Next-Gen Technik-Analyse: Tomb Raider: Definitive Edition
Das letzte Wort.
Anfang der Woche begannen wir unsere Tomb-Raider-Berichterstattung mit einem Blick auf die Performance auf Xbox One und PlayStation 4 und deckten dabei einige interessante Dinge bezüglich der so heiß diskutierten Bildraten-Situation auf. Doch dies ist nur der Anfang der Geschichte. Es gibt noch so viel zu untersuchen: Square Enix verspricht für die Definitive Edition dramatische Verbesserungen gegenüber den bisherigen Konsolenversionen. Dazu gehören brandneue Effekte, eine neu modellierte Lara Croft, Massen an zusätzlichen Details und physikbasierte Verbesserungen, durch die diese Next-Gen-Version des Spiels angeblich sogar die spektakuläre PC-Ausgabe übertrumpft. Aber wie umfangreich fallen die Verbesserungen wirklich aus? Und sind die Unterschiede die Neuanschaffung wert?
Reden wir zunächst über die Unterschiede zwischen den beiden Definitive Editions. PlayStation-4-User bekommen 1080p mit Post-Process FXAA, das die Texturqualität nur geringfügig beeinträchtigt. Dies verfeinert die Szenerie ordentlich, wenngleich bei feinen Details auch ein leichter Schimmer an den Kanten zu erkennen ist. Die Situation auf der Xbox One ist da schon interessanter. Die Anti-Aliasing-Lösung ist dieselbe, aber wir beobachten hier einen variabel aufgelösten Framebuffer in einigen Zwischensequenzen, während andere in festen 900p gerendert sind. Das erklärt den zusätzlichen Blur-Effekt in einigen unserer Xbox-One-Screenshots. Seltsamerweise fällt die Auflösung im eigentlichen Gameplay nicht ab - das passiert nur in bestimmten Filmszenen, was nahelegt, dass es für Entwickler United Front Games von höchster Wichtigkeit war, in diesen Szenen die Performance konstant zu halten.
Die zentralen grafischen Verbesserungen sind auf beiden Konsolen gleichermaßen vertreten. Interessanterweise scheinen allerdings einige Bereiche auf der Xbox One leicht beschnitten. Wie in unserem unten stehenden Vergleichsvideo zu erkennen ist (und in unserer umfassenden Tomb-Raider-Vergleichsgalerie), vermitteln alpha-basierte Effekte stellenweise den Eindruck, bei halber Auflösung gerechnet zu sein, während sie zu anderen Gelegenheiten deutlich sauberer erscheinen. Zudem ist die Tiefenschärfe in den Zwischensequenzen weniger hochwertig und das anisotropische Filtering auf Texturen ist während des Gameplays schwächer. Zudem gibt es auf der Xbox One auch einige niedriger aufgelöste Texturen, aber hier scheint es sich um einen Bug zu handeln (eventuell im Bereich der LOD-Übergänge), anstatt um ein bewusstes Downgrade.
Alternativer Vergleich:
Die Bereiche, in denen auf der Xbox One Kompromisse eingegangen wurden, legen nahe, dass der Übergang zur Entwicklung für die neue Konsole nicht ganz so reibungslos verläuft, wie Microsoft das zweifellos gerne hätte. Insgesamt sind die optischen Unterschiede zwischen den beiden Next-Gen-Plattformen aber minimal und wir sollten an dieser Stelle betonen, dass die Definitive Edition von Tomb Raider auf beiden Geräten wirklich sehr schön anzusehen ist. Die Insel Yamatai und Frau Croft bekamen ein deutliches optisches Update gegenüber den 360- und PS3-Versionen, das weit über eine simple Erhöhung der Auflösung und Bildrate hinausgeht.
Die ersten Dinge, die auffallen, sind die Veränderungen an Laras Kopf und Gesicht. Beides wurde komplett neu modelliert, samt überarbeiteter Animationen, die nun eine größere Bandbreite an Emotionen abdecken. TressFX - in der neuen 2.0-Version - sorgt dafür, dass Laras Haare auf die Windrichtung und andere Kräfte reagieren, wenn die Abenteurerin mit der Umgebung interagiert. Auf Konsolen ein Novum. Unterdessen verändern neue Material-Shader und Sub-Surface Scattering dynamisch das Erscheinungsbild von Laras Haut und Kleidung, abhängig von der Beleuchtung oder den Wetterverhältnissen. Die Textur ihrer Haut verändert sich, wenn sie nass wird, oder mit Dreck und Blut benetzt ist.
