Driveclub - Test (Offline-Modi)
Mehr Ridge Racer als Gran Turismo
Driveclub ist kein Gran Turismo. Es sieht ein wenig aus wie eines, in seinen eher schlichten Menüs fühlt es sich ein wenig an wie eines, aber schon bei der Durchsicht dieser wird einem ganz schnell klar: Driveclub ist einer anderen, sogar älteren Rennreihe deutlich näher - Ridge Racer. Die alten. Nicht das Zeug, was in den letzten Jahren kam. Und das ist kein Tadel, den ich Driveclub ausspreche.
Ich habe schon einige Kommentare gehört, dass Driveclub nichts taugen würde, da es sich nicht sonderlich realistisch anfühlen würde, dass sich die einzelnen Autos, vor allem innerhalb einer Klasse, nicht groß unterschiedlich fahren würden. Das ist absolut richtig. Statt euch mit den feinen Unterschieden zwischen einem Audi RS6 und einem Mercedes C63 zu befassen, die diese in der Realität wahrscheinlich ziemlich unterschiedlichen Autos wohl haben mögen, gibt es hier eigentlich nur einen wichtigen Unterschied: Der eine rutscht, der andere weniger. Der eine ist ein Drift-Auto, der andere ein Grip-Auto. Willkommen in der Philosophie des ersten halben Dutzend Ridge-Racer-Spiele.
Damit erledigt sich auch die weitere Realismusdebatte in Driveclub. Auch die Frage, ob es denn verwerflich ist, dass es keine (wirklich KEINE!) Tuning-Optionen oder Aufrüstmöglichkeiten gibt. Braucht so ein richtig arcadiger Arcade-Racer halt nicht. Das geht so weit, dass ich irgendwann in die Ridge-Racer-Marotte zurückfiel, konstant Gas gab, in Kurven gleichzeitig Gas und Bremse durchdrückte, mal mehr, mal weniger elegant um die Ecke rutschte und nur in ganz harten Kurven wirklich in die Bremsen stieg. So bin ich schon lange in keinem Rennspiel mehr gefahren. Selbst das alles andere als realistische Forza Horizon 2 hätte mich für so viel Übermut abgestraft.
Wenn man jetzt also an dem Punkt ist, zu akzeptieren, dass Driveclub kein Forza, Gran Turismo und sicher kein Project Cars ist, dann macht das hier richtig Spaß. Das Fahren an sich zumindest. Mit Spaß, Eleganz und viel zu viel Schwung durch die Kurven zu schneiden klappt tadellos. Gebt mir noch ein schönes großes SEGA-Arcade-Kabinett dazu, eines, das wackelt und rumpelt - dann ist das hier eines der besten Spaß-Racings seit langem.
So weit, so harmlos. Kommen wir zu den unerfreulichen Punkten, an denen sich Driveclub meine Einzelspielerzuneigung verscherzt. Oder... nein. Gleich. Erst mal: Das sieht schon verdammt gut aus. In den ersten Rennen der ganz niedlichen, aber letztlich sehr oberflächlichen Ansammlung von Einzelfahrten und Mikro-Championships versucht euch Driveclub das noch zu verheimlichen. Überall, egal ob Indien, Schottland oder Chile, scheint es nur grau zu sein. Verhangener Himmel, trübe Landschaften - es wirkt unfreundlich. Aber dann kann das Spiel sich wohl nicht mehr zurückhalten. Nach der etwas trüben Kleinwagenmeisterschaft packt es nach und nach die guten Strecken und vor allem Tageszeiten aus und nun wirkt der teilweise extreme Detailgrad auch gleich ganz anders. Wenn sich Sonnenstrahlen in über die Straße wehenden Blüten brechen, der Schnee am Rand der Piste einen angenehm frösteln lässt und der Staub der Strecke fast aus dem TV rieselt, dann... vergisst man fast, dass nicht jede Textur so grandios gelang und auch, dass die Zuschauer winken, als wären sie Kommunistengeneräle auf ihrer letzten Parade. Dafür ist das Wetter ja hübsch umgesetzt, auch wenn es im Gegensatz zur Tageszeit nicht so richtig dynamisch wirkt. Macht nichts, im Sonnenuntergang einer kurzen Rallye-Runde zu starten und in der graduell einsetzenden Dunkelheit das Ziel zu erreichen hat einfach Charme.
Ob die vielen Details den Preis wert sind, der offenbar gezahlt werden musste, steht jedoch auf einem anderen Blatt. Bei Shootern und bei Rennspielen halte ich 60 Frames für einen echten, wichtigen Bonus und auch wenn die 30 Frames hier felsenfest laufen, bin ich angesichts eines Rennspiels, das mit festen Strecken statt offener Welt arbeitet, nicht mehr so sonderlich beeindruckt. Für den Verzicht auf die Hälfte der Frames hätte es am Ende schon dann noch etwas lebendiger und hübscher wirken dürfen. Driveclub sieht gut aus, ohne Frage, aber wirklich beeindruckend ist dann doch noch etwas anderes.
