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Anno 2205 - Weltraumtourismus Marke Blue Byte

Wieso diese Zukunft die alten Annos locker in die Tasche stecken könnte!

Mir wird fast ein wenig schwindelig, als die Kamera über die vor mir liegende Metropole schwenkt. Aus luftiger Höhe sehe ich in den Himmel ragende Hochhäuser, beobachte, wie Schwebeautos wie in Luc Besson's „Das Fünfte Element" durch die Luft huschen und ein Zeppelin über einem futuristisch anmutenden Stadion seine Kreise zieht. Die Anno-Serie hat einen weiten Weg hinter sich: Von der verträumten, urdeutschen Aufbausimulation zum Science-Fiction-Sandkasten.

Wie es der Titel Anno 2205 verrät, katapultiert uns Blue Byte Mainz noch einmal 135 Jahre weiter in die Zukunft. Das Spiel schließt an die Geschichte von Anno 2070 an, verwirft durch den Zeitsprung aber weite Teile davon. Die einstmals regierenden Fraktionen wie die Ecos oder die Tycoons gibt es nicht mehr. Auch die altgediente Arche liegt in Trümmern und ist nicht mehr als ein Relikt vergangener Tage. „Allerdings spielen wir im Verlauf der Kampagne immer wieder mit einigen Easter Eggs auf den Vorgänger an. Wer den also gespielt hat, darf zwischendurch mal schmunzeln. Alle anderen kommen auch ohne Vorkenntnisse klar", führt Creative Director Dirk Riegert bei der Präsentation in Düsseldorf aus.

Aber mal ehrlich: So wirklich hat doch Anno 2070 ohnehin niemand für die Story gespielt. Viel spannender war doch stets das süchtig machende Endlosspiel. Und genau das baut Blue Byte Mainz in Anno 2205 spürbar aus: Ähnlich wie in Sim City lande ich beim Start der Alpha-Version zunächst auf einer Übersichtskarte mit verschiedenen, bereits freigeschalteten Maps. Diese Sitzungen laufen zeitgleich autark voneinander ab. Jeder Bereich besitzt seine eigenen Warenkreisläufe und vor allem sein eigenes Zentrallager. Bedeutet: Wenn ich auf Karte A baue, muss ich mir keine Sorgen machen, dass Karte B plötzlich in sich zusammenfällt und mein gesamtes Reich ins Verderben reißt.

Ich beginne also mein Glück auf einer noch jungfräulichen Map. Erstmals darf ich den Startpunkt selbst aussuchen und bin nicht mehr an Marktplätze oder dergleichen gebunden. Auf den im Vergleich zum Vorgänger bis zu fünf Mal so großen Karten suche ich mir also frei einen Standort aus. Neben den typischen Inseln bietet Anno 2205 auch große Kontinentalflächen für Mammutbauprojekte. Weg fallen allem Anschein nach allerdings die Unterwasser-Anlagen aus Anno 2070. Zwar gab es keine klare Absage, aber Riegerts Statement „Wir wollen nach oben bauen und nicht nach unten" klang unzweindeutig.

In Anno 2205 fungieren Straßen als Schlagadern der Stadt. Über sie fließen Warentransporte, aber auch Strom und Wasser. Jedes Gebäude muss ausnahmslos mit einer Straße verbunden sein. Zu Beginn platziere ich zunächst einige Wohnhäuser. Deren Bewohner der Stufe 1 verlangt es nach Wasser, Informationen und Reis. Für die gewünschten Nachrichten platziere ich im näheren Umfeld schnell ein Medienzentrum. Die Straßen in dessen Umgebung färben sich grün und zeigen an, dass das Gebäude hier besonders effektiv arbeitet. Wasser gewinne ich über Förderungsanlagen an der Küste, Reis über Farmen. Alle Produktionsstätten kann ich nun mit Hilfe von zusätzlichen Modulen erweitern und so ihre Effektivität steigern. Bei besagten Reisfarmen etwa platziere ich zusätzliche Felder. Eigene Solarzellen verringern dagegen den Stromverbrauch, zusätzliche Abfertigungsbereiche beschleunigen den Warentransport. Diese Zusatzmodule sind kostengünstiger als das Hauptgebäude. Entsprechend baue ich nicht mehr in Serie, sondern versuche, bereits bestehende Produktionsstätten zunächst auszubauen. Praktisch: Erstmals darf ich bereits platzierte Gebäude auch verschieben. „Wir haben herausgefunden, dass es Spielern nicht gefällt, wenn sie ständig ganze Viertel abreißen müssen. Deshalb haben wir diese Funktion bei Anno Online geklaut. Allerdings hängen die Kosten für das Verschieben vom Schwierigkeitsgrad ab. Spiele ich auf niedrigster Stufe, ist es kostenlos. Auf den höheren Schwierigkeitsgraden werde ich zu Kasse gebeten", führt Dirk Riegert während der Anspielrunde aus.

