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South Park: Der Stab der Wahrheit - Test

Leider nicht größer, länger und ungeschnitten.

Ein paar Schnitte in der deutschen Version reichen niemals, um diesen großartigen RPG-Wahnsinn ernsthaft ausbremsen zu können.

Nach mittlerweile 17 Staffeln dachte ich, dass mich South Park nicht mehr schockieren oder ernsthaft überraschen könnte. So viele verrückte und teils abartige Dinge passierten in dieser Show, irgendwann erreicht man einfach einen Sättigungspunkt als Zuschauer. Und dann kam er doch. Der Moment, in dem ich meinen Augen nicht trauen wollte und mit offenem Mund vor dem Bildschirm saß. Damit meine ich nicht die in der europäischen Konsolenversion zensierten Abtreibungs- und Analprobensequenzen. Die sind vollkommen harmlos und nicht der Rede wert. Nein, ich spreche von einem Bosskampf, der euch für alle Zeiten im Gedächtnis bleibt.

Worum es geht? Naja, ich möchte euch die Überraschung nur ungern verderben. Aber so viel kann ich sagen: Die Szene beginnt mit einer unerfreulichen Begegnung der Unterhosenwichtel und endet damit, dass ihr als Zwerg von einem Hodensack zerquetscht werdet. Um den Mittelteil zu erfahren, müsst ihr es schon selbst spielen.

1-2-3 Hasselhoff!

Daneben warten noch viele weitere seltsame Dinge auf ihre Entdeckung. Mein Favorit gehört zur Sorte bekloppter Einfälle, die ich schon fast als alleinigen Kaufgrund deklarieren würde. Während meiner Streifzüge durch die liebevoll dargestellte Kleinstadt betrat ich aus Neugier Tom's Rhinoplasty. Dort dürft ihr euch gegen das nötige Kleingeld eine neue Nase aussuchen, wobei ich zuerst keine sonderlich schwerwiegenden Veränderungen erwartet habe. Immerhin zeichnet sich die Darstellung der Figuren in South Park nicht durch ihre detaillierten Riecher aus. Da ich zu dem Zeitpunkt jedoch ein ordentliches Sümmchen auf dem Konto hatte, entschied ich mich für 'The Hoff'. Nach einigen brutalen Operationsgeräuschen sah ich endlich mein neues Gesicht und viel vor Lachen fast vom Stuhl. Das Spiel hatte meinen kompletten Kopf gegen ein Foto von David Hasselhoff ausgetauscht. Nicht bloß vorübergehen, sondern für den Rest des Spiels. Sogar ein Erfolg erwartet euch, wenn ihr als Hasselhoff den Endboss besiegt. Besser geht es nicht!

Wohl das beste Feature, das es jemals in einem Spiel gab.

Auch sonst legt der Titel keine Pause ein und bombardiert euch über die gesamte Spieldauer mit Witzen. Jede Sequenz, jeder Raum und jeder Charakter ist eine reine Fundgrube neuer Lacher. Qualitativ liegt der Stab der Wahrheit auf einer Höhe mit den besten Folgen und meißelt Fans ein permanentes Lächeln ins Gesicht. Wie in der Serie teilen sich schlichte Furzwitze, schwarzer Humor, Situationskomik und bissige Satire das Rampenlicht. Wer nicht darüber lachen kann, dass eure Magie mächtige Darmwinde sind, deren Manavorrat ihr mit Burritos oder Kochschinken auffüllt, sollte lieber Abstand halten, bevor ihm seine Augen beim Rollen in einer ungünstigen Position stecken bleiben.

Mit Videospielreferenzen hält sich Der Stab der Wahrheit überraschenderweise zurück. Zwar wird hin und wieder kurz die Vierte Wand durchbrochen, ansonsten konzentriert man sich hingegen lieber auf sozialkritische Kommentare. Diese sind teilweise direkt in die Spielmechaniken eingeflochten. Eines der zentralen Ziele ist somit die Gewinnung neuer Facebook-Freunde, die nicht nur lustige oder nützliche Kommentare hinterlassen, sondern passive Fähigkeiten für den Kampf freischalten.

Qualitativ liegt der Stab der Wahrheit auf einer Höhe mit den besten Folgen.

Wie kann man bei den vier Klassen bitte nicht den Juden wählen?

Die Gefechte orientieren sich in ihrem Aufbau und Ablauf stark an der Paper-Mario-Reihe. Klassisch rundenbasiert und garniert mit zeitabhängigen Tasteneingaben. Gutes Timing beschert euch unter anderem eine bessere Verteidigung, Chancen zum Kontern oder verstärkte Angriffe. Die dafür gefragte Eingabe blendet das Spiel stets vor der ausgeführten Attacke ein, sodass ihr euch nicht alle Manöver merken braucht. Manchmal müsst ihr auf ein kleines Leuchten warten, den linken Stick in eine bestimmte Richtung drehen oder zufällig angezeigte Tasten betätigen.

