Söldner-X 2: Final Prototype
Es ist vollbracht!
„Systeme beschädigt, Energie niedrig!“ Die auf Englisch über Funk aufgefangene Botschaft gilt ausnahmsweise nicht euch, sondern markiert das letzte Aufbäumen eures Gegners – einem überdimensionaler Kampfroboter im Transformers-Stil mit Riesen-Blaster und Ritterschild. Doch das Schild hat sich inzwischen zusammen mit den Beinen in einer tosenden Explosion aus dem Land der Existenz verabschiedet.
Mit einigen letzten Salven und einem Laserstrahl aus seinem Visier will euch der Gigant mit in den Tod reißen. Die Gefahr besteht, denn auch eure Energiequelle neigt sich dem Ende zu. Doch ihr weicht aus, überlebt seinen Angriff und gebt dem Widersacher den Rest. „Say goodbye to Donnerzorn, he is ready for the junkyard“ – „Sag Donnerzorn Lebewohl, er ist reif für den Schrottplatz“, unterrichtet euch eine weibliche Stimme aus der Bodenstation ein wenig sarkastisch über das Ende des Endbosses. Einer von vielen.
Geht es um zweidimensionale Ballerspiele, genießen europäische Entwickler einen zweifelhaften Ruf. 2D-Shooter aus unseren Breitengraden wirken oft, als hätte ein Imbissbuden-Betreiber ein Kobe-Steak in der Fritteuse zubereitet. Den sogenannten „Euro-Shmups“ fehlt meist das gewisse Etwas, die zeitlose Eleganz und Spieltiefe japanischer Meisterwerke des Genres. Seelenlose Technikroutinen statt sich bewegender Kunstwerke aus Schüssen und Gegnern. Wer also hätte mit so etwas rechnen können?
Damit, dass ein Download-Shooter aus Deutschland der Konkurrenz zeigt, wie ein Ballerspiel zu funktionieren hat? 12,99 Euro kostet Söldner-X 2: Final Prototype im PlayStation Network und es ist jeden Cent wert. Nach dem biederen Vorgänger aus dem Jahr 2007 kommt dieser Fortschritt in der Tat überraschend.
Um die Faszination von Söldner-X 2 zu verstehen, müsst ihr eingetretene Genre-Denkpfade verlassen. Das Spiel lässt sich nur schwer mit Baller-Schwergewichten aus Japan vergleichen. Zu unterschiedlich der Ansatz, zu anders der Spielablauf. Sicher, auch in Söldner-X 2 geht es darum zu überleben, mit einem Raumschiff von links nach rechts zu düsen, Projektilen auszuweichen und außerirdische Invasoren zu beschießen, bis ihnen die Allmachtsfantasien aus den Augenhöhlen herausquellen. Trotzdem spielt es sich frisch. Das Wort „moderner“ in diesem Zusammenhang zu verwenden, ist der Konkurrenz gegenüber zwar vielleicht nicht hundertprozentig fair, doch es beschreibt die Lage. Söldner-X2 ist eine Art Bindeglied zwischen klassischem 2D-Ballerspiel und zwanglosem Zeitvertreib. Dabei versuchen die Entwickler dem Spiel das Beste aus beiden Welten mitzugeben.
Das Grundgerüst unterscheidet sich nicht von alten Meistern wie R-Type oder Gradius. Ja, ihr steuert ein Raumschiff, und ja, fast alles, was sich in den Levels bewegt, will euren Tod. Am Ende eines Abschnitts lauert ein besonders dicker Brocken auf euch, bevor das Spielchen im nächsten Level von vorne beginnt. Ob ihr das nächste Level seht, darüber entscheiden eure Reflexe, eure Taktik und eure Fähigkeit, euch Abläufe einzuprägen. Denn die Feinde reagieren immer gleich, ziehen auf vorgegebenen Wegen ihre Bahnen und verschießen immer die gleichen Schüsse.
Das ist der Grund, weshalb Spieler 2D-Ballerspiele lieben und das ist auch der Grund, weshalb Spieler 2D-Ballerspiele hassen. Der Reiz, sich mit so einem Spiel zu beschäftigen, liegt darin, auch die späteren Bereiche sehen, die Spielmechanik beherrschen und sich mit hohen Punktzahlen als Meister des Fachs beweisen zu wollen. All das ermöglicht Söldner-X 2. Mit zeitgemäßen Mitteln.
Als erstes fällt die schnittige Optik auf. Schnell vorbeifliegende Hintergründe erzeugen das Gefühl von Geschwindigkeit. Raumkreuzer und Geschütze bieten auch auf den zweiten Blick noch genug Details, um zu gefallen. Die 16:9-Spielfläche wirkt dabei wie für das Genre geschaffen. Das Ganze fliegt absolut flüssig über den Bildschirm, sogar im Zweispieler-Modus geht die PlayStation 3 nicht in die Knie. Da hat sich die Wartezeit auf den 1,5-Gigabyte-Download also gelohnt. Selbst Kultentwickler Cave darf sich hier gerne technisch ein paar Tricks abschauen: Das gerade für japanische Xbox-360-Konsolen erschienene 2,5D-Experiment Death Smiles 2X spielt sich zwar ebenfalls sehr gut, doch die Texturen sehen aus, als hätte das Studio das Ganze auf einem alten PSone-Entwickler-Kit entworfen. Gruselig.
Die Planeten-, Tunnel- und Unterwasser-Welten in Söldner-X 2 erfüllen zwar alle Klischees des Genres, doch das mit Leidenschaft. Insofern passt der Schuh, denn auf einem Iron-Maiden-Cover erwartet auch jeder eine Pose mit Maskottchen Eddie. Musikalisch hätte an der einen oder anderen Stelle vielleicht ein rockiger Gitarren-Track besser zum Geschehen gepasst, doch das ist allenfalls eine Geschmacksfrage. Die Retro-Trance-Electropop-Musikstücke von Rafael Dyll (Last Hope) zählen definitiv zu seinen besten Werken.
Doch das ist nicht der Grund, weshalb man so lange an Söldner-X 2 spielen kann, ohne dass es langweilig wird. Das kleine Team um Projektleiter Marcus Pukropski, übrigens ein Blue-Byte-Veteran, erzeugt hier ganz geschickt einen Sog aus „Nur noch das eine Mal“ und „Das schaffe ich noch“, dem man sich kaum entziehen kann. Welchen Rang habt ihr gerade? Berufspilot? 17.269 Abschüsse? Da geht noch mehr.