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Rise of the Tomb Raider - Test

Ein Hauch von Freiheit ist immer genug, um sich mehr davon zu wünschen.

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Ein hervorragendes Action-Adventure, das ein wenig vor dem modernen Spieler zurückschreckt: An einigen Stellen das Beste, was TR sein kann.

Rise of the Tomb Raider macht es fast richtig. Oder vielmehr: Es macht sehr vieles sehr richtig. Aber manchmal macht es etwas richtig richtig.

Es ist ein Spiel, bei dem man viel darüber nachdenkt, wie manche Spiele funktionieren und andere nicht. Oder wie sie es auf eine ganz andere Art tun. Das ursprüngliche Tomb Raider, eigentlich die meisten Spiele der Reihe bis zum 2013er Reboot, boten viele Ecken und Kanten, nicht im Sinne von fehlendem Schliff, sondern insofern, als dass es viel gab, wo man langhangeln konnte, aber nicht musste. Es gab sinnlose Wege und viele alternative, auf denen man ein Ziel erreichen konnte. Das bremste natürlich den Spielablauf, weil der Spieler viel herumkraxelte, wo nichts war, wo er nichts verloren hatte oder weil er einfach mal wieder die Orientierung verloren hatte. Das macht nicht immer Spaß, ganz im Gegenteil. Das Leveldesign der alten Tomb Raiders sollte man nicht auf einen Schrein stellen, sie hatten ihre Macken und davon mehr als genug. Aber in den besten Momenten vermittelt diese Freiheit dem Spieler eben das Gefühl, dass er seinen ganz eigenen Weg gegangen ist und das fühlt sich besser an als dirigiertes Parcourslaufen.

Rise of the Tomb Raider ist ein Spiel des Jahres 2015, was bedeutet, dass es, wenn es sich denn dem annähert, es von der anderen Seite aus tut. Hat man bei Tomb Raider alt das Gefühl, dass das Spiel um Räume, die in einer Engine gebaut wurden, herum entworfen wurde, dass man die Wege in eine bestehende Welt setzte, ist es heutzutage üblich, den Weg zu setzen und dann die Welt darum zu erschaffen. Das ist nicht weiter erstaunlich, wenn man sieht, wie detailliert und sekundengenau inszeniert solche Wege und ihre Welten mitunter sind. Uncharted ist bis heute der ungeschlagene Meister dieser Disziplin. Die Spiele, die beiden neuen Tomb Raiders eingeschlossen, sind sogar richtig gut darin, den Spieler so zu führen, dass er gar nicht groß den Wunsch hat, woanders langzugehen. Es würde keinen Sinn machen. Die unsichtbaren Wände sind nicht verschwunden, man ist halt der glückliche Truman, der nur bei schlechten Spielen dieser Art überhaupt noch merkt, dass er unter der Kuppel festsitzt.

Gestrandet in Sibirien, eine mörderische Geheimgesellschaft im Nacken, Bären in jeder Höhle? Nur ein weiterer Tag für eine Croft.

Rise of the Tomb Raider gelingt es in seinen besten Momenten jedoch, beides zu verbinden. Die Zielstrebigkeit eines Parcours-Spiels mit der Illusion der Freiheit in einer noch nie groß gewesenen Welt. In erster Linie geschieht das durch die neuen Gräber, von denen die Hälfte deutlich komplexer ausfiel als noch 2013. Ihr habt da riesige Kammern, in denen ihr teilweise eine sehr komplexe Abfolge an Dingen tun müsst, die sowohl etwas Hirn als auch Pad-Geschick erfordern und keineswegs nach dem ersten gelösten Physik-Puzzelchen beendet sind. Ihr habt die Freiheit, herumzugucken und zu wandern, zu testen, nachzudenken und zu versuchen. Es gibt zwar leider immer nur eine Lösung und letztlich auch nur einen Weg dahin, aber die Teile dafür liegen so geschickt verstreut, dass sich das Zusammensetzen nicht vorherbestimmt anfühlt - auch wenn es das natürlich ist -, weil es eben die Möglichkeiten gibt, es links und rechts und sinnlos zu versuchen, bevor es passt. Gerade diese Puzzles, von denen sich auch ein paar in den eigentlichen Spielablauf verirrt haben - die Gräber sind optional -, erinnern gekonnt an die besten Momente, die ein gutes Tomb Raider bieten kann.

