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Burnout Paradise Remastered - Test

Wie konnte ich nur?

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Zehn Jahre alt und noch immer fast die Genre-Referenz: So und nicht anders geht Arcade-Racing.

Das muss eines der seltsamsten Spiele meiner persönlichen Historie sein: Ich liebte den Vorgänger, Burnout 3: Takedown gehörte zu meinen absoluten Favoriten auf der ersten Xbox. Ich habe Paradise nicht einmal, sondern sogar zweimal gekauft, für 360 und PC. Und ich habe es nie gespielt. Nicht eine Minute. War immer was anderes zu tun. Auf den richtigen Abend gewartet. Kam nie. Bis jetzt. In Form von Burnout Paradise Remastered. WIE KONNTE ICH DIESES SPIEL NIE SPIELEN? ES IST DAS BESTE ÜBERHAUPT!!

Reizüberflutung ist ein Markenzeichen der Serie und in keinem der Burnouts wird es spielerisch so perfekt getroffen wie in diesem. (Burnout Paradise Remastered - Test)

Nun, vielleicht nicht DAS Beste, aber jenseits von Forza Horizon? Nichts kommt aktuell im Arcade-Racing-Genre in die Nähe dieses Spiels. Dass ausgerechnet EA es jetzt in einer absolut herausragenden Verfassung neu auflegt ist die perfekte Ironie, denn nicht nur, dass ihre eigene Need-for-Speed-Reihe sich aktuell wünscht, auch nur einen Bruchteil so gut zu sein wie dieses Spiel. Immerhin kann sich Criterion damit rühmen, für die guten Need for Speeds des letzten Jahrzehnts verantwortlich zu sein, aber auch diese sind nicht so gut dieses zehn Jahre alte Spiel.

Das Fahrgefühl ist perfekt, das Geschwindigkeitsgefühl trifft genau den idealen Punkt zwischen halsbrecherisch, aber noch kontrollierbar - meistens. Ihr spürt das Gewicht der Wagen und die Kraft der Motoren, müsst euch aber einen Dreck um die Realität scheren, die hier komplett über Bord ging. Irgendwann, nach ein paar Stunden, probierte ich mal den linken Trigger aus, um zu gucken was der tut, und er stellte sich langweiligerweise als die Bremse heraus, die kein Menschen in diesem Spiel braucht. Schade, eine vergeudete Taste, da hätte man die Musiksteuerung drauflegen können. Wenn ich langsamer werden will, lasse ich den Finger von der Turbo-Taste und fertig.

Bremsen? Gibt es wohl. In kaum einem Spiel braucht ihr sie so selten wie hier. (Burnout Paradise Remastered - Test)

Ihr entnehmt diesen Zeilen, dass ich dezent einen Arcade-Racer andeute. Nun, das stimmt nicht ganz. Es ist DER Arcade-Racer. Zumindest aktuell, denn bis auf besagtes Horizon ist das Genre weitestgehend tot. Sega kriegt nichts mehr auf die Reihe, was das angeht, Milestone landet mit Gravel bestenfalls einen entfernten Achtungserfolg und Need for Speed wäre aktuell nicht mal dann so gut wie Paradise, wenn es keine Lootboxen hätte. Damals, als Burnout ursprünglich erschien, war es eine andere, bessere Aracde-Racing-Welt. Aber hier und jetzt ist es gleichzeitig ein Flash in diese guten Tage und eine Erinnerung daran, warum sie gut waren. Konsequentes Spieldesign, keine Progression über XP und Level und schon gar keine Lootboxen. Einfach immer Gas geben und das so entwerfen, dass es immer Spaß macht. Egal, ob ihr in einem Rennen seid oder nicht. Das ist nicht veraltet. Das ist einfach gutes Spieldesign.

Der Aufbau ist denkbar einfach. Ihr habt Paradise City, eine Stadt, die zu 60 Prozent aus Straßen besteht und zu 38 Prozent aus Abkürzungen, Sprungschanzen und abseitigen Wegen. Im Rest leben die Menschen und trauen sich aus guten Gründen nicht auf die Straße. Das östliche Drittel der Karte ist eine Berglandschaft mit langen Auslaufgebieten für Turbo-Tasten-Nutzer und absurden Sprüngen. Alles ist relativ klein, ihr kommt von Nord-Ost nach Süd-West in weniger als drei Minuten, und genug Rennen schicken euch auch immer quer durch die Stadt. Rennen und Events findet ihr an jeder Straßenecke. Wortwörtlich, denn fast jede Kreuzung ist der Startpunkt. Haltet an und los geht es. Keine abgesteckte Route, einfach nur Start und Ziel und dazwischen könnt ihr machen, was ihr möchtet. Die KI könnte es etwas besser nutzen, ihre Strecke ist immer die direkteste und sichere, aber nur selten seht ihr mal, dass sie clever eine Abkürzung nutzt.