Auch die Spielwelt selbst gibt sich umfassend verbessert, denn noch mehr Laub und Objekte sind auf der Insel verteilt. Bäume und Pflanzen reagieren bei Kontakt auf Lara und wiegen sich entsprechend der Windrichtung. Auch wurden die Bereiche überarbeitet, indem man die Geometrie bestimmter Objekte verfeinerte. Feuereffekte wirken üppiger, denn mehr Rauch und Partikel werden gerendert. Seltsamerweise konnten wir für das angepriesene neue Beleuchtungsmodell keine Anzeichen entdecken. Anscheinend wurde am Gamma, Kontrast und den Sättigungslevel justiert, wir sehen allerdings keine drastischen Änderungen in der Art und Weise, wie die Lichtquellen sich im neuen Spiel verhalten.
NIchtsdestotrotz bringt diese Reihe an Verbesserungen der Definitive Edition einen Grad an Leben auf die gefährliche Insel Yamatai, den wir aus der Standard-Ausführung des Spiels nicht kennen. Dies ist eine reichhaltigere, immersivere Umgebung. Die Frage ist nun, ob wir hier eindeutig neue Features vor der Nase haben, die auch gegenüber der deutlich günstigeren PC-Version eine Verbesserung darstellen? Oder haben wir es mit einer Reihe von Kompromissen zu tun, die von der dramatischen Überarbeitung herrühren?
Ein direkter Vergleich mit der PC-Version auf den Ultimativ-Einstellungen enthüllt einige gewaltige Diskrepanzen zum Heimcomputer-Erlebnis. Dinge wie Tesselation auf Charakteren und Umgebungen fehlen, wodurch einige dieser Elemente auf PS4 und Xbox One eckiger aussehen. Motion Blur wird ebenfalls deutlich zurückhaltender verwendet, während die Texturauflösung in einigen Fällen spürbar niedriger ist. Auf der anderen Seite glänzen all die grafischen Extras der Definitive Edition - etwa das dynamische Laub und das eindrucksvolle Sub-Surface Scattering - auf dem PC durch Abwesenheit, was durchaus ebenfalls einen Kompromiss darstellt, wenn auch einen kleineren.
Die Unterschiede hier sind insoweit interessant, als dass sie nahelegen, dass die Entwickler beider Next-Gen-Versionen von Tomb Raider einige Opfer darbrachten, um diese der Definitive Edition spezifischen Extras zu implementieren. TressFX ist unserer Meinung nach der Hauptschuldige, wenn man bedenkt, wie hohe Anforderungen die frühere Ausgabe dieser Technologie an PCs stellte. In einigen Szenarien konnten die verspielten Haareffekte die Bildrate problemlos halbieren. Schauen wir uns die Performance in den Zwischensequenzen auf der PS4 an, erkennen wir deutliche Einbrüche der Bildrate, wann immer Lara auf dem Schirm ist, besonders in der Nahansicht. Ein weiteres Anzeichen dafür, dass TressFX der GPU zu schaffen macht, ist die sub-native Auflösung der Zwischensequenzen, die man gelegentlich auf der Xbox One zu sehen bekommt. Auch hier scheinen die Close-ups der mit TressFX ausgestatteten Lara der Auslöser zu sein.
"Die Definitive Edition bringt Effekte mit sich, die es in der PC-Version nicht gibt. Dafür lässt sie zentrale High-End-Rendereffekte vermissen, die nur Computerspieler zu sehen bekommen."