Das gilt bis zu einem gewissen Grad auch für die freien Areale, von denen es im Grunde drei gibt. Das zugefrorene Sibirien ist bekannt, es folgen noch zwei Orte, die durchaus genug Abwechslung zum Schnee bieten. Der Zielmarker bestimmt, wo es weitergeht und wie ihr da hinkommt, ist auch nie ein großes Rätsel. Es gibt jedoch eine Menge entlang des Weges, was erkundungswürdig sein kann, denn das gute, alte „da liegt was, ich will es haben, auch wenn ich es sicher nicht brauche", wenn denn der Weg dorthin interessant genug ist. Ist er. Manchmal. Aber am Ende hätte ich mir gerade hier mehr Klasse statt Masse gewünscht. Es gibt wahrscheinlich kein dermaßen sammelwütiges Spiel wie dieses - jedenfalls keines, das sich nicht um seltsame Taschen-Monster dreht. Ihr habt in praktisch jedem Level und den größeren Arealen sowieso Dokumente, Wandgemälde, Relikte, Ressourcenverstecke, Krypten, die Gräber sowieso und noch einiges mehr, was ihr horten und abhaken könnt.

Einiges sucht man gern, vor allem die Dokumente, die die Geschichte und Welt elegant ergänzen, anders nimmt man mit, weil es auf dem Weg liegt, vieles ist einem schlicht egal. Hätte man das alles auf die Hälfte eingedampft, aber dafür eleganter versteckt als es hier meist der Fall ist, käme einem das Sammeln nicht so sehr wie eine optionale Arbeit vor, die einem immer mit Prozentzahlen und „Gefunden!"-Listen vor die Nase gehalten wird. In alten Spielen krebste man zu oft irgendwo rum, ohne dass da irgendwas war. Hier stolpert man alle paar Meter über etwas, egal ob man es nun suchte oder nicht. Das ist auch kein reines „wünsch Dir was", der erste Teil machte das besser. Er nutzte zwar teilweise auch die Gießkanne, aber nicht annähernd so exzessiv wie hier.

Diesmal mehr das...

Um noch einmal bei den Gräbern zu bleiben, ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage es gibt neun davon und davon sind drei genial, zwei gut und der Rest, gerade mit Blick auf diese anderen dann, ziemlich belanglos. Das wäre nicht so wild, wenn das nicht auch genau ihre Reihenfolge im Spiel wäre. Einige der ersten Gräber sind so gut, dass man sich auf jedes weitere freut und dann immer mehr enttäuscht wird. Gäbe es hier einen Mix, würde es einem gar nicht so auffallen, aber dass gerade die letzten so sehr schwächeln, lässt schon den Verdacht aufkommen, dass am Ende die Zeit bei der Entwicklung eher knapp wurde. Da trösten dann die Puzzlestellen im eigentlichen Spielverlauf zum Glück ein wenig drüber hinweg.

Was viele (die meisten) freuen dürfte ist, dass nun deutlich weniger geballert wird, auch dadurch, dass ihr in den freien Arealen mehr sucht und rätselt als zuvor. Klar gibt es genug Story-Passagen, vor allem im letzten Abschnitt, wo es um den guten Umgang mit dem Bogen geht, aber so ist das nun mal, wenn die Guten und die Bösen aufeinandertreffen. Diese Art von Action ist damit nun deutlich komprimierter, was dem Pacing des Spiels sehr gut tut. Ein gesunder Mix aus Klettern, Ballern und Erkunden. Die Action im Kampf selbst hat sich im Vergleich zum Vorgänger nicht groß gewandelt - was eigentlich auf fast alle Mechaniken des Spiels zutrifft. Es ist solide und präzise auf größere Distanzen, insbesondere mit dem Bogen kann man viel Spaß haben.

