Fünf Arten, auf die Xbox-One- und 360-Spiele von Scorpio profitieren
Bessere Bildraten, kein Tearing, schnellere Ladezeiten und mehr.
Die nächste Xbox, Codename Scorpio, bietet eine hundertprozentige Kompatibilität mit jeder Software, die auch auf der Xbox One läuft, seien es die neuesten Triple-A-Titel oder jedes der mehreren Hundert Xbox-360-Spiele, die dank Abwärtskompatibilität auf der Xbox One verfügbar sind.
Alles sollte also erst einmal sowieso problemlos funktionieren, aber dank der Power der Scorpio Engine, die die bereits erhältlichen Spiele unterstützt, wird es mehr als nur das sein. Ausgehend von dem, was das Xbox Hardware-Team sich vorstellt, werden die Spiele, die ihr schon habt, schneller laufen, besser aussehen und zügiger laden.
Das ist eine beachtliche technische Leistung, denn obwohl die Konsole vom Start weg so gebaut wurde, dass sie alle Inhalte abspielen kann, gibt es eine Reihe von Design-Entscheidungen, die diese Aufgabe weit schwieriger gestalten, als es hätte sein können. Um es ganz simpel zu sagen: Es gibt eine einfache Art, es zu machen - das ist der PlayStation-Pro-Weg - und eine schwierige Art. Diesen Weg nimmt Scorpio.
"Wenn es um das Entwerfen der Kompatibilität geht, gibt es zwei Entscheidungen aus Sicht der Performance", so Microsofts Technischer Leiter, Andrew Goossen. "Einer ist, die Hardware so zu designen, dass sie alle Performance-Details der Original-Konsole so nah wie möglich emuliert. Der andere Weg ist, die Performance bis zum Anschlag aufzudrehen und sich dann um die dadurch entstehenden Probleme zu kümmern."
Was Goossen beschreibt, ist der "Emulations"-Ansatz in Sonys PS4-Pro-Design. Sonys neueste Konsole nutzt einen "Schmetterlings"-Ansatz beim GPU-Design, der die GPU des Grundsystems nimmt und mit 18 Recheneinheiten extra bestückt, was die Leistung verdoppelt (mehr noch, wenn die höheren Frequenzraten dazukommen). Mit diesem Ansatz kann Sony absolute Kompatibilität sicherstellen, indem einfach die neue, zusätzliche Hälfte der GPU abgeschaltet wird. Es ist eine elegante Lösung, aber es ist auch inzwischen klar, dass der Boost-Modus nicht die ganze Leistung der Pro bei bestehenden Titeln freisetzt.
Microsoft hat sich für den schwierigeren Weg entschieden - und das aus einer Notwendigkeit heraus. Es gibt nicht die Möglichkeit, einfach das bestehende Design zu verdoppeln, da die Scorpio eine radikale Umstrukturierung in der Architektur darstellt. Hier liegt es dann am Plattformhersteller dafür zu sorgen, dass es keine Kompatibilitätsprobleme gibt, aber es gibt auch einen Vorteil: Anders als beim Boost-Modus der PS4 Pro ermöglicht es Scorpio theoretisch, die volle Leistung der Konsole auf die alten Spiele loszulassen. Es gibt fünf Arten, auf die Scorpio das Spielerlebnis bestehender Xbox-One-Titel verbessern kann - und das sollte auch auf Xbox-360-Spiele zutreffen.
1. Flüssigere Performance ohne Screen-Tearing
"Wir gehen mit allen 40 Recheneinheiten und der vollen 1172 MHz Taktung der Scorpio-GPU los und das für alle möglichen Spiele," so Andrew Goossen. "Dazu muss ich später noch eine Einschränkung anbringen, was das Testen der Kompatibilität angeht und was das bedeutet. Aber wir können alle 40 Recheneinheiten nutzen, die vollen 1172 MHz und natürlich die vollen 2,3 GHz der CPU."
Das bedeutet in der Praxis, dass Spiele, die auf der Xbox One nicht ganz ihre angepeilte Bildrate erreichen, auf Scorpio eine gute Chance haben, das zu schaffen. Um es aber ganz klar zu sagen: Wir werden nicht sehen, dass Spiele, die bisher mit 30 Frames liefen, das nun mit 60 über die Mattscheibe flitzen. Das Spiel selbst setzt seine Ziel-Bildrate und der Scorpio selbst ist es nicht möglich, diese Grenzen zu ändern.
Es wird aber die volle Leistung von sechs Teraflops genutzt, um die bestehenden Spiele laufen zu lassen. Es gibt hier so viel reine Leistung, dass Microsoft sogar einen Schritt weitergehen kann. Goossen: "Wir nehmen den Ansatz, den wir schon bei den 360-Spielen auf der One genutzt haben, wo ihr niemals einen Screen-Tearing sehen werdet, schlicht, weil einfach genug Leistung vorhanden ist."