Technischer Sieg... Auch wenn von der Technik nur Schrott übrig blieb. (Burnout Paradise Remastered - Test)

Mein vielleicht einziger Kritikpunkt ist wohl, dass die KI mehr Biss vertragen könnte. Das gleicht sich später durch das irrsinnige Tempo der schnellen Autos wieder aus, denn wenn ihr alle paar Straßen die Trümmer eures glorreich und absolut brutal zusammengeschobenen Wracks erst für eine Sekunde bewundern müsst, bevor es zurück auf die Piste geht, dann steigt der Schwierigkeitsgrad allein schon dadurch. Der Adrenalinspiegel ist dann auch auf Anschlag. Ich hatte schon lange kein Rennspiel mehr, bei dem ich mich so ins Pad verkrallte, in der Hoffnung, das Auto durch schiere Gewalt und Willenskraft doch noch zu der Sprungschanze zu zwingen und nicht in die Wand zu rauschen. Klappte meist ganz gut, perfekte Steuerung und Kontrolle sei Dank.

Langeweile gibt es nicht. Rennen stellen zwar die Mehrheit der Events, aber um es aufzulockern habt ihr auch Crash-Rennen, bei denen euch namenlose schwarze Toyotas mit Raketenantrieben davon abhalten wollen, das Ziel zu erreichen. Absolut schweißtreibender High-Speed-Spaß. Dann müsst ihr genug Stunt-Punkte durch Drifts, vor allem aber verrückte Sprünge sammeln. Sehr nett. Dann gibt es Zeitfahrten für bestimmte Autos. Schafft ihr es, schnell genug zu sein, bekommt ihr eine bessere Version eures Autos. Erst war ich ein wenig enttäuscht, dass es keine Crash-Modus für maximalen Schaden wie in Burnout 2 gab, aber dann drückte ich zufällig beide Schultertasten und sofort gibt es los. Das ist richtig, egal wo, egal wann, drückt zwei Tasten und ihr marodiert als taumelndes Wrack durch hunderte von Autos, werdet immer weiter geschleudert, treibt den Multiplikator in die Höhe und genießt es. Ich liebe dieses Spiel so sehr.

Man muss die Micro-Machines-Ripoffs einfach liebhaben. (Burnout Paradise Remastered - Test)

Die generelle Progression ist dabei so simpel wie effektiv. Gewinnt Events und Rennen und nach einer bestimmten Zahl steigt ihr einen Rang auf. Passiert das, werden alle Rennen neu freigeschaltet, sodass ihr auch mit schon gefahrenen Runden neu punkten dürft. Neue Autos gibt es bei Aufstiegen oder wenn euch das Spiel sagt, dass auf der Straße eines unterwegs ist. Findet ihr es und schafft einen Takedown - Burnouts Bezeichnung für drück den anderen in die Bande - gehört das Auto euch. Und das ist es auch schon. Es ist alles, was es braucht, wenn das Spiel selbst gut ist. Und Burnout Paradise Remastered ist nicht gut. Es ist absolut granatenstark, ihr Hoshis! (Die 80er sind wieder in, ich darf das)

Natürlich gibt es auch einen Multiplayer. Startet eine Party, holt Freunde an Bord und legt los. Spielt auf der Karte gegen Zufallsbegegnungen Herausforderungen, wie eine bestimmte Zahl an Barrelrolls an einer bestimmten Rampe und vieles mehr. Takedown Challenges, Rennen mit bestimmten Wegpunkten, Ranked Matches. Es ist alles da und es ist jetzt schon genug los, eine Woche vor dem Launch. In Gravel bekam ich kein volles Spiel eine Woche nach dem Launch zusammen, hier drängelt man sich schon vorher. Gutes Zeichen, würde ich sagen. Der Multiplayer ist unkompliziert und gleichzeitig die größte Herausforderung überhaupt. Nicht nur, weil Menschen besser fahren als die KI, sondern weil ihr nicht pausieren könnt, um mal eben auf die Karte zu gucken. Hier zeigt sich, wer seine Stadt wirklich kennt und selbst mit einem langsameren Auto noch alles herauszuholen, weil man eine Abkürzung erwischte und die anderen nicht, ist ungemein befriedigend. Der Multiplayer ist etwas, in das ihr noch mal zig Stunden versenken könnt. Und egal, was ihr genau darin spielt, die Zeit vergeht wie im Flug, wenn jede Sekunde Fan-Racing-Erfüllung ist.

Aber keine Sorge, es gibt auch normale Motorräder. (Burnout Paradise Remastered - Test)

So, kommen wir zum Remaster-Teil, denn ich gehe mal davon aus, dass nicht jeder so dämlich war und dieses Meisterwerk für zehn Jahre wortwörtlich im Schrank liegen ließ. Aus dem habe ich es hervorgekramt, eine 360 gefunden, es gespielt und... Wow, das war echt High-End damals! Sicher, der Blur-Effekt, der die Framerate kaschieren soll, ist hässlich, aber trotzdem. Für seine Zeit beachtlich. Das Remaster jetzt und hier? Es sieht nicht aus wie ein altes Spiel. Es ist faszinierend. Das Original ist schick und man kann es heute noch spielen, aber es sieht in die Jahre gekommen aus. Das Remaster dagegen wurde so gut poliert und vor allem auf eine hohe Framerate - ich würde stabile 60 sagen - gebracht, dass es zusammen mit dem stimmigen Grafikdesign nicht wie ein Remaster von irgendwas wirkt. Sicher, ein Horizon 3 ist beeindruckender, hat mehr Effekte und schönere Fahrzeugmodelle, keine Frage. Aber trotzdem und gerade bei dem hohen Tempo, das Paradise nonstop hält: Es sieht verdammt gut aus. Auch nach heutigen Maßstäben.