Jetzt allerdings lässt es sich nicht länger aufschieben, denn auch wenn es Positives aus der Solokarriere von Driveclub zu vermelden gibt - ein gutes Solo-Rennspiel wird es dadurch leider nicht. Der generelle Aufbau, in dem jedes Event sein eigenes Thema und Bildchen bekommt, kann sich sehen lassen. Auch wenn es meist nur simple Auto-Auswahl-Limitationen sind - VW-Cup, Italien Tour oder ähnliches -, ergibt es doch den Eindruck einer Welttournee durch alle Klassen. Für jedes Rennen bis zu drei Sterne zu verteilen, die dann weitere Rennen freischalten, ist auch ein guter Gedanke, denn meist sind die Zusatzauflagen spannender, als einfach nur unter die ersten drei zu kommen. Manchmal müsst ihr eine bestimmte Rundenzeit erreichen, woanders in einer bestimmten Kurve besonders effektiv driften oder mal ein bestimmtes Tempo erreichen. Es motiviert und lässt euch oft zu einigen Events zurückkehren, um noch diesem letzten Stern zu ergattern.
Nein, die Probleme liegen leider auf der Piste und das mit Abstand Schlimmste ist das unerträgliche Gummiband, das alles dominiert, was die KI tut und wie ihr herausgefordert werdet. Es gibt in der Karriere von Driveclub keine Schwierigkeitsgrade. Keine Einstellungen, keine Fahrerklassen, kein gar nichts. Das Spiel orientiert sich komplett daran, wie ihr gerade fahrt, um seine eigenen Fahrer und ihr Können auszurichten. Fahrt ihr schnell und perfekt, werden euch immer noch mindestens zwei außerordentlich schnelle Fahrer am Hintern kleben, auf jeden kleinen Fehler warten und auch dank des schwer übertreiben Windschatteneffekts immer wieder angreifen. Fahrt ihr furchtbar, dann gibt sich die KI auch keine große Mühe und wird einholbar vor euch her zuckeln.
Es lässt sich ganz gut belegen, wenn ihr eine Strecke auswählt und einmal ganz normal fahrt. Bei drei Versuchen wurde ich dreimal Erster, immer mit etwa einer Sekunde Vorsprung. Relativ knapp also, und das, obwohl ich die zwei der drei Runden keineswegs fehlerfrei fuhr. Beim vierten Anlauf fuhr ich zum Start 30 Sekunden lang Tempo 50 und gab dann erst Gas. Ich wurde mit einer Sekunde Vorsprung Erster, obwohl ich eigentlich bei konstantem Fahrverhalten der KI bestenfalls 20 oder 25 Sekunden hinter dem ersten Platz hätte liegen dürfen. Um es auf die Spitze zu treiben, fuhr ich dann eine Minute Tempo 50. Ich wurde immerhin noch Fünfter, keine fünf Sekunden hinter Platz 1. Das Spiel guckt schlicht, was ihr macht, und pendelt dann die Herausforderung so ein, wie es das wohl für richtig hält. Das ist für mich kein sinnvoller Ansatz, um den Schwierigkeitsgrad eines Rennspiels zu regeln.
Um bei der KI zu bleiben, wäre das Wort „Ideallinienzombie" vielleicht etwas zu hart, aber viel fehlt nicht. Seid ihr auf der Linie und fahrt gerade dort, wo ein KI-Fahrer sein möchte, wird er nicht etwa abbremsen oder euch ausweichen - er wir euch deutlich zu verstehen geben, dass ihr da weg sollt. Durch die sowieso arcadige Ausrichtung des Fahrablaufs ist das Dauergedrängel nicht ganz so schlimm, aber an dieser Stelle beginnt euch ein etwas übertriebenes Strafsystem immer nerviger zu treffen.
Es gibt ein „Kudos"-Punktesystem. Gutes Driften, elegantes Überholen oder zum Beispiel gut und sauber gefahrene Abschnitte werden mit Punkten belohnt, mit denen ihr als Fahrer, aber auch euren Rennclub auflevelt. So weit, so bekannt, es gibt aber auch heftige Punktabzüge für hartes Schubsen und das Rammen der Bande. Auch wenn ihr gar nichts dafür könnt. Wenn euch ein KI-Fahrer in die Bande drückt - kommt häufig genug in Kurven vor - oder euch ins Hecks schießt, weil ihr euch leicht vor der Kurve verbremst habt, gibt es Abzüge, die mit dem Stich der Ungerechtigkeit etwas mehr schmerzen.