Geht es in den Nahkampf wird es schnell ein wenig frustrierend, weil man das zu einfache Ausweichen und Kontern des Vorgängers deutlich verschärfte und nun Ausweichen zwar kein Problem ist, einen Konter zu landen aber schon. Das macht die zuvor nahtlosen Wechsel zwischen Bogenschießen und direkter Abwehr mit der Axt weit weniger effektiv. Das allein wäre nicht schlimm, aber der Nahkampf lässt leider die Präzision vermissen, die manch andere Spiele in solchen Situationen dann doch ganz gut hinbekommen. Auch ist es auf „normal" schlicht zu leicht. Ihr haltet eine Menge aus, die KI bekleckert sich nicht mit Ruhm, man stirbt einfach nicht so schnell hier. Spielt direkt auf dem dritten der vier Schwierigkeitsgrade, zumindest, wenn ihr gelegentlich das Gefühl von Gefahr im Kampf haben wollt. Egal, was den Bogen angeht, macht Lara keiner so schnell was vor und da ein guter Bogen jedes Spiel besser macht, ist das viel wert.

...als das. Sicher keine schlechte Entwicklung.

Hm, jetzt habe ich über 1000 Wörter geschrieben, aber eben das erste Mal die Protagonistin namentlich genannt. Das war nicht geplant, aber passt perfekt zu dem Spiel. Tomb Raider bemühte sich, der Figur einen Hintergrund zu geben, kümmerte sich um ihre Origin-Story und unabhängig davon, ob ihr das jetzt gelungen fandet oder nicht, sie stand im Zentrum. Rise of the Tomb Raider hat zwar einen ebenso erzwungenen wie holprigen Versuch narrativer Psychologie da irgendwo eingearbeitet, indem Lara Schuld und Vergebung in Beziehung zu ihrem Vater verarbeitet, das hat aber denkbar wenig Relevanz für die Figur wie auch für die eigentliche Geschichte.

Lara ist ein klassischer Action-Held und kommt damit Indy näher als je zuvor. Man hat nie den Eindruck, dass die Suche nach dem McGuffin der Woche mehr ist als ein normaler Tag im Leben einer Lara Croft. Man fährt wo hin, weil es da sein soll, dann erschießt man ein paar Typen, kraxelt irgendwo rum und pisst einer wahnsinnig mächtigen Organisation ans Bein. Im Grunde nicht viel anders also als Indy 1, 3 und (Grumpf) 4. Das funktioniert auch wunderbar, zumal sich die zwischenzeitlich etwas bemüht auf Religiöses getrimmt anfühlende Geschichte - beileibe kein seltenes Thema im Genre - am Ende elegant auf eine Mischung aus Mythos und Bodenständigkeit einigt. Trotzdem, war Tomb Raider für Lara Croft das erste, einschneidende Abenteuer, ist dieses mehr ein weiteres, das irgendwo zwischen all den anderen stecken könnte, die sie schon erlebt hat. Sicher kein Schlechtes, ganz im Gegenteil, aber auch nicht das alles andere neu Definierende.

In einigen Passagen das Beste, was Tomb Raider sein kann: Hirn an, Geschicklichkeit geschult und die Waffe stecken lassen.

Wie immer macht bei solchen Action-Abenteuern die Inszenierung viel aus und hier gibt sich das Spiel keine großen Blößen. Wenn es kracht, dann kracht es gut, wenn nicht, dann sieht es immer noch nach was aus. Was dem Spiel ein wenig abgeht, sind die subtileren Spannungs-Zwischentöne, das Hangeln an einem schmalen Grat, das Auskosten des Stealth. Das Spiel möchte zu schnell weiter, es spielt einfach nicht mit den Momenten, die es aufbaut und so geht es dann auch immer wieder gleich in den Ruhe- oder Action-Modus. Das ist insoweit schade, als dass Crystal Dynamics das Kamera-Spiel der Third-Person wie kaum ein anderer beherrscht und immer den richtigen Winkel findet, um das Geschehen perfekt einzufangen. Es gab im ganzen Spiel - und ich habe es laaange gespielt - nicht einen Kamera-Aussetzer, der relevant gewesen wäre bei einer kritischen Situation und vielleicht eine Handvoll, die überhaupt vorkamen.