Auch wenn ich den PC für den Test als System angekreuzt habe: Es gibt (noch) keine Remaster-Version für den PC - die kommt erst später. Das macht aber nichts, denn die Ultimate-Box-Version kostet die Hälfte bis ein Viertel (hier als Box auf Amazon.de), sieht nicht viel schlechter aus, enthält bis auf Big Surf Island alle Inhalte und macht nicht weniger Spaß.

An Inhalten gibt es keinen Mangel, denn alle Add-Ons sind mit dabei. Das heißt, dass ihr auch die exzellent zu lenkenden Motorräder im Programm habt und jede Menge Autos. Vom nicht lizenzierten Ghostbusters-Mobil bis hin zu einer Art Micro-Machines-Kollektion bekommt ihr viel zum Start gleich mitgeliefert, das ihr euch für später aufheben solltet. Diese Fahrzeuge sind für den Start etwas überpowert. Aber andererseits, in diesem Spiel ist erlaubt, was Spaß macht. Also macht, was ihr wollt. Das auch auf Big Surf Island, einem kleinen Extra-Gebiet im Westen, das viele Gelegenheiten für gewagte Sprünge bietet.

Technisch ist das Remaster fantastisch, aber es hilft natürlich, dass das Spiel eines der schicksten seiner Zeit war. (Burnout Paradise Remastered - Test)

Paradise klingt auch verdammt gut. Vor allem die Crash-Effekte sind herrlich satt und befriedigend, egal, ob es das eigene Auto ist, das sich zusammenfaltet, oder man sich über einen Takedown freut. Dreht die Boxen auf und erfreut euch daran wie an einem fantastischen Set an Rock/Tunes. Jedes Spiel, das Faith No Mores Epic sein Eigen nennen kann, ist automatisch epic. Natürlich ist Guns N' Roses' Paradise City der Titeltrack, Twisted Sister und Alice in Chains geben den Old-School-Vibe und ich kannte die sehr coole Junkie-XL-Version von Cities in Dust gar nicht. Schaltet im Menü weg, was euch nicht gefällt, in meinem Falle waren das die ganzen Klassikstücke und der instrumentale Soundtrack der ersten beiden Burnouts, weil ich mit all den Songs noch nicht fertig bin. Großartiger Soundtrack, mit der beste, den EA seit zehn Jahren veröffentlicht hat.

Die zum Start freigeschalteten Bonus-Fahrzeuge, wie dieser DeLorean-Ripoff, solltet ihr euch für später aufheben, da sie extrem hochgepowert sind. Und ja, wenn ihr mit diesem boostet, brennen die Reifenspuren. (Burnout Paradise Remastered - Test)

Burnout Paradise Remastered in der Box! (Amazon.de)


Was sage ich Soundtrack, das ist das beste Rennspiel, das EA im letzten Jahrzehnt herausgab. Sicher, einige der Need for Speeds aus der Zeit waren auch ganz gut - alle die, die Criterion entwickelte - und auch andere Spaß-Racer konnten was, Horizon allen voran. Aber dieser Blast from the Past hier ist etwas Besonderes, weil er das ganze Genre so gekonnt auf das reduziert, was es braucht, diesen Kern wie einen Rohdiamanten nimmt, zur Perfektion schleift und zurück bleiben nichts als der pure, so elegante wie brutale Fahrspaß, ein absurdes Geschwindigkeitsgefühl und die Sucht nach dem nächsten Adrenalinkick. Egal, ob er aus einem Rennen, Event oder einfach nur wildem Herumcruisen kommt, kein Spiel liefert ihn so unverfälscht und mit einem breiteren Grinsen als dieses zehn Jahre alte Lehrstück, wie man es richtig macht. Remaster? Burnout Paradise fühlt sich nicht so an, als es praktisch nebenbei fast alles versenkt, was da sonst auf dem Markt ist. Wenn ihr wie ich das Glück im Unglück hattet, diese krönende Errungenschaft einer anderen Zeit auch verpasst zu haben, dann holt das ganz schnell nach. Wenn nicht, dann spielt es jetzt einfach noch mal und freut euch, dass es nichts von seinem Reiz verlor.

Obwohl. Nein. Wahrscheinlich ist Paradise jetzt reizvoller, als es das vor zehn Jahren war. Damals hatten wir noch gute Arcade-Racer in solider Zahl.


Entwickler/Publisher: Criterion / Electronic Arts - Erscheint für:PS4, Xbox One - Preis: ca. 40 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: Xbox One X - Sprache: deutsch, englisch und andere - Mikrotransaktionen: Nein

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