Halfway - Test
Fast da - und doch so weit weg!
Man weiß eigentlich auf den ersten Blick, ob man Halfway spielen möchte oder nicht. Selten kommuniziert ein Spiel mit nur so wenigen Bildern, worum es eigentlich geht: Stimmungsvolle Draufsicht-Taktik mit Sci-Fi-Thema in bester Spätpixelgrafik. Es ist ein klassischer Look, wie ihn einige wenige Polygon-Verweigerer zu Beginn der PSone-Ära fabrizierten, kombiniert mit einem ebenso klassischen rundenbasierten Ablauf. Das löst bei der angepeilten Zielgruppe zu Recht eine fast schon reflexartige Schnappreaktion aus.
Irgendwo zwischen einem um 45 Grad gekippten X-Com Classic und Event Horizon wird das Team um Morten Lannis unplanmäßig aus dem Kälteschlaf geweckt und taktiert sich anschließend durch den von einer fremden Macht überrannten Hyperraumkreuzer Goliath. Erratisch springt der von einem System ins nächste und mit jedem Sprung tauchen neue Mutanten auf, die das Überleben schwerer machen. Es ist eine simple, aber angenehm mysteriös erzählte Geschichte, die motiviert, jedes der acht verbliebenen Crewmitglieder um sich zu scharen, um den Geschehnissen auf den Grund zu gehen. Dass es nicht ganz zum Geheimtipp reicht, liegt an Halfways eigenartigem Regelwerk, wenn es an die Kämpfe geht.
Die Struktur von Robotality's Spiel an sich ist dabei eigentlich ein echter Gewinner. Ihr zieht eure Figuren meistens wie in einem JRPG, nur eben mit Maus, als Gruppe über das Schiff oder kommandiert sie einzeln, um den Nebel des Krieges effizienter von der Karte zu wischen und Vorratskisten mit Munition und besserer Ausrüstung zu finden. Da beinahe jederzeit neue Gegner überfallartig spawnen können, ist das Vorantasten durch den finsteren Kreuzer eine durchaus atmosphärische und spannende Angelegenheit. Egal ob in den Hauptmissionen oder den Nebeneinsätzen zur Materialbeschaffung. Das Level-Design gibt sich dabei Mühe, die Spieler trotz allem nicht zu sehr auseinanderzureißen und hier und da trotzdem verschiedene Zugangspunkte zu etwaigen Kampfszenarien zu integrieren.
Ist es dann so weit und mutierte Crewmitglieder sowie Geschütztürme legen auf die Helden an, gehen die Probleme los. Das Spiel verfügt zwar über ein Deckungssystem, das euch in vier Himmelsrichtungen abschirmt, nachdem sich die Figuren automatisch an halbhohe oder vollständige Deckung angelehnt haben. Das ist vergleichbar mit Firaxis' tollem XCOM. Halfway hält es aber nicht für nötig, zu kommunizieren, inwieweit sich die Deckung auf Angriffe aus der Diagonalen auswirkt und ab wann Flankierungsboni einsetzen. Das sorgt zum einen für Unentschlossenheit in Sachen Verteidigung, zum anderen aber auch im Angriff, weil man selten weiß, ob es sich lohnt, einen seiner beiden Aktionspunkte - wieder lässt XCOM grüßen - für einen Zug in eine vermeintlich bessere Schussposition zu verwenden.
"Schuss- und Sichtlinien vor allem aufseiten der Gegner nicht immer ganz klar vermittelt, was es schwer macht, die Züge der KI abzuschätzen."
Gleichzeitig werden Schuss- und Sichtlinien vor allem aufseiten der Gegner nicht immer ganz klar vermittelt, was es schwer macht, die Züge der gleichzeitig in ihren Aktionen limitierten und nicht allzu zielstrebigen KI abzuschätzen. Dazu kommen allgemein recht niedrige Trefferquoten schon ab recht geringen Entfernungen und schon fällt die Mehrheit der Gefechte allzu statisch aus, weil ich es nicht einsehe, meine Deckung zu verlassen, um die Trefferquote zu verbessern und der Gegner es genau so hält. Dass die Munition begrenzt ist, soll wohl für Zugzwang sorgen, nervt aber beizeiten, wenn man sich gegenseitig Salve um Salve um die Ohren jagt anstatt dazwischen.
Halfways Variante von Overwatch, dem Aufsparen eines Aktionspunktes, um etwaiges Feuer zu erwidern, heißt hier Vergeltung und trägt ihren Teil dazu bei, dass man häufig länger Blaue-Bohnen-Pingpong spielt, als man eigentlich wollte. Hier schießt nur zurück, wer direkt und selbst angegriffen wird. Weder auf feindliche Bewegung noch auf Beschuss eines Teamkollegen wird hier reagiert, was dazu führt, dass man Gegner im Vergeltungsmodus einfach nicht angreift und sich selbst oft genug fragen muss, warum man nicht direkt in seiner eigenen Runde auf den Feind schoss.
XCOM signalisiert zudem mit seinen verschiedenen Alienrassen mit unterschiedlichem Modus Operandi in jeder neuen Runde eine Reihe erwartbarer Szenarien, die der Spieler durch diverse Skills zu seinem Nutzen beugt. Auch hier gibt es zwar je einen passiven und einen aktiven Skill, Mortens garantierter 100-Prozent-Treffer oder Lindas Selbstheilung wirken aber zum Beispiel eher wie Workarounds um das limitierte System herum statt echte Erweiterungen eurer taktischen Möglichkeiten zu sein. Jegliche weitere Charakterentwicklung erfolgt über "Stimpacks", die je einen der drei Charakterwerte - Gesundheit, Beweglichkeit, Zielen - erhöhen oder neue Ausrüstung, was gerade zu Anfang etwas dünn wirkt.
Nach hinten hinaus öffnet sich das Spiel ein bisschen, wenn neue Figuren und bessere Ausrüstung hinzukommen und man seiner Mannschaft mithilfe der Stimpacks etwas Individualität verliehen hat. Hier weichen die eingefahrenen Abläufe etwas auf, was dem Spiel sehr guttut. Bis dahin hat man aber den einen oder anderen zähen Kampf zu viel auf dem Buckel.
Und so sind es vornehmlich das schöne Szenario, die Ungewissheit bei der geradlinigen, aber interessanten Erkundung der Goliath und die blendende Aufmachung in Bild und Ton, durch die Halfway von sich Reden macht. Es ist ein attraktives Spiel mit einem leicht verständlichen, aber eben auch nicht allzu beweglichen oder tiefschürfenden Kampfsystem. Zum schlanken Preis von nur etwa zehn Euro darf man ihm durchaus eine Chance geben. Gleichzeitig kann ich es aber auch niemandem verdenken, wenn er sich ein weiteres Mal am Ironman-Modus des ungleich dynamischeren, taktisch reichhaltigeren und spannenderen XCOM versucht - oder noch etwas Geduld aufbringt, um zu sehen, was Double Fine mit Massive Chalice auf die Beine stellt.