Bevor ihr eine Runde beginnt, dürft ihr einen Gegenstand benutzen oder die Spezialfähigkeit eures Kumpanen einsetzen. Insgesamt stehen euch abhängig vom Verlauf der Handlung maximal sechs Begleiter zur Auswahl, von denen einer aktiv mit in den Kampf zieht. Alle besitzen ihre persönlichen Vorteile. So ist Kyle der ultimative Damage-Dealer und besitzt mit Baby-Freistoß einen der mächtigsten Angriffe im Spiel. Dagegen sorgt Jimmy mit seinen Balladen für unterschiedliche Zustandsveränderungen und Butters darf euch als Paladin sogar ohne die Verwendung von Käsebällchen heilen.

Gutes Timing beschert euch unter anderem eine bessere Verteidigung, Chancen zum Kontern oder verstärkte Angriffe.

Im Gegensatz zu Paper Mario sorgte Entwickler Obsidian für ein wenig mehr Tiefe beim Gegnerdesign, ohne normale Spieler damit zu überfordern. So besitzen viele Feinde Schilde oder Rüstungsteile, die spezielle Manöver erfordern. Auch die Positionierung auf dem Schlachtfeld spielt eine wichtige Rolle und beeinflusst eure Entscheidung zwischen Nah- und Fernkampf. Außerdem nehmen einige Widersacher verschiedene Stellungen ein, um eure Attacken zu kontern. Selbst auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad müsst ihr daher stets aufpassen. Mit der richtigen Strategie gewinnt ihr problemlos jede Auseinandersetzung. Doch passt einen Moment nicht auf und schon folgt die Vernichtung innerhalb eines Zuges. Eine perfekte Balance. Zumindest in der ersten Hälfte.

Denn sobald ihr bessere Waffen findet und mit den richtigen Flicken - diese verpassen eurer Ausrüstung Zusatzboni - verseht, verkommen die einst so fordernden Gefechte zur simplen Beschäftigungstherapie. Erst recht, nachdem ihr die stärksten Angriffe freigeschaltet habt. Selbst auf 'Schwer' flog ich ohne Beschwerden ans Ziel und verbrachte nur bei Bosskämpfen mehr als eine Runde im Kampf. Schade, denn die Basis des Systems bietet eine Grundlage für wesentlich komplexere und vor allem schwierige Herausforderungen. Doch bevor sich das System weiter entfalten und ausbreiten darf, steht ihr schon vor dem Abspann und damit auch dem größten Problem des Spiels: Es ist zu kurz.

Verfrühtes Ende

Ich bin normalerweise jemand, der Kürze in Videospielen bevorzugt und eine Destillation auf das Wesentliche begrüßt. Ein Titel sollte nie länger sein, als ihn seine Handlung und Mechaniken tragen können, was leider viel zu oft vorkommt. South Park: Der Stab der Wahrheit verkörpert das krasse Gegenteil. Noch bei meiner Vorschau sah ich im Menü einen maximalen Level von 50 und freute mich somit auf ein langes Abenteuer. Pustekuchen! Nach Level 15 ist Schluss und den erreicht ihr schon nach sieben bis acht Stunden. Anschließend fühlt ihr euch von Gegnern, die keine Minibosse oder Endgegner sind, nur noch belästigt. Weder die Erfahrungspunkte noch die Gegenstände bringen euch etwas. Ihr besitzt bereits die erforderlichen Mittel, um das Spiel zu beenden und rast problemlos durch das letzte Viertel. Mit bloß drei nicht komplett erfüllten Nebenmissionen und lediglich einem verpassten Sammelobjekt beendete ich nach zwölf Stunden meinen ersten Durchlauf.

Selbst auf 'Schwer' flog ich ohne Beschwerden ans Ziel und verbrachte nur bei Bosskämpfen mehr als eine Runde im Kampf.

Hofft nicht auf ein Spiel mit vielen oder gar wichtigen Entscheidungen.

Vielleicht zeugt es aber auch nur von der restlichen Qualität, die ich bis dahin erleben durfte, wenn ich nach Mehr schreie, obwohl mich die meisten Titel schon vor dem Erreichen des zweistelligen Stundenzählers langweilen. Ich wollte weitere Gebiete erkunden, auf noch mehr Charaktere stoßen und immer größere und stärkere Monster bekämpfen. Stattdessen saß ich traurig vor dem Abspann, weil ich bereits alles entdeckt hatte und nur in die Stadt zurückkehren durfte, um die restlichen Objekte zu finden.