2. Maximale Auflösung bei dynamisch skalierenden Titeln
Eine beliebte Technik in der Spielentwicklung ist das dynamische Skalieren der Auflösung. Die Idee ist einfach: Wenn ein Spiel Gefahr läuft, seine Ziel-Framerate zu verpassen, seien es 30 oder 60 Frames, dann skaliert der Titel die Auflösung runter und läuft dann mit niedriger Auflösung und der angestrebten Framerate flüssig weiter. Es gibt viele Spiele, die das unterstützen: Doom 2016, Halo 5, Gears of War 4, Call of Duty: Infinite Warfare und The Division, um nur einige zu nennen.
"Mit der zusätzlichen Leistung der Scorpio-Engine erwarten wir, dass diese Spiele ihre maximale Render-Auflösung erreichen," so Goossen. "Wie ihr wisst, können wir es nicht auf 4K boosten, aber es wird die maximale Auflösung sein, in der jedes dieser Spiele laufen kann.
Wir freuen uns insbesondere auf einen Titel: CP Project REDs The Witcher 3. Der Entwickler sagt, dass es dynamische Auflösung nutzt, aber wir haben bisher nicht beobachtet, dass es die 900p-Grenze sprengen würde. Jetzt, mit der 4,6-fachen Leistung der Scorpio, sollte es nicht nur die 1080p erreichen, sondern auch noch die Unregelmäßigkeiten in der Performance ausbügeln.
3. Verbesserte Texturfilter
Auflösung ist wichtig und ein definierender Aspekt der Bildqualität, aber nicht der Einzige. Textur-Filtering ist nicht weniger bedeutend - und das ist ein Element, bei dem uns Xbox One und PS4 ein wenig enttäuscht haben, vor allem im Vergleich zu den gleichen Titeln auf dem PC, wo ein volles 16x anisotropisches Filtering einen großen Unterschied machen kann.
"Wir erweiterten die Hardware um die Fähigkeit, alle bilinearen und trilinearen Fetches mit anisotropischen zu überschreiben." So Goossen. "Und dann drehen wir Anisotropisch auf das Maximum. Alle unsere Titel werden standardmäßig voll anisotropisch laufen, wenn ihr sie auf der Scorpio spielt."
Ein hochwertiges Texturfiltering wird einen spürbaren Unterschied bei einer großen Anzahl von Xbox One Titel bewirken, vierfaches anisotropes Filtering war auf der Konsole vermutlich die populärste Qualitätseinstellung. Der Sprung zu 16x - auf der Systemebene durch die Back-Compat-Engine erzwungen - ist ein riesiger Segen, insbesondere zusammen mit dem völligen Fehlen von Screen Tearing und der besseren allgemeinen Performance. Weitere gute Neuigkeiten: Diese neue Funktion erstreckt sich auch auf Xbox-360-Spiele.
4. Scorpio Game-DVR-Untestützung
Microsofts Pläne für die GameDVR-Funktion auf der Scorpio sind beeindruckend - das Hardware-Team bohrt dank dem hocheffizienten HEVC-Codec für unverfälschte visuelle Qualität den Medienrekorder der neuen Konsole soweit auf, dass Videoaufnahmen in 4K60 ohne Performance-Probleme möglich sind. Game DVR funktioniert auch bei abwärtskompatiblen Titeln, was einige wichtige Vorteile hat.
"Auch wenn eine Menge von diesen Inhalten 1080p sein wird, haben wir den Vorteil von HEVC - der ultra-hohen Bitrate -, sodass wir in der Lage sind, diese retroaktiven Bildschirmaufnahmen in einer wirklich hohen Qualität zu machen."
"Retroaktive" Screenshots sind eine neue Funktion des Scorpio GameDVR. Die Anwender haben die Möglichkeit, ihre Aufnahmen Frame für Frame genau zu durchstöbern, sodass sie exakt den Screenshot auswählen und abspeichern können, den sie wollen. Ihr werdet nicht in 4K aufnehmen können - das macht keinen Sinn bei 1080p-Inhalten - aber unserer Meinung nach wird Microsoft in der Lage sein, die gleiche Stufe der Video-Kodierungs-Bandbreite für 1080p Videos zu verwenden, was eine bessere Qualität nach sich zieht.
5. Schnellere Ladezeiten
In einer Welt, in der ein Kampagnen-Level von Battlefield 1 bis zu zwei Minuten lädt, ist dies eine besonders willkommener Bonus. "Wir können sagen, dass die Spielladezeiten wesentlich schneller sind", so Goossen. "Es gibt drei Gründe, wieso wir das behaupten - einer davon ist der CPU Boost. Die 31 Prozent erhöhte Taktfrequenz hilft Spielen, bei denen die CPU in Bezug auf ihre IO den Flaschenhals darstellt."