Alternative Vergleiche:
- Tomb Raider: Definitive Edition: Xbox One vs. PC
- Tomb Raider: Definitive Edition: PlayStation 3 vs. PC
Selbst mit diesen Kompromissen liefern die Next-Gen-Versionen von Tomb Raider immer noch einen massiven Qualitätssprung gegenüber den 360- und PS3-Versionen. Und in vielerlei Hinsicht erleichtern die brandneuen Effekte der Überarbeitung das Eintauchen in die Welt, die Crystal Dynamics schuf - auch wenn das Resultat unterm Strich kein wahrhaft definitives visuelles Update in allen Bereichen darstellt. Abgesehen von einigen seltsamen Schmoll-Einlagen und häufigeren, unheimlichen Blicken aus ihren neuen Augen sieht ihr Gesicht durchaus menschlicher aus und die optimierte Implementierung von TressFX sorgt für seltenere bizarre Physikmomente als auf dem PC.
Jedoch ist die extra Schärfe und Klarheit der Darstellung des PC-Spiels durch die höheren Auflösungen ein echtes Argument für diese Plattform. Wer eine Top Dual-GPU-Konfiguration sein eigen nennt, kann die Konfiguration auf „Ultimate" hochdrehen und trotzdem noch Extras wie SSAA (Super-Sampling-Anti-Aliasing) für ein beeindruckend besseres Bild dazu schalten oder sogar die Auflösung auf 4K hochschrauben - auch wenn sich bei so hohen Auflösungen ein paar TressFX-Bugs zeigen können.
Auch ist Tomb Raider eines der skalierbarsten PC-Spiele überhaupt. Es zeigt großartige Ergebnisse in allen GPU-Tests und in seiner geringsten Einstellung war es sogar möglich, es auf einem to Surface Pro erfolgreich laufen zu lassen.
Tomb Raider: Definitive Edition: Performance-Analyse
Der erste Blick auf die Performance zeigte einen massiven Frameraten-Vorteil auf der PS4, während die Xbox One unter Last sogar unter die 30-FPS-Grenze fiel. Auf der PS4 sieht man die Szenen abhängig von der Komplexität beständig zwischen 40 FPS und 50 FPS schwanken. Verantwortlich für die Abfälle ist das Erkunden hochdetaillierter Umgebungen. Auf der anderen Seite erreicht das Spiel die 60-FPS-Marke, wenn weniger Effekte zu sehen sind und in den gescripteten Action-Szenen, wo die Render-Lade-Zeiten besser voraussehbar sind.
Während der Kämpfe - ein wichtiger Aspekt des Spiels - fällt die Xbox One bis in die mittleren 20er-FPS-Bereiche. Die höhere Framerate der PS4 bietet sowohl bei der flüssigen Darstellung und der Steuerung Vorteile. Am Ende sind die Schwankungen der PS4 zwischen 40 und 50 FPS weniger relevant als die der Xbox One zwischen 24 und 30.
Werden jedoch komplexe Umgebungen erkundet, die mit vielen Effekten ausstaffiert wurden, hat die konsistente Framerate der Xbox aber auch ihre Vorteile. Die Bewegung wirkt weniger ruckhaft bei schnellen Kamerabewegungen und in den hektischen Momenten fühlt sich die Steuerung auch konsistenter an. Das lässt sich am besten sehen, sobald die PS4 auf 40 bis 45 FPS geht. Geht sie dann wieder an die 60 FPS, ist die Inkonsistenz der Framerate kein Problem mehr. Es ist ein flüssiges Gameplay, das die Xbox nicht erzielen kann. Sind die 60 FPS erreicht, ist es eine fantastische Spielerfahrung und die Schwankungen der PS4 beeinträchtigen das Spiel nicht so sehr wie die Schwankungen auf der Xbox.
"Trotz der Ungleichmäßigkeit im Aufbau liegt die Framerate auf der PS4 immer deutlich über den 30 FPS - nützlich im Kampf, wo die Xbox gelegentlich ihre Schwierigkeiten hat"
Um ein wenig mehr Einblick zu erhalten, was passiert, zeigt der neue Frame-Zeit-Graph detailliert, was aus einer Rendering-Perspektive vor sich geht. Hier lässt sich sehen, wie schnell die Frames gerendert werden und welchen Einfluss das auf den flüssigen Ablauf des Spiels hat. Diese Täler und Spitzen der Kurve visualisieren das Ruckeln, das durch Fluktuationen in der Framerate auftritt.
