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GOG.com Galaxy: "DRM kann einfach kein Produkt schützen."

Guillaume Rambourg über den neuen Client, DRM und wie man die Industrie überzeugt, dass Spieler belohnt werden sollten.

Good Old Games zu GOG Galaxy. Der (gar nicht mehr so) kleine Online-Vertrieb für die alten Spiele, die man früher liebte, GOG.com, hat einen weiten Weg hinter sich und der nächste große Schritt steht kurz bevor. Alles, was sie anbieten, all die Klassiker, all die Indies und alles, was noch kommt, unter dem Dach eines bequemen Clients, der brav Updates zieht, Multiplayer-Features und Achievements bietet, aber am Ende doch nicht an ein DRM gebunden ist. Dessen Inhalte nicht nur offline irgendwie funktionieren, sondern sich ihre Autonomie am Ende vollständig bewahren. Der Komfort des Clients, ohne den DRM-Preis zahlen zu müssen. Ach ja, komplett optional ist das Ganze dann auch noch.

Klingt super, oder? Nun, könnte es werden, vor allem, weil Galaxy nicht auf sein eigenes System beschränkt bleiben möchte. Es wird auch ein Cross-Play-Feature bieten, sodass ihr bei Titeln, die auf Galaxy und Steam erscheinen, mit und gegen Spieler der jeweils anderen Plattform antreten könnt.

Guillaume Rambourg, GOG.com VP Nordamerika

Piotr Karwowski, Vizepräsident Online Tech, und Guillaume Rambourg, VP Nordamerika, sprachen mit uns ein wenig über Galaxy und auch dessen Cross-Play. Karwowski über Cross-Play:

"Die Wahrheit ist, dass Cross-Play keine Zauberei ist. Einige Firmen benutzen ihre eigene, geschlossene Multiplay-Lösung für die Spiele, die sie über Steam veröffentlichen. Der entscheidende Unterschied ist, dass du normalerweise, nachdem du es auf Steam heruntergeladen hast, noch eine zusätzliche Drittanbieter-Applikation herunterladen und einen weiteren Account erstellen musst, um das gekaufte Spiel auch spielen zu können. Und selbst dann bleibst du auf die andere, geschlossene Online-Plattform beschränkt. Man muss nur einen Blick auf Reddit werfen, um zu sehen, was die User, die zu solchen Plattformen und Accounts gezwungen werden, davon halten."

Piotr Karwowski, GOG.com VP Online Tech

"Ich verstehe, dass jede große Firma derzeit möchte, dass alle ihre Kunden ihre Spiele in ihrem eigenen, geschlossenen System spielen, aber das heißt nicht, dass es auch auf diese Weise ablaufen muss. Deshalb wirst du auch durch Steam authentifiziert, wenn du ein Cross-Pay-taugliches Spiel auf Steam kaufst. Wir glauben natürlich auch an Wahlfreiheit bei den Plattformen, auf denen ihr eure Spiele kauft. Mit diesem Ziel werden wir in den kommenden Wochen Keys zur Multiplayer-Beta von The Witcher Adventure verschicken, damit GOG.com- wie auch Steam-Nutzer das Spiel zusammen spielen können."

Definitiv wird GOG.com weiter so nutzbar sein wie bisher. GOG Galaxy ist komplett optional.

Alles wird anders oder bleibt doch alles, wie es ist? Was, wenn euch GOG Galaxy vollkommen egal ist und ihr mit dem bisherigen Service ganz zufrieden seid? In diesem Falle kann euch Guillaume Rambourg, Vizepräsident Nordamerika für GOG, beruhigen:

"Definitiv wird GOG.com weiter so nutzbar sein wie bisher. GOG Galaxy ist komplett optional und es liegt am Spieler zu entscheiden, ob er die Vorzüge wie automatische Updates, Instant-Benachrichtigungen und andere Features, die der Client bieten wird, nutzen möchte. Oder er bleibt lieber bei der Website, lädt sich Updates manuell nach und schaut dort, welche Nachrichten, Promos oder Neuerscheinungen erhältlich sind. Wenn du nicht online spielen möchtest, kannst du den Einzelspielermodus offline und ohne DRM wie gehabt starten, von überall aus und jederzeit. Wie Piotr schon sagte, die Freiheit zu wählen liegt uns am Herzen und deshalb überlassen wir es unseren Spielern, zu entscheiden, wie sie GOG.com nutzen möchten.

