Act of Aggression - Test
Endlich ein neues Command & Conquer.
Erst in dieser Woche schrieb ich anlässlich des 20. Geburtstags von Command & Conquer, dass Electronic Arts sich doch mal wieder an einem neuen Teil versuchen könnte - ganz klassisch und ohne große Experimente. Vielleicht sollte man Eugen Systems diese Aufgabe übertragen, denn deren neuestes Werk - Act of Aggression - ist so ziemlich das, was einem neuen Command & Conquer derzeit am nächsten kommt.
In den letzten Jahren orientierte sich Eugen mit Titeln wie R.U.S.E. oder der Wargame-Reihe eher in Richtung Realismus, mit Act of Aggression kehrt man aber wieder zu seiner eigenen Vergangenheit zurück. Das Spiel ist im Grunde ein spiritueller Nachfolger zum 2005 veröffentlichten Act of War: Direct Action. Ein Strategiespiel, das ich als alter C&C-Veternan jahrelang gerne gespielt hätte, aber irgendwie kam ich nie dazu.
Was bedeutet das für die spielerische Seite von Act of Aggression? Nun, zum einen etwa deutlich weniger Mikromanagement als in den Wargame-Spielen. Ihr müsst euch hier zum Beispiel nicht um Nachschub und ähnliche Dinge kümmern. Habt ihr eine Einheit erst mal gebaut, funktioniert sie ohne weitere Einschränkungen, braucht keine Munition, keinen Treibstoff. Auf jeden Fall Stein, Schere, Papier, aber eher von der oberflächlichen Sorte, die nicht zu sehr bis ins letzte Detail geht.
Was das Szenario betrifft, könnte Act of Aggression fast ein C&C Generals 2 sein. In der Hauptkampagne spielt ihr Chimera, eine mit modernster Technologie ausgestattete Task-Force der UNO. Schauplatz ist das Jahr 2019 nach dem sogenannten „Shanghai Crash", dem vollständigen Zusammenbruch des chinesischen Finanzsystems, der die Welt in eine ihrer schlimmsten Wirtschaftskrisen stürzte.
Davon profitieren will eine Organisation, die sich selbst „das Kartell" nennt. Sie besteht aus einflussreichen Politikern, hochrangigen Offizieren, Industrie- und Medienmagnaten und PMCs. Ihr neuestes Ziel sind die Vereinigten Staaten, die sie in die Knie zwingen und kontrollieren wollen. In den zehn Missionen der Chimera-Kampagne geht es darum, ihre Pläne zu vereiteln. Im Spielverlauf schaltet ihr obendrein noch fünf Einsätze aufseiten des Kartells frei, wodurch man euch auch einen interessanten Einblick hinter die Kulissen dieser Organisation verschafft. Die dritte Fraktion, die US-Armee, ist unterdessen in Skirmish- und Online-Gefechten spielbar.
Wenn ihr schon mal ein Echtzeitstrategiespiel im Stil von Command & Conquer gespielt habt, kennt ihr den Spielablauf in Act of Aggression wie die eigene Hosentasche. Wobei sich das von Mission zu Mission ein wenig unterscheidet. Zu Beginn der Chimera-Kampagne spielt der Basisbau noch keine große Rolle, erst in späteren Einsätzen könnt ihr größere Stützpunkte errichten, platziert multifunktionale Verteidigungsanlagen, die standardmäßig mit MGs ausgestattet sind, sich aber sowohl mit Antifahrzeug- als auch mit Antiluftraketen aufrüsten lassen, und erforscht neue Technologien. Hier und da gibt es gewisse Unterschiede zwischen den Parteien. Chimera kann nach einem Upgrade Verteidigungsanlagen überall auf der Map erreichten, beim Kartell sind es Kasernen.
Gleichzeitig müsst ihr euch um die Rohstoffversorgung Gedanken machen. Mit Raffinerien holt ihr einerseits Öl aus dem Boden, das automatisch in Bares verwandelt wird, für höherstufige Einheiten, Gebäude und Technologien sind außerdem Aluminium und seltene Erdmetalle erforderlich. Nebenbei müsst ihr euch um Lager für besagte Rohstoffe kümmern und ebenfalls auf den Stromverbrauch eurer Basis achten - selbstverständlich kann es nicht schaden, stets ein Auge auf die Sammler zu haben, damit der Feind nicht eure Versorgung unterbricht.
Eine Besonderheit des Spiels ist, dass nach Gefechten manchmal verwundete Gegner auf dem Schlachtfeld zurückbleiben. Mit eigenen Soldaten könnt ihr diese in Kriegsgefangenschaft nehmen, was euch nicht nur einen einmaligen Credit-Bonus beschert. Wenn ihr ein Gefängnis errichtet oder eure Kaserne damit aufrüstet, könnt ihr so für einen niedrigen, aber konstanten Geldfluss sorgen. Das gilt übrigens ebenso für eroberte Bankgebäude, die ihr hier und da mal auf den Maps findet.
