Killzone Shadow Fall - Test
Launch-Titel haben es nicht einfach. Dieser hier schlägt sich trotzdem ziemlich ordentlich.
Killzone - eine Serie, die ich immer lieben wollte, die mich aber nie so recht ließ. Ein wahnsinnig interessantes Universum, aber ein Spiel, so zermürbend und stupide, dass es sich das Shootern nur von anderen Spielen dieser Art abgeschaut zu haben schien. Geistlose Betäubung der besonders lauten Art. Das jetzt auch noch als Launch-Titel, eine Kategorie, die schon an und für sich keinen allzu guten Ruf genießt? Kann das überhaupt gut gehen? Zu meiner Überraschung kann es das tatsächlich, denn Guerrilla hat sich für diesen Konsolenstart nicht nur mit der Technik befasst.
Bevor ich hier allerdings einen neuen System-Seller ausrufe, vielleicht der Einwand, dass auch dieses, das in vielerlei Hinsicht beste Killzone, noch genügend Probleme hat. Ein zeitloser Klassiker, an den die Leute noch starke Erinnerungen haben, wenn wir PS4 und Xbox One schon wieder einmotten, sieht aus Gründen, auf die ich noch eingehen werde, anders aus. Im Hier und Jetzt macht der Titel aber die wichtigsten Dinge richtig, um sich eine Kaufempfehlung einzuhandeln: Es ist ein ausnehmend schönes Actionspiel, mit einigen guten Ideen, wie sich das Kern-Konzept seiner Vorgänger verfeinern lässt.
Keep your friends close, but your enemies closer
Und darum geht's: Der Titel spielt einige Jahrzehnte nach der Zerstörung des Weltraum-Nazi-Heimatplaneten Helghan. In einem Anflug plötzlicher Nächstenliebe nahmen die Vektaner die überlebenden Helghast auf und überließen ihnen sogar die Hälfte ihrer Heimatwelt. Zwischen beiden verläuft freilich eine stellenweise bis zu 250 Meter hohe Mauer, die beide Reiche vielleicht dieses Mal friedlich auseinanderhält. Denn warum sollte eine Mauer nicht schaffen, was mehrere Lichtjahre toter Raum zwischen den alten Feinden nicht bewerkstelligen konnte?
Nun, natürlich kommt es schon bald zum Aufstand einer terroristischen Helghast-Bewegung namens Schwarze Hand, und ebenso bald hat Vekta wieder einen Krieg mit den Rotaugen auszufechten. Dieses Mal ist dieser Krieg allerdings insofern interessanter, als dass ISA-Soldat Lucas Kellan, in dessen Uniform man schlüpft, das Leid der Exil-Helghast auf ihrer versifften Weltenhälfte für gut ein Drittel der Kampagne hautnah selbst zu spüren bekommt. Wir sehen Helghast ohne Helm, Männer, Frauen, Jugendliche. Entwurzelt, verarmt, am Rande der Selbstaufgabe.
Wie das wiederum mit dem gigantischen militärindustriellen Produktionskomplex zusammenpasst, den die die Herrschaften offenkundig frei von jeglichen Sanktionen auf ihrem Teil des Planeten angeworfen haben, wird nicht geklärt. Zumindest nicht aus dem Spiel heraus. Vielleicht erklärt es eines der versteckten Audiologs oder ein Zeitungsausschnitt, den ich nicht gefunden habe. Aber ich hatte das Gefühl, dass derartige weltenbildnerische Details vielfach einfach unter den Teppich gekehrt wurden. Überhaupt ist es mit dem Mitgefühl für die Zivilisten schnell vorbei, sobald die Waffen sprechen. Das Spiel versucht zwar, durch das Martyrium von Otto Normalhelghast die Frage zu stellen, wer in diesem Konflikt der eigentliche Bösewicht ist. Aber Guerrilla fällt dabei immer wieder auf die Nase, weil so gut wie alle Helghast, die etwas zu sagen haben, eben unzweideutig böse sind.
