Donkey Kong Country: Tropical Freeze - Test
Ums Verrecken nicht totzukriegen.
Bah, was für ein widerliches Spiel. Zeitverschwendung. Schafft man eh nicht. Unfair und mies. Braucht kein Mensch. Ich wünsche euch alles Gute. Schlechtes habt ihr schon genug, wenn ihr das hier kauft. Widerlich, bah.
Anders gesagt: Ich konnte das Pad bis zum Abspann nicht mehr aus der Hand legen.
Donkey Kong Country: Tropical Freeze beginnt mit einem dicken Lachen. Einem Lachen aus Liebe für die Spielwelt und die Art, wie sie Level für Level ihre Einfälle ausschüttet. Ihr werdet zornige Oktopusse aufwecken, Tentakeln und Felsbrocken ausweichen, mit Lorenwagen über verbogene Schienen rasen, das Wort „Haaresbreite" hassen, euch verschätzen beim Springen und es erneut versuchen. Schnell die knirschenden Zähne geraderücken, die Faust entkrampfen und weiter geht's. Auch das gehört dazu: das Aufrappeln nach einem Fehlschlag, wenn die Ungeduld mal wieder stärker war als das gesunde Augenmaß. Wie im Wii-Vorgänger zogen in einigen Leveln 20 Leben und mehr an mir vorbei. Man kann das Münzeinwurfgeklicke im Game-over-Bildschirm fast hören.
Es dokumentiert, was Vollblutvideospiele ausmacht, die reine Leistung und den Spaß am Agieren über die inhaltliche Ebene stellen. Tropical Freeze ist genau wie seine Vorgänger kein erzählendes Spiel. Es begreift seine Geschichte als übergeordnetes Thema, mit dem es besser funktioniert, vermutlich weil es auf dem Spielcover ein nettes Motiv abgibt und Wikingertiere nie verkehrt sind. Die überziehen im Intro alles mit einer dicken Eisschicht. Im Abspann ist alles wieder gut. Dazwischen liegen Savanne, uriger Dschungel, Tempel und dichte Mangrovenwälder. Sechs Welten voller Ideen, goldener Bananen und Respekt vor dem Jump-and-Run an sich, mit Dutzenden Stages und dem reinen Spaß am Hüpfen, Schwingen, Tauchen und Überrolltwerden.
Hüpfen, Rutschen, Schwingen, Schwimmen
Warum das so launig ist? Weil es nicht lange schwafelt, sondern jeden Meter auf puren Spielspaß abklopft. Keine Plattform hängt irgendwo zufällig, keine Liane ist unerreichbar, kein Elektrofeld zu fies platziert. Knifflig, ja, anspruchsvoll und bisweilen knapp, das auch, aber niemals Hexenwerk. Ihr werdet manche Pinguingegner verfluchen, wenn sie die Bogensehne spannen und euch Fische entgegenklatschen, während Eisflächen unter euch zerbrechen und klaffenden Abgründen weichen. Vor allem in der letzten Welt bewegen sich einige Stages fürs heutige Verständnis von Jump-and-Runs hart an der Grenze - ungeübte Spieler werden ab der dritten Welt schwitzen und keuchen. Die Level sind niemals unfair, nur zenti-, manchmal gefühlt millimetergenau durchgeplant. Zum Glück kann und muss man Rambi in einem der schwersten Abschnitte die Sporen geben.
Donkey Kong klopft jeden Meter auf puren Spielspaß ab.
Das kultige Nashorn haben die Retro-Studios natürlich nicht vergessen. An wenigen Stellen dürft ihr auf seinen Rücken krabbeln und Holzwände oder brüchige Steinstrukturen einrennen. Vorwärts in einem Affenzahn und keine Rücksicht auf Walrosse, die mit spitzen Speeren bewaffnet auf und ab marschieren. Quasi eine Entschädigung für all die Momente, in denen man punktgenau abspringen oder vor überschwappenden Lavawellen flüchten muss. Gleichzeitig ein herzlicher Salut an Rare und ein kleines verdrücktes Tränchen, da sie heute nur noch als blutleere Zombies in einer Gruft tief unter Redmond am Tropf hängen.
Reduziert aufs Wesentliche
Im Gegensatz zu Rayman oder dem letzten Wii-U-Mario pflegt Donkey Kong Country: Tropical Freeze einen nahezu unbeirrten Oldschool-Ansatz und rückt davon kaum einen Meter ab. Es gibt hier keine Minispiele, keine netten Gimmicks, kein Fußball wie in Rayman Legends, nur Freude über die wunderbare Einfachheit in den Bewegungen und darüber, dass (fast) jede Stage etwas Besonderes hat. Setzte mir jemand die Pistole auf die Brust, würde ich behaupten, der Vorgänger hatte noch ein paar mehr dieser Momente, in denen man ungläubig dachte, größer, doller und härter ginge es nicht - aber so ist das nun mal mit Nachfolgern.
