The Legend of Korra - Test
Gameplay oder Handlung. Was ist bei einem Lizenzspiel wichtiger?
Wie gerne würde ich bei Platinum Games in Osaka vorbeischauen, um mit den Entwicklern von The Legend of Korra zu reden. Völlig befreit von möglichen Reaktionen des Publishers eine ehrliche Meinung zu ihrem Projekt erhalten. Denn ich bin mir sicher: Hinter der Entstehung von The Legend of Korra steckt eine interessante Geschichte voller Probleme, aufgezwungener Entscheidungen und einem Zeitdruck, der selbst die besten Studios dieser Welt kleinkriegt.
Ein Lizenzspiel sollte im besten Fall sowohl Handlung als auch Charaktere der Vorlage gut umsetzen, sich gleichzeitig aber ebenso auf das passende Gameplay konzentrieren. The Legend of Korra wird für viele Fans daher eine Enttäuschung darstellen, denen die ersten Aspekte wesentlich wichtiger sind. Eine Geschichte ist praktisch nicht vorhanden und lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Alter Mann blockiert Korras Kräfte und kriegt dafür auf die Nase. Das war es. Keine große Verschwörung, keine interessante Behandlung schwieriger Thematiken. Selbst von geliebten Nebenfiguren hört ihr bloß ein bis zwei Sätze. Nicht einmal Korra spricht viel.
Gleiches spiegelt sich in den Zwischensequenzen wider, für die man anscheinend nur 15 Bilder die Sekunde zeichnete. Die Szenen dienen allein dem schnellen Übergang zur nächsten Stage oder der Einführung eines neuen Elements. Wer die Serie kennt, ist mit den cleveren Dialogen vertraut, die sich stark vom üblichen Niveau einer Kindersendung absetzen. Nichts davon findet ihr hier wieder.
Deswegen vermute ich, dass Platinum Games schlicht die Zeit fehlte, um diesen Teil des Spiels ordentlich auszuarbeiten. Alles wirkt zweckmäßig, bis auf ein paar nette Anspielungen. Wahrscheinlich standen sie vor der Entscheidung, sich entweder auf den Fanservice oder das Gameplay zu konzentrieren. Und wer das Studio kennt, kann sicherlich schnell erraten, in welchen Aspekt sie ihre gesamte Zeit steckten. Natürlich ist es reine Spekulation und soll auch keine Entschuldigung sein, nur eine mögliche Erklärung.
Kämpfe spielen sich ausgezeichnet und versetzen einen geschickt in die Rolle des Avatars. Über die Schultertasten wechselt man blitzschnell zu anderen Elementen, deren Animationen den typischen Standard des Studios widerspiegeln. Feuer, Wind, Erde und Wasser eignen sich im Kampf für unterschiedliche Situationen. Während Feuer und Wasser perfekt auf Distanzattacken ausgelegt sind, solltet ihr Erde ausschließlich für Nahkämpfe mit wenigen Feinden verwenden. Wind ist dagegen das beste Element zur Gruppenkontrolle. Wer unbeschadet aus den Kämpfen hervorgehen möchte oder sich am äußerst schweren Extreme-Modus versucht, muss den Wechsel zwischen den Fähigkeiten beherrschen und ihre unterschiedlichen Kombos kennen.
The Legend of Korra folgt dabei einer logischen Progression. Zu Beginn stehen euch kurz sämtliche Attacken zur Verfügung, bevor jemand Korras Elementfertigkeiten blockiert. Ein alter Hut des Spieldesigns, den Platinum Games dennoch gekonnt umsetzt. Im ersten Kapitel könnt ihr euch nur mit Händen und Füßen verteidigen und zwei bis drei Kombos nutzen. So spürt man die plötzliche Hilflosigkeit. Man will die Fähigkeiten zurück. Man braucht sie, sehnt sich danach.
Nach der Aktivierung eines neuen Elements steigt dieses durch ständigen Gebrauch im Level. Dadurch stehen euch nicht nur neue Kombos zur Verfügung, auch ein schnelles Aufladen der Kräfte ist möglich. Attacken erreichen eine größere Reichweite oder zerschmettern Feinde noch heftiger. Ohne diese Technik wundert man sich in vielen Situationen, warum zum Beispiel ein großer Mech kaum Schaden einsteckt. Das Spiel zwingt euch demnach, jede verfügbare Mechanik zu nutzen, um in den Kämpfen zu bestehen. Nein, ein Button-Masher ist The Legend of Korra keinesfalls.
Neben den erwähnten Mechaniken des Kampfsystems erlaubt man euch den Einsatz von Kontern. Blockt ihr kurz vor dem Eintreffen einer feindlichen Attacke, bremst das Spiel den Zeitfluss und eine bestimmte Taste, die immer zur ausgeführten Bewegung passt, muss gedrückt werden. Daraus resultierende Animationen erinnern stark an God Hand, wenn Korra beispielsweise einen Bösewicht aus der Luft abfängt und ihm 50 Schläge in den Magen verpasst. Sogar die Kamera positioniert sich in einem ähnlichen Winkel wie in Shinji Mikamis Kulthit.
Leider steckten die Entwickler nicht den gleichen Fleiß in die restliche Umgebung. Schöne Figuren tauchte man in matschige Gemälde, deren Texturen selbst für den Comic-Stil teilweise peinlich wirken. Zwar existieren optisch bessere Bereiche, doch warten diese in der zweiten Hälfte des Spiels. Schnell wünscht man sich die malerischen Szenerien aus Ni No Kuni zurück. Zumindest läuft es bei kräftigem Effektgewitter konstant flüssig.
Wie sehr euch The Legend of Korra letztendlich gefällt, hängt ganz von euren Erwartungen ab. Seid ihr Fan der Serie und sucht nach einer schönen Geschichte, rate ich dringend vom Kauf ab. Die Sequenzen sowie Dialoge sind viel zu kurz und qualitativ unterhalb dem gewohnten Niveau. Interessiert ihr euch außerdem nicht für das Genre, verteufelt ihr den Titel vielleicht sogar und legt ihn frustriert zur Seite.
Mögt ihr dagegen Titel wie Bayonetta, Metal Gear Rising: Revengeance oder Devil May Cry wegen ihrer Mechaniken, ist Korra euer Spiel. Es mag nicht den gleichen Tiefgang besitzen und in allen Belangen etwas kürzer ausfallen, für einen netten 15-Euro-Titel ist das aber vollkommen okay. Es beweist Platinums Talent, selbst mit kleineren Budgets und Zeitfenstern zu arbeiten. Denn The Legend of Korra hat neben der Arkham-Serie das beste Kampfsystem unter den Lizenztiteln. Nur bitte gebt dem Team in Zukunft die nötigen Ressourcen, um diese Basis in einen Vollpreistitel zu verwandeln, der auch auf erzählerischer Seite dem Avatar-Universum gerecht wird.