Legends of Eisenwald - Test
Nimm dir Essen mit, wir fahren nach Brandenburg.
Legends of Eisenwald ist ein vom Markt unbeeindruckt seiner Agenda folgendes Spiel, vorsichtig vergleichbar mit der Heroes-Reihe, ohne deren Grad an Zugänglichkeit. Auf der einen Seite etwas zwischen Rollen- und Strategiespiel, wenn es euch Erfahrung in Rundenkämpfen sammeln, Quests annehmen und einfache Entscheidungen hinsichtlich der Charakterentwicklung treffen lässt. Zwischendurch rutscht es wieder ein Stück nach oben in die zoombare Vogelperspektive eines heimkehrenden Lehnsherren, der seine Ländereien, Vasallen und Störenfriede im Blick haben muss.
Das Setting, Deutschland im Mittelalter, schlägt eine Brücke zwischen Geschichtlichem und Aberglauben an Dämonen und Hexen, von denen sich einiges manifestierte. Es greift menschliche Ängste vor todbringenden Monstern auf, im Spiel beschrieben in Ortschaften und verlassenen Ruinen entlang des Weges, teilweise sicher inspiriert von alten Volkskundegeschichten. Vordergründig sitzen wir trotzdem nicht in Temerien neben Basilisken, Krabbspinnen und Trollen, sondern in Sachsen oder Brandenburg, wo Berthold und Heinrich im „Fuchs und Gans" die Krüge aneinanderschlagen. Untote sind mit Friedhofserde bedeckte Plünderer. Vorerst.
Dergestalt also ein Low-Fantasy-Ansatz ohne Elfen oder Dunkelmagier, aber mit Kampftränken, Amuletten und Kräuterfrauen, die euch im Kampf mit Sprüchen heilen. Legends of Eisenwald hält Magie eher wie den Glauben an übernatürliche Fügungen - im Mittelalter nicht unbedingt selten. Solange sich die Kämpfer einbilden, ein von einem Geistlichen gemurmeltes Gebet hebe ihre Leistungsfähigkeit auf dem Schlachtfeld, wer würde gegen Berge versetzenden Glauben anreden? Ihr bekommt hier keinen Alltag bestimmenden Feuerball in die Hand, aber durchaus Dinge jenseits der Erklärbar- und Wunderwirksamkeit. Man nimmt, was man kriegt, wen juckt's, wenn mal ein kleines Flämmchen darunter ist?
Anfangs wählt ihr einen von drei vordefinierten Lehnsherren - Ritter, Mystiker oder Baronin, alle ein wenig unterschiedlich - und könnt euch frei auf jeder Karte bewegen. Interessante Orte sind beispielsweise Klöster, Dörfer, Mühlen, Steinbrüche oder gar große Städte. Dabei verlässt man nie die etwas erhobene weltliche Ansicht; das Betreten von Gasthäusern, Kirchen oder Marktplätzen wird lediglich durch ein in Artwork-gebundenes Interaktionsfenster simuliert, ähnlich wie in frühen CRPGs.
Dort könnt ihr dann mit Leuten sprechen, Gerüchten lauschen, handeln, euch teuer heilen lassen, Aufträge annehmen und tun, was eben nötig ist, während man einem gemächlich beginnenden Plot folgt. Statt euch in der Anonymität großer Städte mit Hunderten NPCs zu verschlucken, platzieren die Entwickler hier und da mal einen unscheinbaren Charakter, der etwas zu sagen hat, in der Taverne etwa, oder als zwielichtige Gestalt in dunklen Dorfecken.
Anfangs geht es nur um Streitigkeiten der Vasallen, die sich keine Ähre zu viel auf dem Feld gönnen. Der Disput gilt als Anlass, euch mit dem Territorialsystem vertraut zu machen. Viele Landstriche unterstehen etwa kleineren Landgrafen und ihrem Gefolge. Zumindest so lange, bis man ihre Burgen belagert und übernimmt, was in erster Linie Tributzahlungen und zuweilen Unterstützung sichert.
Später zwirbelt sich der Plot feiner, persönlicher heraus. Er verlässt das Territorium der Heimkehr in ein Land, das sich in vielen Jahren der Abwesenheit zum Schlechten veränderte, und schneidet Themen wie Erbschaft, Täuschung und Ächtung an, ohne dass ihm jemals der ganz große Wurf gelingt. Vieles bleibt eben doch kitschig und gestochen.