Auch sonst läuft es technisch extrem rund und sieht hervorragend aus. Das Farb- und Welt-Design ist mir ein wenig zu bodenständig, der Vorgänger war deutlich intensiver und phantasievoller, dafür ist die Detaildichte vor allem aus der Nähe durchaus überzeugend. Es wird getrickst und das merkt man in der Ferne, wenn man erst die Welt nach irgendeinem Sammel-Objekt mit dem Fernglas absucht, aber dann merkt, dass gewisse Details erst relativ spät ins Bild geholt werden. Das Spiel kaschiert das so geschickt, dass man im Normalfall davon praktisch nichts mitbekommt, aber hier und da sind halt die fernen Pop-ups und Halb-Texturen vorhanden. Geht die Welt nicht von unter, Rise of the Tomb Raider ist ein schönes wie auch schön inszeniertes Spiel.

In was man scheinbar durchaus einiges an Mühe steckte ist eine Art Challenge-Modus, der euch zig Level - direkt aus dem eigentlichen Spiel genommen - und sogar ein paar verschiedene Spielmodi bietet. Es ist nettes, unkompliziertes Ballern und ich muss zugeben, dass ich damit mehr Spaß hatte als erwartet. Ich mag den Bogen und ein Spielmodus, in dem ich damit einfach für ein paar Minuten rummarodieren kann, da werde ich mich nicht beschweren. Auch nicht über das etwas eigenwillige Micropayment-Konzept. Ihr könnt Sammelkarten kaufen, die euch Boni oder Mali geben. Manche Sachen verbessern zum Beispiel eure Waffe, ihr bekommt aber weniger Punkte, wenn ihr sie einsetzt. Andere lassen Feinde zufällig explodieren, wenn ihr ihre Leiche plündern wollt. Solche Karten geben euch einen dicken Bonus, aber erhöhen natürlich auch das Risiko. Es ist ein witziges System, für das ihr auch immer wieder mal genug Punkte bekommt, um euch so ein paar Karten zu gönnen, aber ich sehe mich hier einfach kein Geld ausgeben. Trotzdem, der Modus an sich ist mit seinen komplexen Punkte-, Challenge- und Modifizierung-Systemen erstaunlich tiefgängig und motivierend, auch ganz ohne einen Cent extra zu bezahlen. Kudos, ein Extra-Modus inklusive Micropayment, den ich rundheraus gutheißen kann, das ist selten genug.

Rise of the Tomb Raider ist die sehr solide Fortsetzung eines wirklich hervorragenden Spiels und als solches selbst und für sich immer noch ausgezeichnet. Die Action-Mechaniken sind solide, die Welt bietet genug Geschichte und Auslauf für Erkundungen, die Gräber zeigen diesmal wirklich, dass man das alte Tomb-Raider-Flair des Erforschens und Puzzelns sehr gut mit dem neuen Gewand verknüpfen kann. Es ist schade, dass das Spiel das nicht öfter tut und sich zu sehr auf seine schön gestalteten Parcours verlässt.

Was die Figur der Lara angeht, ich denke, ein Problem ist der Mangel an Humor und festen Sidekicks. Beides hatte sie noch nie gehabt, aber damals war es auch eine andere Zeit. Weder Indy noch Nathan Drake würden ohne beides so gut sein, wie sie es sind und ohne die Origin-Story des letzten Tomb Raider - wie gesagt, von der man halten kann, was man möchte, aber sie war da - bleibt nicht viel. Ihre Probleme mit Papi aufzuarbeiten ist nichts, was mich auch nur annähernd so interessiert und dem Spiel scheint es da nicht anders zu gehen. Trotzdem, zu sagen, dass ich die etwas über 20 Stunden aus Erkunden, Rätseln und Ballern nicht genossen hätte, wäre schlicht gelogen. Rise of the Tomb Raider bewegt das Konzept weiter auf der Suche nach der goldenen Mitte zwischen modernem Action-Adventure-Design und den Stärken der alten Spiele. Das Ergebnis ist noch nicht da, wo es eines Tages (hoffentlich) sein wird, aber das hält es nicht davon ab, ein verdammt gutes Spiel zu sein.

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