Es ist auf den ersten Blick klar, dass insgesamt betrachtet die Xbox die größte Konsistenz erreicht. Das Spiel bleibt fast durchgehen bei 30 FPS, während Lara die Umgebung erkundet. Auf der PS4 sieht man jedoch Spitzen und Tiefpunkte, aus denen sich Ruckler und Schwankungen bei der Reaktionszeit der Steuerungseingaben ergeben. Wie dem auch sei, die Xbox fällt gelegentlich unter 30 FPS. Das passiert meist in Szenen, wo ein gleichmäßiges Visuelles Feedback und eine solche Steuerung wirklich gefragt sind. Hier unterliegt die Xbox dem nicht gelockten Konkurrenten.
Tomb Raider: Definitive Edition: Das Digital-Foundry-Urteil
Der letztjährige Reboot von Tomb Raider bleibt ein hervorragendes Spiel für alle, die neue Inhalte für ihre Next-Gen-Konsolen suchen. Die Definitive Edition liefert eine Reihe von grafischen Updates und Leistungssteigerungen, die das Aussehen und das Spielgefühl deutlich aufwerten. Auch sind alle DLCs und Extras dabei, die seit dem ersten Tag erschienen sind (allerdings ohne den Xbox-360-exklusiven Charakter „Zac"), was ein netter Bonus ist. Auch wurden kleine Zugeständnisse an die jeweiligen Eigenheiten der beiden Konsolen gemacht. Da wäre zum Beispiel die Waffenauswahl mittels Kinect auf der Xbox oder dass die Light Bar der PS4 die Farbe wechselt, sobald Lara schießt.
Insgesamt geht die PS4 in Führung, wenn es um die Next-Gen-Konsolen geht. Aufwändigere Effekte und höhere Frameraten bieten insgesamt die bessere Spielerfahrung, besonders während intensiver Kampfszenen, bei denen die Abfälle der Performance auf der Xbox deutlicher zu sehen und zu spüren sind. Jedoch wäre eine optionale 30-FPS-Sperre auf der PS4 wünschenswert gewesen, um die Ruckler im Bild während der Framerate-Fluktuationen zu vermeiden und eine absolut konstante Framerate und damit auch eine konsistente Steuerung zu haben.
"Keine der beiden Definitive Editionen ist perfekt, aber auch jenseits leichter visueller Vorteile und großer Framerate-Zahlen spielt sich die PS4-Version insgesamt etwas besser."
Für alle, die sich fragen, wie ein Vergleich mit der PC-Version ausfällt, ist es längst nicht so einfach. Die offene Natur der Plattform bedingt, dass die Hardware-Upgrades und die einstellbare Grafik-Einstellungen es dem Nutzer erlauben, die Auflösung und Framerate um die Kompromisse herum zu nutzen, zu denen er bereit ist. Wer felsenfeste 60 FPS haben möchte, und dafür TressFX zu opfern bereit ist, kann dies problemlos tun.
Sobald das Spiel mit der Ultimate-Einstellung und dem originalen TressFX läuft, wird deutlich, dass die Definitive Edition zwar ein paar Verbesserungen in einigen Bereichen bietet, aber den PC nicht überbieten kann. Wenn es um eine echte 1080p60-Spielerfahrung - oder sogar noch mehr - geht, dann kommt keine andere Plattform an den PC heran.
Natürlich gibt es auch noch einen anderen Faktor: den Preis. Die Preise für die Definitive Edition schwanken ein wenig, aber wenn man bedenkt, dass das Originalspiel auf PC und Last-Gen-Konsolen für etwa 15 bis 20 Euro zu haben ist, ist der Preis für das ein Jahr alte Spiel mit ein wenig Politur sicher nicht niedrig. Gerade bei der PC-Fassung fällt es schwer, für die Definitive Edition Partei zu ergreifen. Aber es ist eben auch ein wunderschönes Spiel - eines der schönsten auf der Next-Gen derzeit - und besonders auf der PS4 ist es ein Vorzeigetitel für die Möglichkeiten der Next-Gen-Hardware.