Das pochende Herz der Eisenwald-Legenden sind persönliche Truppen und ihre Zusammenstellung. Bis zu elf Einheiten stärken dem Hauptcharakter den Rücken, rekrutierbar entweder innerhalb der Dorfbevölkerung, in der Kirche oder in Söldnerlagern. Übrigens: Vergesst die Söldner. Sie sind kräftiger als Bauern, ganz klar, starten besser gerüstet als Rekruten, kosten aber jeden Tag Geld. Spannt sie für schwere Aufträge oder eine Erstürmung ein und entlasst sie wieder. Niemand macht Söldner zum festen Bestandteil. Untrainierte Bauern nehmen auf dem Schlachtfeld tatsächlich die Opferrolle ein, die man ihnen im Schach zuspricht. Man kann die hölzerne Mistgabel gegen einen Streitkolben ersetzen, ihnen einen leichten Duellwams anziehen, sie ausrüsten, viel mehr geht nicht.
Rekruten sind biegsamer und kosten euch nur eine kleine Startgebühr, danach nie wieder etwas, außer vielleicht Nerven, weil sie ständig ins Gras beißen. Das Schöne: Alle bis auf Bauern leveln in mehreren Spezialisierungszweigen. Ein junger Adeliger entwickelt sich zum Landjunker oder Duellant bis in den Rang eines Schwertmeisters oder Ritters. Ein Messdiener kann den Weg eines Diakons oder Mönchs einschlagen und am Ende Bischof oder Inquisitor werden.
Der Fertigkeitengewinn pro Stufe geht automatisch vonstatten. Ihr wählt eine Richtung und bekommt, was damit zusammenhängt, außer beim Hauptcharakter, dessen Fortschritt über das komplette Spiel hinaus ausgelegt ist. Die anderen nicht? Dazu kommen wir gleich.
Wenn man schließlich seine Gruppe und innerhalb dieser zueinanderfindet, hat das fast etwas von einem klassischen Party-basierten Rollenspiel. Man schaut hier nach einem Ring für erhöhte Initiative der Kräuterfrau, damit sie im Kampf schneller heilen kann. Da gibt es einen robusten Ringkragen-Harnisch, dort einen Bogenschützenarmreif oder silberne, mehr Schaden verursachende Pfeile. Das Durchbeißen in den ersten Stunden mit dem, was euch das Spiel an wenigen Dingen zugesteht, war für mich die größte Motivation.
Auf Quest-Seite gibt es... zunächst mal keinen Marker. Nur selten, und wenn, dann muss man ihn händisch zuschalten. Oft folgt man vagen Angaben und schaut, was sich ergibt. Wo moderne große Rollenspiele ihre alternativen Lösungswege plakativ in der jederzeit sichtbaren Aufgabenbeschreibung platzieren, gibt sich Eisenwald zugeknöpft. Der Sohn eines Landgrafen wurde in eine Waldruine verschleppt und stirbt jedes Mal durch einen Schnitt von Ohr zu Ohr, nachdem man dort mit der ganzen Gruppe einreitet. Nur wer sämtliche Einheiten bis auf drei in einem nahen Wachturm parkt, kommt unbemerkt hinein und kann den Jungen raushauen.
Die Tagebucheinträge sind so geschrieben (deutsche Übersetzung gut gelungen), dass man auch ohne Markierung ziemlich genau weiß, was zu tun ist. Jedenfalls meistens. In einer der merkwürdigsten Aufgaben des Spiels geht es darum, eine mütterlicherseits zum Hurendasein gezwungene Edelfrau zu finden. Wo? In der Grünsteinstraße in Quellburg. So weit kein Ding, nur leider existiert diese Straße nicht in begehbarer Form, egal wie lange man danach sucht.
Die Lösung ist eine zufällig irgendwo erscheinende Räuberbande, in ihren Hinterlassenschaften ein Diadem. Damit geht es zum städtischen Marktplatz, wo man es an einen Händler verschachern muss, um den folgenden Quest-Schritt zu aktivieren. Wie gesagt, sehr sonderbar. Wäre ich nicht aus Versehen über diese Truppe gestolpert, der Faden würde immer noch lose im Tagebuch baumeln. Oder besser gesagt: nicht mehr baumeln. Denn beim Kapitelwechsel passiert etwas, das aus nicht wirklich ersichtlichen Gründen auf die Liste der guten Ideen wanderte.
Kurz: Nach jedem Kapitel nimmt man euch bislang gesammelte Truppen und Goldvorräte - lediglich der Hauptcharakter bleibt das ganze Spiel über -, was ziemlich demotivierend sein kann. Die Überlegung ist wohl, die Spielbalance auf lange Sicht nicht durch endloses Grinding in Richtung „Laaangweilig" kippen zu lassen. Kann man machen. Die Truppen, OK, so ein Treck durch die Nordalpen kann sie schon mal zerreiben. Nicht alle kommen heil dort an. Natürlich kostet eine Wanderung wie diese ein paar Münzen, dennoch ist es irgendwie befremdlich im Sinne des Fortschritts.
