Project Cars 2 - Test
Alles wird besser und richtig gut war es ja vorher schon.
Viele Füchse sind der Hasen Tod und diese Hasen sind aktuell die Brieftaschen der gar nicht mal so zahlreichen Auto-Gaming-Fans. Die Füchse reihen sich aber auch hintereinander, dass es langsam nicht mehr feierlich ist und herausgeputzt haben sie sich auch alle, als gäbe es kein Morgen. Codemasters produziert in solider Frequenz, Assetto Corsa und Project Cars sind noch kaum verdaut, vor Weihnachten stehen noch Forza 7 und GT Sport auf dem Programm, F1 2017 ist keine paar Wochen her. Selbst WRC 7 ist okay. Aber wenigstens "nur" okay, denn dann kann man wenigstens mal einen auslassen und muss sich nicht zu schlecht fühlen. Project Cars 2 auszulassen wäre dagegen Sünde, fast so sehr wie die V6-Motoren der F1 gut zu finden.
Natürlich hat jeder dieser Titel auch seine Nische in der Nische und Project Cars teilt sich diese mit Assetto Corsa auf der Jagd nach der ultimativen Simulation eines vierrädrigen Untersatzes. Jedes vierrädrigen Untersatzes. Auf jeder möglichen Strecke und bei allen möglichen Streckenverhältnissen. Laser- und Drohnen-vermessene Strecken treffen auf komplexe Physikmodelle, die jede Form von Traktion und das Verlieren dieser auf den Punkt simulieren sollen. Ihr sollt in virtuelle Gefährte steigen, die in der Realität eigentlich als der Ausbruch fehlgeleiteter Dekadenz keinen Platz haben sollten, aber viel zu cool sind, sie eben nicht doch zu bauen.
Dabei spielt das Handling eine große Rolle und dieses war auch ein großer Kritikpunkt des ersten Teils. Und ja, die Jagd nach dem Realismus bedeutet auch, dass wir dort niemals ankommen, solange wir nicht physisch einen GTR3 unter dem Hintern haben. Was sich deutlich anders anfühlt, als egal welche Simulation in egal welchem Rennsessel zu spielen, das kann ich euch sagen. Project Cars neigte dazu, euch übermäßig abzustrafen, wenn ihr mal die Bodenhaftung verlieren solltet. Ein zartes Ausbrechen konnte schnell in ein leichtes Schwimmen ausarten, das Schwimmen leicht in ein brutales Ausbrechen des Hecks und das in eine wilde Drehung mit 160 Sachen. Ihr musstet extrem diszipliniert fahren, dann konntet ihr die Kontrolle behalten. Arcade-Anspruch? Nicht vorhanden. Realismus? Hoch, aber zu feinfühlig.
Auf die Arcade pfeift Project Cars 2 euch was, im Gegensatz zu dem freundlichen Dirt 4 mit seinem "Gamer"-Modus lässt sich das Biest hier zwar ein wenig bändigen, aber ein nettes Haustier wird daraus nicht mehr. Aber es ist auch nicht mehr so unberechenbar. Die Bodenhaftung beginnt langsamer zu schwinden und die Auswirkungen sind nicht annähernd so drastisch. Ihr habt vor allem mit einem Rennsetup viel mehr Feingefühl und auch Feedback seitens des Spiels, wie sich der Wagen unter euch verhält und Gegenaktionen werden entsprechend der Eigenschaften des jeweiligen Autos gefühlvoller umgesetzt. Wo ihr im ersten Teil in Sekundenbruchteilen wusstet, dass nichts mehr zu retten war, spürt ihr hier deutlicher diesen Moment nahen und könnt eleganter dagegenhalten, sei es durch mehr Bremsdruck oder leichtem Lenkeinschlag, ohne gleich Angst haben zu müssen, dass alles nur noch schlimmer wird. Außer natürlich ihr donnert mit 160 in eine Haarnadel und hofft, dass die Handbremse es schon richten wird.
Am beachtlichsten ist die Änderung des Fahrgefühls aber am Pad. War Project Cars noch ein Spiel, das man eigentlich nur Rennsessel-Enthusiasten ohne Wenn und Aber ans Herz legen konnte, kann diese Einschränkung nun wegfallen. Sicher, mit einem Lenkrad ist es immer noch besser, dieses Gefühl lässt sich nicht eins zu eins auf einen winzigen Stick bringen. Aber direkt aus der Packung und ohne Besuch in den extrem umfangreichen Optionen - auch für jeden noch so kleinen Aspekt der Pad-Steuerung - lenkt es sich mit dem Konsolen-Mittel der Wahl hervorragend. Präzise und ohne die permanente Angst des halbautomatischen Kontrollverlusts vor jeder noch so unbedeutende Kurve treibt ihr die Vehikel sicher über die Piste. Klar, ein wenig Übung ist nötig, vor allem wenn man seine Zeit zuvor mit Forza oder Driveclub verbrachte. Aber wenn ihr nach ein paar Stunden erst mal drin seid, dann seid ihr drin und habt ein echtes Gefühl von Beherrschung statt dem Eindruck, dass das Spiel euch nur für ein paar Sekunden am Stück gewähren lässt.