Der wahre Star des Spiels
Interessant wird es dadurch, dass die ISA Vektas dieses Mal definitiv Teil des Problems ist. Exemplarisch dafür ist Lucas Kellan die Sorte schmallippiger obrigkeitshöriger Supersoldat, die einem einfach nur egal ist. Später im Spiel findet man sogar seine Personalakte, die ihm in einem sehr ironischen Zug seitens Guerrillas "durchschnittliche Intelligenz" bescheinigt. Und das ist auch spätestens der Punkt, an dem man hoffentlich merkt, dass das hier nicht sein Spiel ist, sondern das von Echo. Diese Helghast-Agentin ist halb Vektanerin und hat im Gegensatz zu ihren maskierten Kollegen durchaus ein Gewissen. Über weite Teile ist die kränklich aussehende Killerin eine wandelnde Grauzone und der eigentliche Grund, warum ihr am Ball bleibt. Sie ist keine zweite Alyx Vance, keine neue Ellie, aber vielleicht eine weibliche Variante von Garrus Vakarian. Auch wenn sie nicht ganz so gute Dialogzeilen sprechen darf wie oben genannte Figuren und ihr Handlungsstrang ebenso wenig wie Lucas' zu einem wirklichen Abschluss kommt - Sequel aloha! -, ist sie genau das, was der Serie bisher gefehlt hat.
"Leider übertrug sich die Stilsicherheit des Art-Designs in der Vergangenheit selten auf die Umgebungen."
Auch einen anderen Lapsus der Vorgänger bügelt Shadow Fall aus: Die Serie hatte schon immer ein gelungenes Art-Design. Die Waffen, Gegner, Rüstungen und Fahrzeuge hatten diesen bestimmten Look, durch den man ein Killzone immer zielsicher aus einer ganzen Reihe anderer Spiele herauszupicken vermochte. Leider übertrug sich diese Stilsicherheit in der Vergangenheit selten auf die Umgebungen. Auch die ließen zwar immer wieder diese gewisse Identität durchblitzen, aber wenn sich diese auf monochrome Ruinen oder Hochofenromantik beschränkt, bekommt man eben selten das Gefühl, Teil eines wütenden Weltraum-Konflikts zu sein.
Shadow Fall nutzt nun die Chance, euch auf eine Reise in ein anderes Universum mitzunehmen, und euch Dinge zu zeigen, die ihr in weltlicheren Szenarien so nicht zu sehen bekommt. Jede Umgebung, durch die ihr euch in den zehn Kapiteln schießt, verfügt über ein charakteristisches Thema und in jedem gibt es eine ganze Reihe posterwürdiger Soft-SciFi-Panoramen, die auch mit kräftigen Farben nicht geizen. Ich fühle mich das erste Mal in einem Killzone auf einen fremden Planeten versetzt. Guerrilla schämt sich nicht mehr dafür, dass es ein Science-Fiction-Spiel macht.
Neuer Rhythmus
Dass ihr überhaupt Zeit dazu habt, das zu genießen, liegt daran, dass sich Shadow Fall spielerisch, passend zur Thematik, zwei ganze Schritte von den ausufernden Kriegsszenarien der Vorgänger wegbewegt. Lucas erledigt als Shadow Marshal kleinere, geheime Operationen hinter den feindlichen Linien, die zwar regelmäßig in wüste Schießereien ausarten, aber auch mit vielen Ruhephasen den Entdecker in euch kitzeln. Im Gegensatz zu Battlefield 4 oder Call of Duty: Ghosts habt ihr vielerorts die Möglichkeit, euren Weg durch die weitläufigen Level selbst zu wählen. Rolltreppe runter und dann durch die Tür, oder doch lieber der Lüftungsschacht? Wäre es eine Option, meine Granaten auf die Gegner auf der unteren Ebene zu werfen und dann einfach übers Geländer zu springen? Guerrilla ist nicht daran interessiert, euch zu sagen, was ihr zu tun und zu lassen habt. Der Zielmarker wird nur auf Knopfdruck eingeblendet und zeigt selbst dann noch hier und da sinngemäß "120 Meter in diese Richtung" an, anstatt euch in kürzeren Abständen von Raum zu Raum zu lotsen.
"Mit Lucas' Echolot-artigem Ortungssystem könnt ihr Gegner für eine Weile auch durch Wände sehen."
Wichtiger für eure Navigation ist da schon eher Lucas' Echolot-artiges Ortungssystem, mit dem ihr Gegner für eine Weile auch durch Wände sehen könnt. Mit dessen Hilfe - nicht zu lange drücken, sonst alarmiert die Überladung eure Gegner - trefft ihr die wichtigsten Entscheidungen: wo lang zu gehen ist und auf welchen Kampf ihr euch einlasst. Dies sorgt für eine erfrischende Autonomie seitens des Spielers. Regelmäßig verläuft man sich sogar auf die gute Art oder verbringt noch mehr Zeit in einem Bereich, als man eigentlich müsste, weil man sich kaum noch dran erinnern kann, wann man das letzte Mal in einem vergleichbaren Shooter vor so wenige aufdringliche Levelwände lief.