Auch die Extraräume, in Super Mario 3D World immer wieder eine nette Abwechslung, sind hier allesamt gleich aufgebaut. Einige Plattformen - mal beweglich, mal nicht, mal federnd, mal starr - ein Zeitlimit und 100 Bananen, um sie alle und damit ein Puzzleteil einzusammeln. Von denen ist in jedem Level neben den üblichen K-O-N-G-Buchstaben eine Handvoll versteckt. Ich will nicht behaupten, diese Räume wären nicht spaßig, aber wie gesagt: Der Rest der Jump-and-Run-Welt gibt sich verspielter. Tropical Freeze ist reduziert, ohne beschränkt zu sein. Es macht seinem Genre den Hof und dessen Namen alle Ehre: Jump-and-Run, Springen und Rennen, hier fast in Perfektion. Manchmal ist es nah dran.
Wer mag, kann sich einen (Splitscreen-)Freund schnappen, ihm einen der übrigen Charaktere überlassen und zu zweit durch Fruchtwasserozeane schwimmen oder in Obstfabriken von Melonen zu Orangen hopsen. Zur Auswahl stehen Diddy und Dixie Kong (können schweben und sich länger in der Luft halten) und neuerdings der alte Zausel Cranky Kong, dessen Hüpfstab Dagobert Duck alle Ehre macht. Gehörnte Wikingerhelme, die den anderen schmerzhaft in die pelzigen Füße zwicken, sind damit kein Problem.
Wenn die Wand bricht
Da sich beide Spieler einen anfänglichen Pool aus vier Leben teilen, kommt das Continue oft schneller, als man „Du scheiß Eisbär, da war so viel Platz! Wieso musst du gerade jetzt hierher springen!?" fluchen und sich dafür bedauern kann, wie knapp das nun schon wieder war. Wird euch unter Garantie passieren. Die Bossgegner sind ein hartes Stück Arbeit und jedes dieser skurrilen Tiere hat sich seine Auftrittsgage redlich verdient. Dagegen schmeckt der Erfolg unglaublich süß, wenn man ihnen nach dem letzten Hüpfer genüsslich mehrere Treffer reinzimmert, in die Fasskanone steigt und endlich in die nächste Welt fliegt.
Die Bossgegner sind ein hartes Stück Arbeit und fordern genaue Reaktionen.
Dort taucht man vielleicht durch dunkle Höhlen, wo Stachelfische ihre Runden drehen, muss einem wütenden Schneesturm entkommen, sich von untergehenden Schiffsresten retten. Die größten Abdrücke in den Wangen und im Gedächtnis hinterlassen die Stages, in denen die Umgebungen selbst zusammenfallen, auseinanderbrechen, sich verbiegen, krümmen oder einen halben Erdrutsch auslösen. Bollernde Massen setzen sich in Bewegung. Riesige Kreissägen schubbern dicht am Affenfell vorbei. Ihr müsst schnell an bewachsenen Wänden entlangklettern, euch zu Lianen retten, einstürzende Türme überwinden, springen und treffen, greifen und festhalten, versuchen und schaffen.
Auflockernde Regeln wie in der 3DS-Version des Vorgängers gibt es kaum. Ihr startet mit zwei Energieherzen, dafür vertragen die Fassraketen und Loren nun von Haus aus einen Rempler mehr. Ein Shop steht in jeder Welt natürlich weiterhin, und wer genug goldene Bananenmünzen sammelt, darf sich Extraleben, ein zusätzliches Herz (nur in einer Stage gültig) oder Tränke kaufen, die eine Zeitlang vor Verletzungen schützen. Jeder so, wie er kann und Bedarf hat. Eine Schande ist es nicht, wenn ihr diesen freundlichen Handschlag annehmt. Muss ja keiner wissen. Außerdem ist Tropical Freeze manchmal ein kratzbürstiges, im positiven Sinne anstrengendes Spiel, das Nerven und Gamepads verheizen kann. Eines, das ich nicht missen möchte.
Wenn es euch auf dem Weg ins Finale so ergeht wie mir, werdet ihr lachen über Erfolge und Fehltritte, all die liebevollen Details, träge Seelöwen in Halfpipes oder glubschäugige Haie. Ihr werdet es versuchen und scheitern. Und gleich wieder das Pad aufnehmen, weil Donkey Kongs gnadenlose Einfachheit einen Nerv trifft, an dem die verspielteren Marios und Raymans entlangschrammen. Möchte man Tropical Freeze etwas vorwerfen, dann den eigenen Wii-Vorgänger, der schon das Meiste zum Thema gesagt hat. Habt ihr den erlebt, kennt ihr Jump-and-Run nahezu in Perfektion, eingelassen in eine randvolle Ideengrube. Wahnsinnig viel mehr schafft der Wii-U-Teil nicht. Aber auch kaum weniger, was in dem Fall stellvertretend steht für ein tadellos spielbares, unheimlich befriedigendes, schlitzohriges Abenteuer voller goldgelber Bananen und der puren Freude am Springen. Fast so, als wäre Rare noch da.