Was auf jeden Fall gut gelöst wurde, ist das mögliche Ausmaß an Einsteigerfreundlichkeit, etwas dass der Erste für weitestgehend optional hielt. Hier habt ihr eine kurze Erklärung auf den exakten Punkt zu allen Optionen, ein paar Sätze zu jedem Menü. Ein Setup, mit dem man sich erst mal nicht weiter beschäftigen muss, sondern gleich loslegen kann. Sogar eine Art Auto-Tuning-Hilfe, um sich nicht in diese erneut extrem tiefen Untiefen stürzen zu müssen. Project Cars 2 wird damit zwar kein einfaches Spiel, aber doch eines, das auch Einsteiger oder Gelegenheits-Racer zumindest freundlich willkommen heißt, bevor es ihnen dann die schmerzhafte Realität zeigt, die da heißt, dass ein 700-PS-Auto nicht leicht zu handhaben ist.
Was den Umfang angeht: Es ist aberwitzig. Erst einmal ist es so, dass es jetzt nicht nur eine Karriere gibt, die der erste Teil weitestgehend vermissen ließ und damit auch ein gewisses Maß an Struktur für den Solospieler. Ihr habt immer noch die Freiheit, fast alles zu ignorieren, was ihr nicht spielen möchtet und euch die Klasse an Autos herauszupicken, die ihr fahren wollt, aber eine Reihe von Sonderevents lassen keine Art von möglicher Monotonie aufkommen. Es gibt nicht nur immer etwas zu tun, es ist auch fast immer etwas, das Spaß macht und sich genug von dem unterscheidet, womit ihr sonst eure Karrierepunkte sammelt. Damit am Ende aber immer noch eine Karotte hängt, der ihr für eine Weile folgen könnt, sind die Rennserien am obersten Ende gesperrt. So ergibt sich eine gute Mischung aus der Freiheit des ersten Teils und der Zielstrebigkeit anderer Spiele in diesem Punkt.
Die Menüs wurden generell etwas aufgeräumt und so kommt ihr auch leichter an die Massen des Contents für jeden - die fast unzähligen Strecken und Autos -, aber auch an all die Dinge hinter den Kulissen, seien es die Optionen, die gefühlt an jedes mögliche Detail denken wie auch die Tuning-Optionen. Egal, wo ihr euch in Project Cars 2 bewegt, es geht etwas zügiger und schlüssiger als im Vorgänger. Gut so, denn schließlich gibt es von allem mehr. Die Zahl der Strecken ist nun... GROß! 30 Rennserien, 60 Locations, über 135 Streckenvariationen. Allein alle einmal anzuspielen ist an einem Abend kaum zu schaffen, geschweige denn zu meistern. Auch die Zahl der Autos ist mit fast 200 groß genug, um Autonarren zu erfreuen, für jeden etwas Geeignetes im Programm zu haben und nicht zu schnell Langeweile aufkommen zu lassen.
Noch beeindruckender als die schiere Zahl der Strecken ist aber das, was sie wetterseitig durchmachen. Ihr stellt nicht nur das Wetter von Sonne bis Schneesturm ein, ob dieses sich dynamisch über ein Rennen hinweg verändern soll, sondern auch die Jahreszeit, die dann den Look, aber auch die Eigenschaften der Strecke verändern. Eine warme Strecke lässt sich anders handhaben als eine kalte oder gar überfrorene. Und ja, es gibt Eisstrecken. Viel Spaß mit diesem schicken Porsche, hier trennt sich der Spreu vom Weizen, was die Beherrschung des Autos angeht. Vor allem aber die Dynamik des Wetters ist ein neuer Level. Regen sammelt sich in größer werdenden Pfützen, die Strecke trocknet langsam wieder, ihr merkt immer genau, wie sich das auf die Reifen auswirkt. Und da ihr sogar echte 24 Stunden einstellen könnt - auf jeder Strecke, nicht nur Le Mans -, hat das Wetter viel Gelegenheit verrückt zu spielen. Dazu noch sieht es absolut fantastisch aus und so geht der Wanderpokal des besten Wetters und seiner Simulation für den Moment an Project Cars 2.