Hier und da kommt es dadurch aber auch zu etwas tatsächlichem, manchmal aber auch nur gefühltem Leerlauf, wenn die Räume ein paar Mal eine Idee zu groß oder zu verwirrend gestaltet und spannungsfördernde Feindbegegnungen weiter auseinander sind als sie sein müssten. Auch das ungefährdete Umstecken von Energiequellen, um sich durch einen bestimmten Level zu puzzeln, war spielerisch nicht allzu gehaltvoll, sodass man sich bald nach einem guten Kampf sehnte, der dann zum Glück auch kam. Es gibt definitiv also ein paar etwas zu ausgedehnte Täler im Pacing des Spiels, die aber vor allem die Art-Direction immer wieder mit wirklich spektakulären Ausblicken zu füllen weiß.
Wo bitte geht es hier zum Krieg?
Zu einigen Gelegenheiten wurde die lange Leine der Entwickler sogar problematisch. Nachdem ich im Ansturm einer kleinen Armee von Helghast überhörte, dass über mir noch ein Geschütz auf seine Bedienung wartete, ballerte ich ewig lange auf die endlosen Horden ein, ohne dass mir das Spiel noch einmal signalisiert hätte, was es von mir eigentlich erwartete. Dass etwas faul war, merkte ich nur dadurch, dass meine Angreifer immer teilnahmsloser wurden. Wie in einer Theateraufführung, bei der der Hauptdarsteller seinen Text vergisst, standen sie dann da. Verschämte Statisten, die auf den zündenden Einfall von mir warteten. In einer späteren, optisch sehr beeindruckenden Gleitflugsequenz durch ein Trümmerfeld hindurch hätten einige Hinweise, welcher von Hundert denkbaren Kursen nun zu nehmen sei, das gute Dutzend frustrierender Bildschirmtode zudem vielleicht davon abgehalten, mir so sehr auf die Nerven zu gehen.
"Nicht alle Waffen sind so schön futuristisch, wie der geniale Zwitter aus Sturmgewehr und Auflade-Strahlenkanone, mit der ihr das Spiel beginnt."
Doch diese Momente sind in der Minderheit und schnell wieder vergessen, wenn es an die Kämpfe geht. Die Waffen sind zwar nicht alle so schön futuristisch wie der geniale Zwitter aus Sturmgewehr und Auflade-Strahlenkanone, mit dem ihr das Spiel beginnt, fühlen sich aber durchweg richtig böse an und klingen auch so. Die Action ist methodischer, langsamer und vielleicht auch mehr Stellungskrieg als etwa die dynamischere Konkurrenz aus dem Hause Battlefield oder Crysis. Und das Feedback der Waffen, die elegant gelöste Deckungsfunktion, bei der sich ein geduckter Kellan beim Zielen automatisch aus seinem Versteck herauslehnt, sowie das Layout der Schlachtfelder stützen diese gemächlichere Marke des Ballerns ausgezeichnet. Es fühlt sich gut an, wird aber nicht unbedingt jedermanns Sache sein.
Was die Gefechte an einigen Stellen ein wenig auf die ungute Seite zieht, ist die KI. Die ist im Close-Quarters-Scharmützel in Hochform und angemessen tödlich, agiert jedoch in größer angelegten Schlachten regelmäßig zu abwartend. Guerrilla kontert das damit, dass Lucas nur wenige Treffer aushält. Aber gerade durch die häufig genutzte Röntgensicht wird oft deutlich erkennbar, dass viele der Helghast es an Initiative vermissen lassen, herumstehen und nur gelegentlich fast wahllos ihre Deckung wechseln. Das sorgt für einen seltsamen Rhythmus und unpassende Ruhepausen, wo man das Gefühl hat, dass eigentlich eine ununterbrochene Barrage kochenden Bleis über Lucas' Kopf hinwegzischen sollte. Ich hätte aktivere, vielleicht dafür etwas weniger treffsichere Feinde bevorzugt. Solche, die Sperrfeuer geben, während ihre Kollegen flankieren, doch dies sind Taktiken, die ich eher selten beobachtete. So verfestigen sich so manches Mal die Fronten, bis ihr aus eurem Versteck heraus nach und nach alle Gegner erledigt habt, die ihren Kopf ein wenig aus der Deckung steckten.