Anno 2205 erleichtert mir den Einstieg spürbar. Ich muss mir keine Sorgen mehr um den kürzesten Weg zwischen Produktionsstätten und der weiterführenden Verarbeitung machen. Alles landet auf Anhieb im Zentrallager. So lange ich ausreichend Logistikzentren und damit Lastwagen besitze, kommen alle Ressourcen sicher und schnell von A nach B. Das Verschieben von Gebäuden ermöglicht mir spontane Planänderungen und die Modulerweiterung lassen mich den Raum - speziell bei den aufwendigen Windkraftwerken - besser ausnutzen. Gleichzeitig aber muss ich stets darauf achten, dass ich auch genügend Arbeiter zur Verfügung habe. Sie werden in Anno 2205 nämlich - wie Strom und Wasser - zur Ressource. Ich stampfe also immer wieder Wohnviertel aus dem Boden, um auch meine Industrie zu erweitern. Damit steigen natürlich die Anforderungen für Nahrung und Luxusartikel. Schon haben wir einen für Anno typischen Kreislauf.

Rundum glückliche Bewohner steigen in bis zu vier Stufen auf und schalten auf diesem Wege neue Produktionsstätten und Waren frei. Dadurch werden besagte Warenkreisläufe noch komplexer und erfordern immer kostenintensivere und aufwendigere Produkte - wie beispielsweise Verjüngungsgele oder gar Androiden. Metalle gewinne ich weiterhin an festen Minenstandorten und baue dort beispielsweise Kobalt ab. Auch Minen erweitere ich mit Modulen und platziere etwa einen weiteren Bagger im Berg.

Geht euch der Platz aus, baut ihr Brücken und erreicht damit andere Inseln der Karte. Die nervigen Handelsrouten via Schiff gibt es in Anno 2205 nicht mehr. Alles läuft über Straßenverbindungen. Oder ihr erkundet über die Übersichtskarte ein vollkommen neues Gebiet auf der Erde oder gar dem Mond. Dirk Riegert meint dazu: „Im Spielverlauf wird man zwischen acht und zwölf dieser Sitzungen parallel laufen haben. Die Obergrenze ist eher für Anno-Profis. Der Normalspieler wird zwischen vier und sechs Sitzungen beackern und damit gut zurechtkommen." Revierkämpfe mit Computer-Baumeistern wird es übrigens nicht geben. Diese tauchen zwar als Konkurrenzfirmen in der Kampagne auf, spielen aber sonst keine aktive Rolle. Wie das von Blue Byte Mainz lediglich angedeutete Militärsystem dann allerdings funktionieren wird, ließen die Entwickler bislang unkommentiert.

Um den Mond zu besiedeln, erfordert es einen Raumhafen mit einer fortgeschrittenen Ausbaustufe. Dann kann ich mit einem vollgepackten Space-Shuttle gen Weltraum aufbrechen. Dort siedelt ihr in gewaltigen Kratern und schützt eure Kolonie mit Schildgeneratoren vor der Strahlung und einschlagenden Meteoriten. Auf dem Mond baue ich schließlich mithilfe von Baggern wertvolle Kreep-Mineralien ab und fördere Helium-3. Die aus Fusionsreaktoren gewonnene Energie beame ich sogar per Weltraumaufzug hinunter auf die Erde und kann damit meine Wirtschaft ein wenig entlasten. Im Umkehrschluss schicke ich per Handelsroute Nahrungsmittel auf den Mond, kann dort aber im Verlauf auch eigenes Mondgemüse und Astronautennahrung anfertigen.

Leider waren sowohl der Mond als auch die Handelsoptionen nicht zu 100% in die Alpha-Version implementiert. Speziell die Handelsrouten wirkten in sich noch allzu simpel. Hier wird Blue Byte Mainz laut eigener Aussage noch Feintuning betreiben und auch die Menüs aufhübschen. Dennoch machte Anno 2205 mit seinem frischen Zukunftsszenario wirklich Laune und begeisterte mich mit einer deutlich lebendigeren Spielwelt als noch im Vorgänger. Nette Details, wie etwa die besagten schwebenden Autos oder auch Rehe in Wäldern, machen Spaß und motivieren, mit der Kamera auch mal näher ans Geschehen heranzuzoomen. Viele - wie etwa beim Bahnhof - sind nur kosmetischer Natur, fügen sich aber dennoch nahtlos in die Spielwelt ein. Katastrophen wird es nicht geben, verriet Dirk Riegert im Gespräch: „Anno-Spieler wollen nicht, dass ein Zufallsereignis ihre Schöpfung zerstört. Die meisten haben sich diese Funktion genau ein Mal angeschaut und dann ausgeschaltet. Allerdings wird es wieder Monumente geben. Und in Zwischenmissionen baut man beispielsweise Dämme wieder auf und beeinflusst damit das Gesamtbild der Karten."

Ich hatte mit Anno 2070 meine Probleme. So viel Freude ich auch am grundlegenden Aufbau-Gameplay hatte, so störten mich die teils fummeligen Handelsrouten und die nervigen Computer-Gegner. Blue Byte Mainz räumt in Anno 2205 mächtig auf und schmeißt einige Altlasten über Bord. Dadurch spielt sich die Aufbau-Simulation intuitiver, bietet aber weiterhin mit komplexen Produktionsketten mehr als genügend Möglichkeiten zum Optimieren der eigenen Warenkreisläufe. Ich bin weiterhin sehr gespannt, wie sich Anno mit mehreren großen Karten anfühlt und wie die Handelsoptionen im fertigen Spiel aussehen. In den zwei Stunden mit der Alpha-Version kam nämlich beides ein bisschen zu kurz. Trotzdem: Anno 2205 scheint auf dem richtigen Weg und ich wittere schon unzählige durchzockte Nächte.

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