GOG Galaxy wird also eine Reihe von Features mit sich bringen, die man zum Beispiel auch von Steam kennt. Dort entwickelte sich der Dienst über Jahre hinweg. Galaxy startet mit einer Nutzerbasis, die teilweise Hunderte von Spielen in ihren Sammlungen haben, die noch keine Features dieser Art mit einem Client genießen. Ist es also möglich und wird es angestrebt, dass wirklich alle Spiele, die ihr auf GOG.com habt, vollständig von Galaxy profitieren? Piotr Karwowski:

"Ja, das ist unser finales Ziel für den Galaxy-Client. Bisher waren alle Spiele als eigenständiger Download über die Website zu beziehen und für alte Spiele, die keine Updates mehr brauchen, ist das auch in Ordnung. Auch für generelle persönliche Backups ist das kein Problem. Aber wenn du deine Sammlung von 50 oder 100 installierten Spielen immer auf dem neuesten Stand halten möchtest, was gerade bei Multiplayer-Spielen ja unumgänglich ist, ist das zu umständlich."

"Jetzt gerade arbeitet unser Team hart daran, dass alle unsere Spiele vom Client unterstützt werden. Zu Beginn heißt das, dass es ein neuer Weg ist, die Spiele in der Sammlung zu managen, zu installieren und zu aktualisieren. Darüber hinaus werden die zusätzlichen Features wie Achievements für neue wie auch schon verfügbare Spiele eingeführt."

Von Good Old Games...

Zu Backup-Zwecken... GOG.com hat als einer der wenigen Dienste inzwischen Jahre Erfahrung damit, wie es sich ohne DRM leben lässt. Andere Publisher haben diesen Weg (noch?) nicht eingeschlagen. Guillaume Rambourg hat recht pragmatische Ansichten zu der Thematik:

"Könnt ihr euren Partnern versprechen, dass das Produkt innerhalb der ersten 30 Tage nach dem Launch - nur innerhalb der ersten 30! - nicht raubkopiert wird?"

"Es dauert nur ein paar Sekunden (und ein paar Suchen auf Google), um zu sehen, dass DRM einfach kein Produkt schützen kann. Leider ist jeder Titel, sei es nun ein obskurer Indie- oder ein Triple-A-Titel, auf den Seiten der Raubkopierer erhältlich und es braucht nur ein paar Klicks, um ihn illegal herunterzuladen. Ich hatte in der Vergangenheit Gelegenheit, mit einer Reihe von DRM-Entwicklern zu sprechen, und ich stellte ihnen immer eine Frage: 'Könnt ihr euren Partnern versprechen, dass das Produkt innerhalb der ersten 30 Tage nach dem Launch - nur innerhalb der ersten 30! - nicht raubkopiert wird?' Ein betretenes Schweigen war noch die beste Antwort, die ich bekam."

"DRM trifft am Ende nur die ehrlichen, leidenschaftlichen Spieler da draußen. Die Spieler, die bereits sind, 50 Dollar und mehr für ihr Lieblings-Triple-A-Produkt zu bezahlen und unsere Industrie unterstützen. Nervige Online-Aktivierungen? Der Zwang, sich online authentifizieren zu müssen, nur um den Einzelspielermodus eines Lieblingsspiels zu starten? Oder noch schlimmer: immer online dafür sein zu müssen? Das ist kein guter Weg, um diese treuen Käufer zu belohnen, die einen Teil ihres Einkommens für eines deiner (teilweise teuren) Produkte auf den Tisch gelegt haben. Unsere Industrie sollte diese Spieler feiern und mit Respekt behandeln. Es sind diese Leute, die unsere Gehälter, Server, Entwicklungen und noch mehr bezahlen. Stattdessen machen wir es für sie zu einer frustrierenden Erfahrung. Es ist doch schizophren: DRM ist nicht in der Lage, Produkte zu schützen, aber es schadet auf lange Sicht deinen Fans und deinen Marken."