Eulen nach Helghan tragen - keine Übung in Sinnlosigkeit
Eine überaus nette Idee ist die OWL, Kellans persönliche Drohne, die entweder selbst das Feuer auf die Gegner eröffnet oder per EMP Schilde oder Kriegsmaschinerie lahmlegt. Wenn ihr wollt, könnt ihr den kleinen Helfer auch einen für Projektile von einer Seite undurchdringlichen Schild errichten lassen, mit dem sich Stellungen besser halten lassen, oder sich ein aussichtsloser Kampf auch ohne Deckung noch zum guten wenden lässt. Schön ist auch die Möglichkeit, die Drohne eine Zipline in Richtung einer tiefer gelegenen Ebene verschießen zu lassen. Ich hatte beinahe erwartet, dass dies nur an bestimmten, fest definierten Stellen möglich ist. Und während es natürlich nicht überall funktioniert, geht es fast immer dort, wo betretbarer Boden einige Meter unter euch liegt. Auch hier fühlt man sich deutlich freier als sonst wo. Und obwohl das Spiel wie gesagt nicht das meiste Kapital aus dieser Freiheit schlägt, ist sie doch eindeutig ein Gewinn.
"Obwohl das Spiel nicht das meiste Kapital aus dieser neuen Freiheit schlägt, ist sie doch eindeutig ein Gewinn."
Durch die OWL ist man einfach flexibler. Sie ist im Kampf ein cleveres Ausdrucksmittel, das eine dringend benötigte Portion Taktik in einst sehr eintönigen Kämpfe bringt. Loben muss man auch die Art, wie man zwischen den verschiedenen Betriebsmodi der OWL wechselt. Nicht, dass das Wischen auf dem Touchpad des neuen DualShock in eine von vier Richtungen jetzt eine große Innovation wäre, aber es ist die Sorte Touch-Integration, die das Spiel verbessert, anstatt ihm im Weg zu stehen. Eine sinnvolle Erweiterung des Controllers, weil sie nüchtern und ohne Unterbrechung des eigentlichen Spiels eingebunden wurde.
Online bietet Shadow Fall mit seinen Warzones gekonnt souveräne Team-Action mit massig Konfigurationsmöglichkeiten und stetig wechselnden Missionszielen von Team Deathmatch über eine Domination-Variante bis hin zu diversen Capture-the-Flag-Abwandlungen. Hier entwickeln sich wegen der beweglichen Missionsparameter für beide Seiten deutlich dynamischere Gefechte, die dank zehn gut gestalteter Maps und reichlich Unlocks auch über längere Zeit motivieren sollten. Jetzt ist die Frage, wie groß der Pool an Spielern ist, die Battlefield 4 und Call of Duty liegen lassen werden und Killzones als Online-Shooter ihrer Wahl auserwählen. Das was da ist, ist die Aufmerksamkeit jedenfalls wert.
Bevor ich zum Fazit komme, noch ein Wort zur Technik. Es ist eine Weile her, dass ich in einem Spiel minutenlang um einen Beet aus Kieseln herumgelaufen bin, weil ich nicht glauben konnte, wie plastisch es aussah (genauer gesagt Crysis - 2006). Killzone ist wieder ein Spiel von der Sorte, das bis runter auf diese Details überzeugt. Ein kaputter Ohrensessel hat nicht nur eine löchrige Textur, nein, erst fehlt ein Stück vom Leder, dann sieht man den Schaumstoff und teilweise ragen sogar alte Federn aus dem Polster hervor. Ich habe auf dem PC zuletzt Battlefield 4 gespielt und während das technisch in derselben Liga spielt, auf Ultra in Sachen Grafiktapeten und Physik natürlich sogar messbar Feineres bietet, war ich von der Detailversessenheit Killzones doch mehr beeindruckt. Als Launch-Titel für eine neue Konsole kann man sich kaum besser präsentieren, als das hier.
Ihr seht schon, Killzone hat schon wieder nicht mein Herz gewonnen. Die Geschichte - vor allem das viel zu offene Ende -, das holprige Tempo und die Defizite in der KI wissen zu verhindern, dass sich Shadow Fall zu etwas Zeitlosem aufschwingt, das jeder erlebt haben sollte. Und doch kann es sich meiner aufrichtigen Anerkennung sicher sein. Im Gegensatz zu vielen anderen, früheren und aktuellen, Launch-Titeln fühlt es sich tatsächlich fortschrittlich an und hatte offensichtlich mehr vor, als nur an Tag eins in den Läden zu stehen.
Shadow Fall rückt die Reihe in eine neue, interessante Richtung, ist flexibler im Kampf, offener in der Levelgestaltung und differenzierter in seiner Weltenzeichnung. Dadurch trotzt es mir Sympathien ab, von denen ich nicht erwartet hätte, sie für dieses Universum einmal zu empfinden. Zum Ende hin weist Guerrilla sogar einen möglichen Weg in die Zukunft, den ich lieber heute als morgen antreten würde. Nicht schlecht für eine Reihe, die zuletzt drohte, in den Materialschlachten der Triple-A-Ballermänner unter die Räder zu kommen.