Call of Juarez: Bound in Blood
Weiber, Pferde, blaue Bohnen!
Beide Männer befestigen den Saum ihrer Mäntel hinter dem Rücken, so dass der Halfter mit dem Revolver frei liegt. Behutsam wie eine Raubkatze bewegen sich Stiefel durch den Dreck der Gasse seitwärts, lauernd auf die beste Position. Der Bildausschnitt konzentriert euren Blick auf das Wesentliche: den Gegner und euren Colt.
Eure rechte Hand huscht langsam zum Griff, die Finger lockern sich noch einmal. Wann ist es soweit? Euer Gegenüber wechselt seine Richtung, verschwimmt kurz am Bildrand. Verflixt, jetzt aber schnell gegensteuern. Ein falscher Winkel bedeutet den Tod. Als die Glocke läutet, zieht ihr mit dem rechten Analogstick euer Schießeisen und verpasst dem Bastard eine Kugel in die Familienjuwelen. Wieder ein Zwischengegner weniger.
Respekt! Es gibt kaum einen Entwickler, der so kompromisslos die am Vorgänger bemängelten Kritikpunkte ausgemerzt hat wie Techland beim zweiten Teil von Call of Juarez. Tatsächlich findet sich im gesamten Spiel keine einzige nervende Hüpfpassage mehr. Stattdessen konzentriert sich der Ego-Shooter auf das, was er am besten kann: Schießereien vor einer traumhaften Western-Kulisse. Selbst die sich ständig wiederholenden Todesschreie, die ich noch in der Vorschau-Version von Bound in Blood vor zwei Monaten reklamierte, haben die Verantwortlichen aus Polen auf ein dezentes Maß heruntergeschraubt.
„Ihr dürft nicht Gottes Gebot brechen. Du sollst nicht töten!“, beschwört William seine älteren Geschwister. Im richtigen Leben wäre mir der Jungpriester mit dieser Einstellung sympathisch. Im Spiel halte ich es dagegen lieber mit den Worten von Haudegen Ray: „Dafür ist es etwas spät, Brüderchen. Schau dich mal um!“ Vor der Szenerie einer zerklüfteten Berglandschaft mit Panoramablick auf die Wüste liegen in der Tat mehrere Körper im Staub. Regungslos. Tot. Erschossen von einer Zwei-Mann-Armee namens Ray und Thomas McCall. Euren Spielfiguren.
Der Schnelllader und der alte Ranger-Colt tanzen auf beiden Seiten des Sichtfeldes auf und ab, während die Läufe Feuer, Rauch und tödliches Blei spucken. Arizona ist offenbar ein raues Pflaster in den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts. Die Empfänger der Kugeln fallen schreiend und mit grotesken Verrenkungen zu Boden. Eine Kiste zersplittert und auch der Cowboy dahinter stirbt an einer Bleivergiftung. Eine Petroleum-Lampe fängt Feuer und verbrennt einen der Männer.
Mit einer Stange Dynamit beende ich die Ambitionen einer Gruppe Angreifer hinter den Fenstern eines Bretterverschlags. Ja, Ray weiß, wie man sich unter Männern behauptet. Aber das kennt ihr ja vielleicht noch vom zeitlich später spielenden Vorgänger, in dem der dort als Referent auftretende Ray ebenfalls der Mann fürs Grobe war.
Sein Bruder Thomas beherrscht unauffälligere Meuchelarten mit Wurfmessern und Flitzebogen. Per Lasso hangelt sich der Gute auch mal auf einen Baum oder einen Balkon – es gibt im Spiel zwei Handvoll Stellen, an denen solche Aktionen möglich sind. Je nachdem für welchen der beiden Herren ihr euch vor Beginn jedes Levels entscheidet, schicken euch die Entwickler zum Teil auf alternative Routen durch das Geschehen.