Bei den Kämpfen setzt das Spiel sein Stein-Schere-Papier-Prinzip konsequent um. Für jede Einheit gibt es die passende Antwort. Es gibt keinen allmächtigen Truppentyp, der im Alleingang alles in Schutt und Asche legt. Selbst wenn ihr etwa keine speziellen Antiluftfahrzeuge in euren Reihen habt, seid ihr nicht automatisch aufgeschmissen, da selbst einige normale Einheiten auf Helikopter und Jets feuern können - mit speziell dafür vorgesehenen Fahrzeugen oder Soldaten würde es lediglich schneller und effektiver gehen.
Eine weitere Sache, die ihr berücksichtigen müsst, ist der Umgebungsschaden. Eine Rakete sorgt zum Beispiel nicht nur bei einem einzelnen Helikopter für Schaden, sondern kann gleichermaßen andere rundherum treffen. Passt ihr nicht auf, segelt gleich eure gesamte, teuer zusammengekaufte Hubschraubergruppe gen Boden, weil ihr sie zum falschen Ort geschickt habt. Achtet daher sorgsam auf eure Truppen und schickt sie nicht blindlings in den Nebel des Krieges - der sichere Untergang könnte dort lauern. Letztlich kommt es oftmals auf die richtige Mischung aus kampfkräftigen Einheiten, Aufklärern und Unterstützungstruppen an - Haubitzen können aus sicherer Distanz dem Feind gehörig einheizen. Klasse statt Masse lautet hier das Motto. Nur weil ihr deutlich in der Überzahl seid, heißt das nicht zwingend, dass ihr auch siegreich sein werdet.
Wenn alles nichts mehr hilft, greift jede Seite auf ihre eigene Superwaffe zurück. Die US-Army setzt auf Atomraketen, Chimera setzt Railguns ein und das Kartell kann Orbitalangriffe anordnen. Solche Attacken können verheerenden Schaden anrichten, allerdings gibt es zum Beispiel auch Raketenabwehrsysteme, mit denen sich entsprechende Angriffe kontern lassen. Wie gesagt, für alles hat man die passende Antwort parat. Eines hätte man sich aber gerne von Command & Conquer abschneiden können: eine vernünftige Bauleiste. Für jeden neuen Bauauftrag müsst ihr zum jeweiligen Gebäude zurückkehren. Es wäre viel praktischer, gleich an der Front neue Einheiten in Auftrag geben zu können. Ein kleiner Schandfleck, aber kein Beinbruch.
Insgesamt spielt sich Act of Aggression eher flott, kein Vergleich zu den eher langsamen Wargame-Titeln. Meist ist immer etwas los und ihr werdet von einem Einsatzziel zum nächsten geschickt. Die Kampagne ist wiederum vernünftig erzählt - kein oscarverdächtiges Material, aber ganz okay und motivierend - und hat dabei einen überschaubaren Umfang. Während die ersten Missionen noch vergleichsweise schnell erledigt sind, ziehen sich spätere Einsätze schon mal ein wenig in die Länge, während ihr versucht, die richtige Taktik und Vorgehensweise für den Sieg auszutüfteln.
Habt ihr die Story-Missionen erfolgreich absolviert, könnt ihr euch in den Multiplayer-Part stürzen. Insgesamt 20 Maps verschiedenster Größen warten dort auf euch. Sie sind entweder auf Free-for-All-Gefechte ausgerichtet oder erlauben zusätzlich noch Teamgefechte. Auf den größten Schlachtfeldern tummeln sich derzeit maximal acht Spieler. Die Entwickler versprechen auch Matches mit bis zu 40 Spielern (20 vs. 20), ausprobieren konnten wir diese bislang allerdings noch nicht.
Habt ihr euch in den letzten Jahren ein neues Command & Conquer gewünscht, kommt Act of Aggression dieser Vorstellung wahrlich am nächsten. Das hier ist klassische Echtzeitstrategie mit Basisbau und ohne allzu detailliertes Mikromanagement, in die ihr euch nicht erst reinfuchsen müsst, um Spaß zu haben. Act of Aggression unterhält euch vielmehr gleich von der ersten Minute an und steigert sich von den anfänglichen, noch eher simplen Einsätzen hin zu Missionen, bei denen ihr erst mal die richtige Taktik finden müsst. Die Kampagne wird euch so einige Stunden beschäftigen, der Multiplayer-Part mit seinen drei unterschiedlichen Fraktionen bietet Potenzial für viele mehr. Wenn ihr klassische Echtzeitstrategie liebt, macht ihr mit Act of Aggression nichts falsch.