Weit dramatischer sind allerdings die „Bremsstrafen". Solltet ihr selbst einen anderen Fahrer mit Wucht touchieren, dann kommt es vor, dass ihr für ein paar Sekunden künstlich ausgebremst werdet. Alle dürfen durchstarten, ihr noch nicht. Ergibt in gewisser Weise als Strafe für zu hartes Schubsen Sinn, kann ich akzeptieren. Wo es lächerlich wird, das ist das Schneiden der Kurven. Die Strecken sind eh schon relativ eng und oft auch mit unsichtbarsten Grenzen einen Meter hinter dem Asphalt abgezäunt. Da ist nicht viel Platz, um großartig und böswillig zu schneiden. Aber schon vier Reifen bei einem Fahrfehler in der Kurve auf dem Innengras und ihr habt nicht nur damit zu kämpfen, wieder vernünftig auf die Spur zu finden, sondern auch damit, dass euch jeder im Gummibandverbund überholt, weil euch die Bremsstrafe trifft. Wie schon gesagt, der Platz links und rechts der Piste ist in Driveclub eh sehr begrenzt, ehrlich gesagt zu begrenzt, und dass nicht mal das Wenige genutzt werden darf, ist schon ein kleines Vergehen.
All das ist auch der Grund, warum ich am Ende die Zeitfahrten oder Drift-Herausforderungen beinahe mehr schätzte, weil ich mich dort nicht mit der Willkür der KI herumschlagen musste. Schade, dass es innerhalb der Karriere davon nicht so viel gibt. Außerhalb dieser könnt ihr neben freien Rennen auch alle Strecken im Zeitfahren und für Drift-Fahrten erkunden, womit ich schließlich deutlich mehr Zeit verbrachte - und dort auch sehr viel Spaß fand. Am Rande: Hier lässt sich plötzlich bei den Rennen ein Schwierigkeitsgrad definieren. Warum das in der Karriere nicht möglich ist, bleibt etwas schleierhaft.
Was mich persönlich eher selten stört in einem Rennspiel, ist eine begrenzte Auswahl an Fahrzeugen, zumindest solange die vorhandenen was können. Das ist in Driveclub prinzipiell der Fall, aber es wird schon selbst bei mir an die Grenze getrieben. Für Autosammler in solchen Spielen sind die weniger als 50 Fahrzeuge auf der Disc wohl eher eine mittlere Beleidigung. Die Auswahl dürfte auch gerne ein paar mehr Exoten führen, denn es sind gerade im ersten Drittel gefühlt nur Fahrzeuge aus den Häusern BMW, Audi und Mercedes. Später kommen ein paar Ferraris, Lotus oder Aston Martin hinzu. Die Zondas und Koenigseggs zum Ende hin sind auch nichts, was es noch nie so oder so ähnlich gab. Es sind wunderschön rekonstruierte Autos, sie sehen auf der Strecke traumhaft aus, aber das Spiel nimmt sich selbst die Freude, sie mehr zu feiern. Ihr habt kaum Auswahl bei den Farben, dafür könnt ihr stattdessen Club-Decals basteln, die ihr dann aufklebt. Ein richtiger Foto-Auto-Porno-Modus fehlt auch, das Spiel behandelt seine kleinen Schätze sehr zurückhaltend.
Normalerweise würde ich jetzt sagen, kommen wir zum Wichtigen. Zu den groß angekündigten Social-Features, den Clubs, die ihr gründen sollt, mit denen ihr fahren und gewinnen sollt, und all dem Multiplayer-Spaß, von dem ich praktisch überzeugt bin, dass dieser Arcade-Racer ihn perfekt auf die Piste bringen kann. Stattdessen sind all diese Optionen derzeit aufgrund von inzwischen bekannten Serverproblemen ausgegraut. Ihr könnt die Karriere fahren, auch durchspielen, könnt im Freifahrtmodus nach Lust und Laune rennen und driften und euch die freigeschalteten Autos ansehen. Insoweit werdet ihr auch damit eine Weile beschäftigt sein, aber essenzielle Teile sind derzeit schlicht nicht nutzbar.
Das ist auch der Grund, warum unten noch keine Wertung steht und ich das Fazit jetzt erst einmal sehr knapp halte. Driveclub unterliegt das grundsolide Gerüst eines außerordentlich kompetenten Arcade-Racers, der sich im Solo-Modus leider selbst mit seiner unzureichenden KI und einem schlicht schwachsinnigen Strafsystem torpediert. Daher ist es umso wichtiger, dass die Server endlich vernünftig laufen, um endlich das Clubwesen durchstarten zu lassen und die höchstwahrscheinlich weit besseren Multiplayer-Rennen ins Spiel zu bringen. Sobald diese dann laufen, wird eine Ergänzung des Tests zusammen mit der Wertung nachgereicht.