All diese Features könnt ihr online auskosten, wobei hier auch ein wenig ausgebaut wurde, wenn auch nicht ganz so exzessiv wie in anderen Bereichen des Spiels. Natürlich kommt auch hier die Vielfalt an Events zur Geltung, egal ob ihr Eisrennen mit Rallye-Wagen spielen wollt oder einfach einen klassischen GT3-Cup veranstaltet, die Zahl der Klassen und Fahrzeugarten, in denen ihr euch mit Freunden, Feinden und losen Bekanntschaften tummeln dürft, ist überwältigend. Ihr habt komplette Meisterschaften, Kommentatoren- und Rennleitungsfunktionen für den E-Sport und vor allem Letzteres ist gar nicht mal so eine schlechte Sache, wenn ein Mensch das übernimmt. Ihr könnt es zwar im Solo-Modus ausschalten, aber eigentlich möchte man ja eine faire Rennleitung haben. Diese zeigt sich Solo aber sehr unvergebend, egal ob ihr mal eine Kurve ein klein wenig mehr schneidet, von der nicht immer ganz wachen KI gestriffen werdet oder gar keine Ahnung habt, warum sie euch jetzt fünf Plätze nach hinten schickt. In diesen Momenten habt ihr dann eine halbe Minute Zeit, euch dahin zu bremsen, wo ihr hinsollt oder das Rennen ist für euch gelaufen. Die Idee ist nett und realistisch, aber sollte mit einer perfekten KI verbunden sein, um nicht immer wieder sauer aufzustoßen. Perfekt sind leider weder die anderen Fahrer noch die Rennleitung und so schalte ich dieses Feature für den Moment einfach mal ab.
Technisch hat sich Project Cars 2 natürlich auch entwickelt und das Ideal ist der stärkste PC, den ihr finden könnt. Wenn ihr möchtet auch in VR, wobei das nur für besagten PC gilt - Vive und Oculus sind beide unterstützt -, PlayStation VR läuft derzeit noch nicht. Vielleicht später. Vielleicht. So oder so, meine Welt ist das nicht, ich begnüge mich mit der minderwertigen Konsolenoptik, auf der sich aber auch zahlreiche Verbesserungen in den Details, dem Regen und anderen Dingen zeigen. Project Cars 2 ist einfach ein schönes Spiel und vor allem ein irrsinnig gut klingendes. Packt den Subwoofer aus, denn das hier lässt es mal endlich ordentlich krachen, wenn ihr den Lambo durchtretet - Hallo, liebe Nachbarn! Ja, das war draußen, nicht bei mir in der Wohnung... -, aber auch in den zahllosen Details, in denen man meint, unterschiedlichen Schotter an unterschiedlichen Geräuschen zu erkennen. In diesem Falle mag Einbildung auch eine Form der Bildung sein, aber ich schwöre euch, dass sich der etwas hellere Schotter anders anhört. Nicht so schön ist die Framerate, die auf beiden Konsolen - PS4 nur kurz angeguckt - auch mal etwas stottert. Nicht oft, nicht schlimm, aber vielleicht hätte der Entwickler nicht "60 Frames oder Tod!" verkünden sollen, denn es sind nicht immer 60 Frames und das heißt wohl Tod. Sorry. Das plus ein recht konstantes Screentearing in der Außenansicht - und nur der - auf allen Konsolen, die nicht Pro heißen. Auf der Pro gibt es diese Dinge nur im 4K-Modus zu sehen, im Performance-Modus läuft wohl alles flüssig. (Habe ich mir sagen lassen, wenn unsere Pro wieder unter den Lebenden weilt, gucke ich noch mal nach). Trotzdem und so oder so, immer noch sehr schön und wenn man bedenkt, dass eine Konsole weniger kostet als die Grafikkarte des entsprechenden PCs, sind das Einschränkungen, mit denen es sich 99,78 Prozent der Zeit mit 60 Frames leben lässt.
Project Cars 2 nahm alles, was der Vorgänger war und macht es nun besser. Es fängt bei besser strukturierten Menüs an, geht über einen besseren Karrieremodus bis hin zu besseren Kontrollen in allen Varianten, über bessere Grafik zu besseren Online-Modi und generell besseren - vor allem noch mehr - Optionen. Es ist zugänglicher, da die Pad-Steuerung nun wirklich funktioniert, vor allem aber die Bodenhaftung nicht mehr so zickig - Verzeihung: anspruchsvoll - ist. Ihr habt bessere und wieder mehr Strecken, das Wetter und die Jahreszeiten machten einen Sprung - auf den die KI leider verzichtete - und der Sound ist besser. Die Grafik auch. Was soll eine Fortsetzung eines schon zuvor richtig, richtig guten Rennsport-Simulationsspiels mehr leisten? Project Cars 2 ist in der Nische seiner Nische so glücklich, wie es nur sein kann und wird euch für Monate an eure Rennsitze fesseln. Und ein Warnhinweis, dass man so bitte nicht im Straßenverkehr fahren soll. So viel Übermut, der fehl am Platze war und zum Glück von den denkenden Teilen meines Hirns wieder eingefangen wurde, hatte ich schon lange nicht nach dem Spielen eines Rennspiels verspürt. Es sind also sogar auch noch genug emotionale Komponenten vorhanden, würde ich sagen.
Entwickler/Publisher: Slightly Mad Studios / Bandai Namco Entertainment - Erscheint für: PC, PlayStation 4, Xbox One - Preis: ca. 50 Euro - Erscheint: erhältlich - Getestete Version: Xbox One, PC, PS4 angespielt - Sprache: deutsch, englisch - Mikrotransaktionen: Season Pass