...zu GOG Galaxy.

"Ich erinnere mich noch, als wir 2011 The Witcher 2 ohne DRM auf GOG.com veröffentlicht haben. Viele Leute in der Industrie dachten, dass die erste Version, die man auf den Torrent-Seiten finden würde, ganz sicher unsere wäre. Aber die Version, die schon ein paar Tage vor dem Release auf den Seiten landete, war die, die mit DRM ausgeliefert wurde. Wir sehen auch, dass der Durchschnitt pro gekauftem Titel und Nutzer über unsere mehr als 750 Spiele hinweg bei 1,8 liegt. Wenn eine DRM-freie Seite so bedroht ist, wie kann es dann sein, dass auf GOG.com 2 Millionen im Monat zugreifen, wir aktuell über 750 Titel vertreiben, profitabel von Tag eins an waren und es uns über fünfeinhalb Jahre nach dem Launch noch immer richtig gut geht?"

"Ich entschuldige mich für ein wenig Angeberei, aber wir glauben wirklich daran, dass der Vertrieb von Spiele ohne DRM für unsere Industrie ein großer Vorteil ist. Lasst es uns einfach für die Spieler machen und die, die unsere Produkte kaufen, belohnen. Sie sind keine Verbrecher und brauchen ein DRM sicher nicht."

Diese Einstellung herrscht sicher nicht bei allen Publishern und auch Entwicklern. Gerade als jemand, der auf die Mitarbeit und Bereitwilligkeit von Entwicklern bauen muss, um die eigene Plattform mit neuen Spielen zu füttern, hat Rambourg schon das eine oder andere Gespräch gehabt, in dem diskutiert wurde, dass man GOG.com ja ganz nett findet, aber man doch lieber beim DRM bleiben möchte:

"Solche Diskussionen gab es oft und wir verstehen es auch, dass sich Entwickler wie auch Publisher Sorgen um zwei Jahre Entwicklung und Investitionen machen, die dann in ein paar Stunden von Softwarepiraterie bedroht werden. Es ist eine verständliche, menschliche Angst, aber wie es mit den meisten Ängsten so ist, sie ist irrational."

Eines der ersten Spiele auf GOG.com: Descent.

"Wir versuchen, immer zu erklären, und argumentieren mit dem logischen, spielerfokussierten Argumenten und unseren aktuellen Verkaufszahlen, dass der Verzicht auf DRM keine Bedrohung, sondern eine Chance ist. Unsere Aufgabe ist es, Spieler zu überzeugen, Spiele zu kaufen, indem wir ihnen einen guten Grund dafür geben - einen besseren, als es ihnen die Piraterie bieten kann. Als GOG.com 2008 auf der E3 startete, hatten wir nur einen Partner - Interplay - und etwa 30 Spiele. Heute sind wir die Nummer-1-Alternative zu Steam und haben über 200 Partner - Entwickler und Publisher - an Bord. Bei aller Bescheidenheit glaube ich, dass wir uns Legitimation und Expertise erarbeitet haben, die wir gerne jederzeit bereit sind, mit der Industrie zu teilen."

"Manchmal sind unsere Argumente und die harten Zahlen leider nicht gut genug. In diesen Fällen müssen wir unseren potenziellen Partnern leider sagen, dass wir nie eine Form von DRM auf GOG.com nutzen werden. Es wird einfach nicht passieren. Einfach weil wir glauben, dass es Spielern wie auch der Industrie schadet."

