereits nach den ersten zwei oder drei Versuchen zu einem langweiligen Start, der stets aus den gleichen konditionierten Abläufen besteht. Die die Taktik während dieser Phase ändert sich nie. Zuerst sammelt ihr alles, was auf dem Boden liegt, bastelt die einzig verfügbaren Werkzeuge und kocht in der Nacht. Dann sucht ihr nach Gold, damit ihr endlich die "Science Machine" bauen könnt, die euch die interessantesten Konstruktionen ermöglicht. Erst danach öffnet sich das Spiel in mehrere Richtungen, die unterschiedliche Taktiken und Ansätze erlauben. Bevor ihr also das neu erlernte Wissen im nächsten Versuch anbringen dürft, müsst ihr zuerst eine halbe Stunde langweilige Sucherei überstehen.
Don't Starve möchte diese Zeitspanne mit neuen Charakteren überbrücken, die ihr nach und nach durch die Gesamtzahl aller überlebter Tage freischaltet. Unterschiedliche Fähigkeiten und Attribute wecken die erwünschte Lust auf einen Neuversuch, verlieren aber schnell an Reiz, sobald ihr ein paar Minuten mit ihnen verbracht habt. Bis auf starke Schwankungen der Lebenspunkte bewirkt keine Figur wirkliche Änderungen.
Mehr Beeren, weniger Bienen
Mit einer Vielzahl an Reglern lässt sich vor dem Beginn die Welt an eure persönlichen Neigungen anpassen. Ihr hasst Spinnen oder Sumpfmonster? Kein Problem, verbannt sie aus dem Spiel oder senkt ihr Aufkommen. Der Winter zerstört jeden guten Durchlauf? Weg damit. Sogar die Nacht dürft ihr einfach abstellen. Ich empfehle wirklich jedem, nach der anfänglichen Probierphase mit diesen Einstellungen zu spielen, um euch mehr auf die Erkundung konzentrieren zu können. Außerdem schaltet ihr so in einem für euch angenehmen Tempo alle Gegenstände frei und experimentiert mehr ohne Panik Nacken.
Ich persönlich konnte den Titel so wesentlich mehr genießen, bevor ich zu den normalen Einstellungen zurückkehrte. Denn die wirklich erstaunliche Tiefe des Bausystems hält eine Fülle von überraschenden Möglichkeiten bereit, an die man niemals gedacht hätte. Zudem warten in der Welt gut versteckte Geheimnisse auf eure Entdeckung. Dabei kann es sich um einen Ort handeln, der an gewisse Szenen auf Alice im Wunderland erinnert, oder ein Schwein, das euch Gold für jedes Stück Fleisch übergibt. Sucht jede Ecke ab und versucht die verrücktesten Kombinationen.
Wollt ihr einer feindlichen Attacke ausweichen, müsst ihr die Maus loslassen und rennen, was bei einem Gegner noch funktioniert, solange keine Objekte im Weg stehen.
Woran Klei in zukünftigen Updates noch arbeiten muss, ist eindeutig das Kampfsystem, welches unter der Tatsache leidet, dass es keine eigene Taste für den Angriff gibt. Stattdessen klickt ihr entweder auf euer Ziel oder haltet die Taste gedrückt. Bewegen dürft ihr euch dabei nicht. Wollt ihr einer feindlichen Attacke ausweichen, müsst ihr die Maus loslassen und rennen, was bei einem Gegner noch funktioniert, solange keine Objekte im Weg stehen. Viel zu oft biss mich eine Spinne, weil ich auf ein Gebüsch, Stein oder Haus klickte. Das Rotieren der Karte funktioniert ebenso wenig, da die ruckartigen 90-Grad-Wendungen desorientierend wirken. Manche Kämpfe dauern zudem eindeutig zu lange. Muss ich einen kampfwütigen Baum erst 40 Mal treffen, bevor er zu Boden geht, fallen mir fast die Augen zu.
Für genauso wenig nachvollziehbar halte ich den Storymodus, dessen Implementierung katastrophal ist. Hier bietet man dem Spieler einen zusätzlichen Modus, in dem er der ansonsten nur in einem Trailer angepriesenen Geschichte auf den Grund gehen kann, und versteckt diesen zufällig auf der Karte. Ernsthaft, wo ist da der Sinn? Ihr erreicht den Storymodus nur über ein Portal, das irgendwo in der Welt liegt. Steam zeigt mir rund 15 Stunden Spielzeit an, in denen ich das Teil nicht einmal zu Gesicht bekam. Über die Existenz kann ich euch nur berichten, weil ich im Forum zufällig darauf stieß.
All diese Dinge können sich in den nächsten Monaten noch ändern, da Klei weiterhin Updates verspricht, die neuen Content sowie Verbesserungen bringen sollen. Wenn ich über den Zustand zu Beginn der Beta lese, hat Klei das Spiel seit dem letzten Jahr einer ordentlichen Transformation unterzogen. Bisher scheint der Fokus allerdings zu sehr auf dem Content zu liegen, der dafür jedes Kompliment verdient. Ihr fühlt euch mit dem Beginn der ersten Nacht an von dieser fremden Welt eingeschüchtert und trefft nach jedem Tageseinbruch auf neue Kreaturen oder erschafft Gegenstände, die das Spiel frisch halten.
Leider fehlt die Balance zwischen Schwierigkeitsgrad und spielerischen Wänden, die den Spaß ausbremsen oder für eine gewisse Zeit gefangen halten. Der Anfang ist nach den ersten Versuchen viel zu langatmig, die Kämpfe strapazieren wegen der Steuerung eure Nerven und der Storymodus muss besser integriert werden, ohne dass ich ihn stundenlang erfolglos suchen muss. Euer Erstkontakt mit Don't Starve wird im aktuellen Zustand zwei mögliche Ausgänge nehmen: Entweder wendet ihr dem Titel nach den ersten sehr unterhaltsamen Durchgängen urplötzlich eiskalt den Rücken zu oder ihr steckt eure gesamte Zeit in die Erkundung dieser Welt, lest stundenlang in Foren nach Hinweisen und lasst euch dabei komplett vom Spiel einfangen. Nur sehe ich die Mehrheit momentan eher auf der ersten Seite.