Ob es mit den Schwierigkeiten der Produktion zusammenhängt? Beim Betrachten alter Screenshots fallen mir jedenfalls viele Szenen auf, die es nicht ins fertige Spiel schafften. Keine Welt der Unterhosenwichtel oder Crab People. Kein Friedhof oder rothaarige Kinder des Zorns. Ich kann nicht anders, als ein wenig enttäuscht zu sein und mich zu fragen, wie viel größer und epischer alles hätte sein können.

Ein Spiel mit Herz und Seele

Auf der anderen Seite sind alle Szenen in diesen zwölf Stunden pures Gold und bieten euch genügend Abwechslung. Trotz linearer Handlung mit nur einer freien Entscheidung, deren Auswahlmöglichkeiten zum selben Ziel führen, schenkt man euch genügend Freiheit. Sofort nach dem Tutorial dürft ihr die gesamte Stadt bereisen und in so gut wie jede Ecken stolzieren. Als Fan ist es ein unglaubliches Gefühl, durch die Gänge der Grundschule zu wandern, die Zimmer von Cartman oder Kenny zu durchwühlen und dabei je nach eurem ausgewählten Begleiter unterschiedliche Kommentare zu hören. Jede Nebenaufgabe, mag sie vom bloßen Aufbau betrachtet noch so simpel sein, erfüllte mich mit Freude. Al Gore bei der Suche nach Manbearpig zu helfen, nur damit er anschließend eine langweilige Präsentation im Kampf gegen euch als Waffe einsetzt, gehört zu den besten Momenten meiner Videospielerlaufbahn. Einige dieser Nebenmissionen schalten sogar Beschwörungen frei. Tötet für Mr. Lu Kim die Mongolen im Friedensturm oder bringt Mr. Slave seinen neuen Vibrator und schon dürft ihr ihn außerhalb von Bosskämpfen für ultimative Attacken einsetzen.

Ich wollte weitere Gebiete erkunden, auf noch mehr Charaktere stoßen und immer größere und stärkere Monster bekämpfen.

Die Kampfoberfläche ist simpel und übersichtlich designt.

Nach und nach erhaltet ihr neue Fertigkeiten und magische Furzangriffe, die die Manipulation eurer Umgebung ermöglichen. So erreicht ihr zuvor unzugängliche Bereiche oder besiegt Gegner auf clevere Weise noch vor dem Gefecht. Zerstört zum Beispiel eine Wasserleitung an der Wand, um darunter eine Pfütze zu erzeugen. Schießt daraufhin einen Pfeil auf die Dachlampe, damit sie in das kühle Nass fällt und die darin stehenden Feinde frittiert. Jeder Bereich bietet euch meist mehrere Optionen, die eine frühzeitige Dezimierung der feindlichen Kräfte ermöglicht.

South Park: Der Stab der Wahrheit ist ein großartiges Spiel. So viel steht für mich fest. Die einzig wirklich nervige Sache in der deutschen PC-Version ist die Zensierung der Nazizombies. Über jedem Hakenkreuz und Hitlergruß liegt ein dicker, schwarzer Balken, sodass selbst die wunderbar schlechten deutschen Ausrufe wie “Kein Ausweis!“ eines Zombiefötus einen faden Beigeschmack hinterlassen. Ansonsten ist das Spiel ein perfektes Beispiel für glorreichen Fanservice, verpackt in einem kompetenten Rollenspiel.

Leider endet es jedoch zu früh. Das ist zwar ein Zeugnis für die überragende Qualität, lässt mich in meinem Hunger nach mehr Spiel dennoch etwas unbefriedigt zurück. Plötzlich wirkt die Welt trotz ihrer Detailverliebtheit zu klein, die Handlung zu schnell abgewürgt und das Kampfsystem zu unterentwickelt. Sobald ihr sämtliche Facetten verinnerlicht habt und euch auf neue Strategien der Feinde freut, zieht das Spiel die Handbremse an und stagniert. Es fehlt die Zeit zur Entfaltung. Stattdessen gewinnt ihr jede Auseinandersetzung, ohne an eurer Ausrüstung oder Strategie werkeln zu müssen.

Trotzdem sollte euch dieser Umstand nicht davon abhalten, in den Genuss dieses fantastischen Erlebnisses zu kommen. Denn selbst die gebotene Zeit rechtfertigt für mich den Vollpreis und ich habe bereits einen neuen Durchlauf gestartet, um einige der interessanten Erfolge freizuschalten. Ich mache es euch einfach: Seid ihr Fan der Serie, müsst ihr South Park: Der Stab der Wahrheit unbedingt spielen.

8 / 10

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