"Unsere Gespräche mit bestimmten Partnern wurden in der Vergangenheit genau deswegen eingefroren, aber wir haben noch immer gute Beziehungen zu ihnen, treffen uns von Zeit zu Zeit, geben ihnen die neuen Zahlen und Informationen, und weil wir eben ebenso leidenschaftliche wie hartnäckige Leute sind, können wir sie meist am Ende doch noch von GOG.com überzeugen. Wir haben noch nie einen Partner verloren, der sich dafür entschied, es mit dem DRM-freien Vertrieb zu versuchen, und darauf sind wir stolz. Wir wollen die Welt des Spielens zu 100% frei von DRM sehen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die irrationalen Ängste überwunden werden, und wir helfen gerne dabei, diesen Prozess zu beschleunigen."

Aber es reicht doch, dass man an seine Spiele herankommt, oder? Anscheinend nicht, denn viele Spieler wertschätzen den unbeschränkten Zugang zu ihrer gekauften Software sehr. Piotr Karwowski weiß auch sehr genau, warum das so ist:

Und eines auf das derzeit viele warten: The Witcher 3.

"Der Wechsel zum digitalen Vertrieb verläuft nicht ohne Fehler, auch wenn er normalerweise neuen Komfort bietet. Man kann natürlich sagen, dass sich die Leute an alle Standards gewöhnen können und auch den Mangel an solchen - etwas, worauf einige Firmen durchaus setzen. Es beginnt mit dem Verlust des Rechts auf Rückgabe, wenn etwas nicht funktioniert, und geht bis zu der Pflicht, sich online anmelden zu müssen, um einen Einzelspielertitel starten zu können. Die Frage ist also, wie oft ein Kunde bei einem digitalen Kauf einen schlechteren Service bekommt, als es bei der Retail-Version oder sogar einer illegalen Kopie der Fall wäre. Wir denken nicht oft darüber nach... bis etwas nicht mehr funktioniert."

"In der digitalen Welt gehört dir ein Spiel nicht, sondern du hast das Recht auf Zugang zu diesem auf einer Plattform. Diese Lizenz kann jederzeit widerrufen werden, sei es auch rechtlichen Gründen - zum Beispiel wird dein Spiel von deiner bevorzugten Plattform entfernt und damit auch dein Zugang dazu - oder aus obskuren Gründen. Es ist nicht nur das. Vor kurzem wurde ein Account von mir, einer mit jahrelanger Kaufhistorie und sehr viel Guthaben, auf einer der Konsolenplattformen gesperrt. Dies geschah, und ich zitiere hier, "wegen dringender Wichtigkeit zur Sicherung des Accounts und persönlicher Information". Ich konnte meine Spiele noch spielen, aber keine neuen mehr kaufen und das Guthaben war auch eingefroren. Es dauerte einen Monat und zahlreiche E-Mails an ihren Support. Alles, was es mir brachte, war Frust und die Erkenntnis, lieber auf einer anderen Plattform meine Spiele zu kaufen."

"Die Frage bleibt also: Kann dir ein Produkt, das du auf einer digitalen Plattform gekauft hast, wieder genommen werden? Man hat schon davon gehört. Oder kannst du aus rechtlichen Gründen von deinen gekauften Spielen ausgeschlossen werden? Ich hoffe nicht, aber es gibt keine absolute Garantie. Oder um es einfach zu halten: was, wenn dein Internet-Provider einen Ausfall hat? Selbst wenn die ehrlichste Firma ein DRM einführt, kann etwas schiefgehen und deine Eigentümerschaft an dem Produkt eingeschränkt sein oder sogar aufgehoben werden. All das ist kein Thema beim DRM-freien Vertrieb, ganz so wie in den Tagen, in denen Spiele auf den Regalen statt auf digitalen Plattformen gesammelt wurden."

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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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