Daten, die von einer Festplatte gestreamt werden, sind oft komprimiert, weshalb sie von der CPU erst dekomprimiert werden müssen. Der höhere Takt aller CPU-Kerne kann hier einen Unterschied machen - manchmal sogar einen ganz Gewaltigen. Paradebeispiel: The Division kann auf dem PC tatsächlich alle sechs Kerne und 12 Threads einer übertakteten Intel Core i7 3930 CPU nur durch das Laden von Inhalten auslasten.
"Der zweite Grund ist, dass wir die Geschwindigkeit der Festplatte erhöht haben" fügt Goossen hinzu. "Wir versprechen Entwicklern derzeit eine 50 prozentige Verbesserung der Gesamtbandbreite für die Nutzung von 4K Texturen. Doch auch uns hilft das in Situationen, in denen man Xbox-One- und Xbox-360-Titel spielt. Sie werden ebenfalls von der schnelleren Festplatte profitieren."
Das ist nur ein Beispiel dafür, wie die verbesserte Hardware der Scorpio auch für andere Systembereiche von Vorteil sind - ein Punkt, der auch beim dritten und letzten Grund ins Spiel kommt, wie die Scorpio die Ladezeiten von abwärtskompatiblen Titeln verbessern will. Die neue Konsole offeriert den Entwicklern acht Gigabyte RAM, bisherige Xbox-One-Titel sind aber so entworfen, dass sie nur fünf Gigabyte nutzen - etwas, dass das Hardware-Team zu seinem Vorteil nutzt.
"Wenn Xbox-One-Spiele fünf Gigabyte beanspruchen, haben wir drei Gigabyte übrig. Wir machen daraus einen Cache für Systemdateien. Irgendwelche sich wiederholenden IOs - wenn du in ein Rennen startest oder herauskommst oder wenn du einen Kampf beginnst oder beendest - erhalten auch dort einen schönen Schub bei den Ladezeiten."
Gibt es einen Haken?
Auch wenn das alles zu gut klingt, um wahr zu sein, gibt es einen kleinen Nachteil. Einige der Verbesserungen können zu Kompatibilitätsproblemen bei einem sehr kleinen Prozentsatz von Titeln führen, was bedeutet, dass Bestimmte der oben aufgeführten Verbesserungen nicht bei allen Spielen greifen werden. Es ist ähnlich wie beim Boost-Modus der PS4, der insgesamt eine große Kompatibilität bietet, jedoch bei einer kleinen Minderheit der Bibliothek seine Probleme hat. Der Unterschied ist, dass Microsoft in diesem Fall sicherstellt, dass alle Titel funktionieren. Das bedeutet wiederum, dass einige der fünf oben genannten Vorteile möglicherweise zurückgeschraubt werden müssen. Die Verantwortung liegt beim Plattformhersteller, sicherzustellen, dass alles richtig funktioniert.
"Wir werden diejenigen sein, die sicherstellen, dass eure Spiele aus diesen fünf Features das Beste machen." erklärt Andrew Goossen. "Es wird ein paar Fälle geben, in denen wir einige dieser Eigenschaften etwas herunterschrauben müssen… Beispielsweise müssen wir bei manchen Spielen eventuell die Anzahl der CUs reduzieren, um die Kompatibilität mit diesem Titel beizubehalten. Das sind alles Dinge, die Microsoft macht, die wir schon immer gemacht haben, auch im Bezug auf alle 360-Titel auf der Xbox One. Wir stellen nur sicher, dass es so gut wie möglich auf der Scorpio läuft und wir freuen uns sehr, dass Scorpio wirklich der beste Platz sein wird, um sämtliche Xbox-Inhalte laufen zu lassen."
Was ganz klar aus unserem Briefing bezüglich der Scorpio-Abwärtskompatibilität hervorgeht: Microsoft nimmt diesen Aspekt sehr ernst - und das zu Recht. Die Vorstellung der PC-ähnlichen Beweglichkeit der gesamten Spiele-Bibliothek ist eine sehr verlockende Aussicht - etwas, das hoffentlich auch Sony mit an Bord nimmt, wenn es um die Entwicklung der PlayStation 5 geht. Es ist vielleicht ein weiteres Zeichen, dass sich Konsole und PC annähern. Ihr bekommt direkt aus der Schachtel eine Steigerung, wenn ihr neue Hardware kauft - obwohl die Bildraten und Auflösungsbeschränkungen die Skalierbarkeit vergleichsweise beschränken.
Mehrere Male während unseres Tages auf dem Microsoft-Campus kam dieses Thema auf. Das Team zielt darauf ab, die - wie Mike Ybarra es nennt - "die mächtigste Konsole der Welt, die die besten Versionen der Spiele liefert" zu schaffen. Es ist ein Statement, das wohl die neuesten und die größten Multiplattform-Titel abdecken soll, doch wenn das auch für die bestehende Xbox-Spielebibliothek, bis zurück zur Xbox 360 abdeckt, ist das für uns absolut in Ordnung.