Gleichzeitig ist das Starten bei null auf der ersten Karte nach dem Tutorial die größte Motivation. Das Gefühl, sich zaghaft hochzuarbeiten, kleine Banditengruppen in den Wäldern auszurotten, bis man Geld zusammen hat, um dem Bogenschützen der Gruppe bessere Pfeile zu spendieren, sich dann langsam an größere Gruppen heranzutasten, über Marktplätze zu ziehen, Handelsposten zu entdecken - all das gute Zeug eben. Legends of Eisenwald zwingt euch zu solchen Erkundungen und dazu, sich auch mal die Hörner abzustoßen.
Zu jedem Kapitelbeginn hätte ich das nicht erneut haben müssen, besonders wenn man am Ende des letzten kurz davor stand, die Höchststufe einer Spezialisierung zu erlangen. Wenn sie ohnehin gleich weg ist, wen kümmert es dann?
Bleibt noch? Das Kampfsystem. Die Kartengestaltung ist sehr einfach gehalten, das Hexfeld-Bewegungsraster immer gleich klein, egal ob ihr im Wald, auf einer Wiese oder in Gebäuden kämpft. Es gibt keine Hindernisse, Erhöhungen oder Terrainunterschiede, nichts, womit man sich einen Vorteil verschaffen könnte. Einem frei auf der Gebietskarte herumlaufenden Feind in den Rücken zu fallen, das bewirkt genau dasselbe, als wäre er in euch hineingerempelt. Kampf ist Kampf, egal wo er unter welchen Umständen vom Zaun bricht.
Aktionspunkte gibt es nicht, ebenso wenig wie freies Bewegen von einem Feld zum anderen. Ihr könnt lediglich den nächststehenden Feind angreifen, eine Runde aussetzen oder in Abwehrstellung gehen, um den erlittenen Schaden beim nächsten Gegenangriff zu reduzieren. Das ist auf den ersten Blick nicht wirklich viel und spielt sich auch so frei von allem, wie es sich jetzt anhört.
Da sich die Gegner jedes Mal nahezu identisch verhalten, kann man ihre Bewegungen prima auswendig lernen. Einen Teil seiner Taktik versteht Eisenwald darin, Züge zu studieren. Zu sehen, wie eine bestimmte Einheit der eigenen Infanterie noch eine Runde länger überlebt, es könnte die entscheidende sein, oder wie Angriff Nummer 3 des jungen Adeligen links außen den feindlichen Bogenschützen tötet, nicht nur schwer verletzt. Wenn man im zweiten Anlauf die Ersten aus den Gegnerreihen niederstreckt, bevor sie die Initiative ergreifen können, fühlt sich das gut an. Damit lässt sich so manch bevorstehendes Waterloo noch mal kippen und viel Münzgeklimper am Kirchenheiler vorbei in die eigene Tasche stopfen. Gefallene Charaktere sterben nicht an Ort und Stelle, bekommen am Ende sogar Erfahrung. Doch einmal komplettes Heilen der Gruppe mit, angenommen, sechs schwer Verwundeten kostet mehrere hundert Münzen.
Mit anderen Worten: ein System, das in Aktion zu wenig feinfühlig, flexibel erscheint. Dank der vielen Ausrüstung kann man dennoch ein Stück weit gegensteuern. Manchmal macht es einfach Laune, auf durchgelatschten Diablo-Socken in der Wildnis zu warten, Banditen kommen immer genug, und mit ihnen die Erfahrung, das Geld, die Ausrüstung.
Dies mag vielleicht nicht vordergründig Eisenwalds Anliegen sein. Doch ich hatte Spaß damit, über Fleißarbeit die Stärke meiner Mannschaft zu definieren. Der kleine Entwickler Aterdux Entertainment findet sich ein zum Salut in Richtung des Klassikers Darklands und zwischen mittelalterlichen Vasallenraufereien und Inzestgeschichten zeitweilig zu guter Form. Leider sind die Kapitelwechsel eine niederschmetternde Angelegenheit. Kaum fühlt man sich dem Spielverlauf und den Einheiten verbunden, kaum fiebert man auf die höchste Spezialisierung zu, startet man bei null. Zusammen mit einem auf dem Feld und im direkten Vergleich finessenbefreit wirkenden Kampfsystem bleibt ein unterhaltsames Mittelalterabenteuer, das nach etwas Einarbeitung seine Stärken zeigt. Aber nehmt ruhig etwas mehr zum Essen mit. Brandenburg ist nicht so klein.