Tower of Guns - Test
Ein-Mann-Show zwischen Doom und Binding of Isaac.
Wenn allein der Name schon fast alles sagt, was man darüber wissen muss, und ein Spiel auch sonst so vollkommen ohne Subtext auskommt wie Tower of Guns, dann gebietet es der Anstand, dass auch Texte darüber ohne Umschweife auf den Punkt kommen. Also bitte!
Tower of Guns ist das Produkt von Terrible Posture Games, einem Team, das einzig und allein aus Joe Mirabello besteht. Wollte man den Titel noch mit einem beschreibenden Zusatz versehen, wäre man mit "Mittagspausen-FPS" von der offiziellen Website bestens bedient und hätte nicht einmal seine eigenen grauen Zellen anstrengen müssen. Was "Mittagspausen-FPS" bedeutet? Nun, in der Praxis haben wir es mit einer Mischung aus The Binding of Isaac und Doom zu tun.
Ersterem Rogue-like verdankt der Titel seine Struktur. Start und Endpunkt sind in Tower of Guns definiert, die einzelnen Räume, aus denen sich die Level zusammensetzen, und die Bosse werden aber nach dem Zufallsprinzip aneinandergereiht. Ebenfalls zufällig ist die Anordnung der Gegner und Geschütztürme, die die Arenen regelmäßig in eine dreidimensionale Bullet-Hell verwandeln, die man nur mit viel Bewegung und Übersicht überlebt. Fortbewegung und Blickfeld haben unterdessen viel mit ids Klassiker zu tun. Bei dem klassischen Kopfnicken und dem Hin- und Herschwenken der fest an der rechten Bildschirmseite arretierten Waffe meint man beinahe, den markanten Soundblaster-Speedmetal von damals im Ohr zu haben. Die Architektur streckt sich anders als im großen Ahnen zwar vor allem in die Höhe statt nur in die Breite. Aber Aufbau und Design sind ganz wie damals auf Funktionalität gebürstet, nicht auf Realismus.
Herausgekommen ist ein schneller Shooter, dessen mechanische und häufig stationäre Gegner vorwiegend recht langsame Projektile auf euch loslassen, durch die ihr behände hindurchflitzt, um gleichzeitig das Feuer zu erwidern. Erlegte Gegner hinterlassen rote und blaue Kugeln, die Lebensenergie beziehungsweise euren Waffenlevel steigern, bis euer gewählter Schießprügel den Maximal-Level von fünf erreicht. Das geschieht oft schon binnen zwanzig Minuten und ein erfolgreicher Durchgang nimmt nicht mehr als 70 bis 80 Minuten in Anspruch. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass man vor allem in den ersten fünf Mittagspausenstunden, die man mit Tower of Guns verbringt, nicht den letzten Boss zu sehen bekommt. Man stirbt und versucht es einfach noch einmal. Folglich gibt es keine Speicherfunktion. Dauert eine Runde mal doch länger als erwartet, bleibt nur die Pausetaste.
"Fast mit jedem Durchgang erweitert ihr euer Arsenal, was sehr zum Experimentieren anregt und vielfach die Spielweise grundlegend verändert.
Während man so die einzelnen Räume immer besser kennenlernt, sich aber niemals darauf einstellen kann, welche Art von Widerstand man erfährt, experimentiert man mit den Werkzeugen, die einem das Spiel zur Verfügung stellt. Eine ganze Reihe von Waffen und Perks schaltet ihr durch Erreichen diverser Meilensteine frei. Ihr beginnt mit einer Pistole und einem Sägeblattwerfer und dürft euch lediglich zwischen einem Dreifachsprung oder einer Immunität gegenüber Fallschaden entscheiden. Fast mit jedem Durchgang erweitert ihr euer Ballermann- und Talentarsenal, was sehr zum Experimentieren anregt und vielfach die Spielweise grundlegend verändert. Dazu finden sich nach klassischer id-Art versteckte Bereiche, in denen Abzeichen etwa eure Gesamtgesundheit steigern oder eure Waffe auf verschiedene Weisen modifizieren. Manchmal findet ihr hinter einer durchlässigen Wand auch einen Verkaufsstand, der gegen gesammelte Münzen zum Beispiel einen zusätzlichen Sprung ermöglicht.
Hier und da streut das Leveldesign durchlässige Quader in die Level ein, die euch in einem Affenzahn in Blickrichtung schleudern, was beinahe Portal-artige Sprungakrobatik ermöglicht und vielfach dafür sorgte, dass ich mich gegen jede verdächtige Wand ballern ließ, hinter der ich ein mir bisher entgangenes Geheimnis vermutete. Und dann fällt einem wieder ein, dass es für jeden Level eine Par-Zeit gibt, die einem im Nacken sitzt.
Wenn ich meckern müsste - und das muss ich, Berufskrankheit - würde ich den einen größeren Lapsus monieren, der beinahe im Alleingang dafür sorgt, dass das Spiel sein Mittagspausenformat wohl niemals auf den Feierabend ausdehnen wird: Tower of Guns vermittelt einem nur schlecht, ob man getroffen wird und von wo. Der Charakter zuckt nicht mal, verspürt keinen Schubser, keine Anzeigen auf dem Bildschirm verraten, ob gerade in diesem riesigen Roboter-Kolosseum hinter einem ein Feind erschien, der unentdeckt ein paar Treffer platzieren konnte. Lediglich die Energieleiste schrumpft ein bisschen. Im Zusammenspiel mit der etwas unklaren Trefferbox meiner Spielfigur führte das dazu, dass ich mehrfach in Kämpfen, die ich eigentlich unter Kontrolle wähnte, überrascht auf die Gesundheitsanzeige blickte, um zu sehen, dass es mit mir zu Ende ging. In einem Spiel, in denen einem dermaßen die Kugeln um die Ohren fliegen, ist derartig schwachbrüstiges Feedback eine Garantie für einige unfaire Tode. Vielleicht richtet's ja ein Patch?
Ingesamt trägt Tower of Guns sein schlankes Preisschild nämlich ohne größere Mühe vor sich her und sollte jedem, den schon die Eckdaten hellhörig machten, einen Blick wert sein. Trotz der einen maßgeblichen Verfehlung in Sachen Schadensrückmeldung ist man sich für einen erneuten Versuch nie zu schade. Denn John Mirabellos Shooter-Solo motiviert und macht durchaus ein bisschen süchtig. Der nächste Versuch ist nie weit und da bei jedem Neustart auch eine neue von fünf vollkommen mondsüchtigen Hintergrundgeschichten ausgewählt wird, kommt auch der Humor nicht zu kurz. Es ist erfrischend, mal wieder einen Titel vor dem Lauf zu haben, der sein Gameplay so klassisch unverdünnt darreicht, wie es noch in den Neunzigern gang und gäbe war. Den Mann sollte man im Auge behalten.