007 Legends - Test
Kein Quantum Trost: Der berühmteste britischen Spion spürt den Hauch des Todes
"Als erstes Spiel seiner Art verknüpft 007 Legends die Story von sechs Bond-Klassikern mit dem im Winter erscheinenden 23. Film - Skyfall."
So steht es in der Pressemitteilung zur Ankündigung von 007 Legends vom 18. April 2012 geschrieben. Und jetzt, nachdem ich auch nochmal eine Nacht darüber geschlafen habe, frage ich mich, wie eigentlich diese Verknüpfung genau aussehen soll? Mal abgesehen davon, dass es ja im Grunde nur fünf Bond-Klassiker sind, aber das ordne ich mal in die Kategorie "Fehler" ein. Ist es nur die Tatsache, dass James Bond in all den Filmen, die 007 Legends abdeckt, nun von Daniel Craig gespielt wird? Für mich deutete dieser Satz damals jedenfalls an, dass da weitaus mehr dahintersteckt, dass man hier wirklich die Geschichten der einzelnen Filme auf neue, intelligente Art und Weise miteinander verknüpft.
Vielleicht sehe ich es ja einfach nicht? Oder man sieht die Zusammenhänge erst, wenn der kostenlose Download-Content mit den Skyfall-Missionen nach dem Kinostart des Films erscheint? Wie dem auch sei, in der Verkaufsversion sieht die Situation wie folgt aus: Man hat fünf Bond-Klassiker genommen, sie modernisiert und aneinandergereiht. Das war es im Grunde auch schon. Wo ein GoldenEye Reloaded jedoch ein ganzes Spiel lang Zeit hat, sich zu entfalten, quetscht man hier einen Film in maximal ein bis zwei Stunden Spielzeit.
Im Zuge dieser "Modernisierung" und der Tatsache, dass Craig den Bond in allen fünf Filmen spielt - Goldfinger, Im Geheimdienst ihrer Majestät, Lizenz zum Töten, Stirb an einem anderen Tag, Moonraker -, gab es auch mal wieder inhaltliche Veränderungen á la GoldenEye Reloaded. Wie schon bei Letzterem sagen mir die auch hier nicht unbedingt zu. Das Spiel leidet darunter, dass man versucht, möglichst viel von den Filmen in diese kurze Spielzeit zu zwängen. Dabei nahm man sich dann ikonische Szenen wie den Angriff auf Fort Knox, Blofelds Bergfestung und dergleichen vor hat, also die zumeist actionreicheren Momente. Und das, wo man doch vermutlich aus jedem der Filme ein eigenes Spiel machen könnte. Bestes Beispiel für diese Eile: In einer Szene entledigt sich Bond noch Goldfingers Anwesenheit, in der nächsten Szene ist er schon bei einem Skiausflug mit seiner künftigen, kurzzeitigen Frau zu sehen. Selbst als Kenner der Filme geht mir das irgendwie deutlich zu schnell. Wie muss das erst für jemanden wirken, der die Filme noch nie gesehen hat?
Ein noch weitaus größeres Problem ist, dass ich nicht immer das Gefühl habe, hier auch wirklich den klassischen Charakter James Bond zu spielen. Alleine schon, wenn auf Pussy Galores Frage nach dem Namen nur ein simples "James Bond" als Antwort kommt, verdreht man ein wenig die Augen. Doch das ist nicht alles. Klar geht Bond bei seinen Missionen nicht immer nur leise vor. Aber wenn man sich bereits gleich zu Beginn per EMP einen Kampfjet abstürzen lässt, der dann natürlich in Flammen aufgeht und man sich im Anschluss über das kleine Flugfeld und vorbei an weiteren explodierenden Flugzeugen bis in Goldfingers Unterschlupf schießt, nur um dort dann (teilweise optional, selten verpflichtend) leise vorzugehen, wirkt das irgendwie nicht gänzlich konsequent durchdacht. Und das zieht sich durch das gesamte Spiel. Will man nun ein Schleichspiel oder einen Call-of-Duty-Klon haben? Scheinbar irgendwie beides, aber nichts davon so richtig.
Gegner kann man dabei leise ausschalten, indem man sie kurzerhand umhaut - selbst ein Schlag auf den Hintern ist tödlich -, ihnen mit der schallgedämpften Waffe ein paar Kugeln in den Körper jagt oder den Betäubungs- beziehungsweise Schockpfeil bemüht. Ein guter Agent würde nun vielleicht versuchen, auch die so herumliegenden Gegner ein wenig aus dem Weg zu schaffen, in einer dunklen Ecke oder wo auch immer zu verstecken. Diese Möglichkeit gibt es jedoch leider nicht. Allgemein muss ich dazusagen, dass ich beim Schleichen auch eigentlich eher die Third-Person- statt der First-Person-Perspektive bevorzuge, ganz wie im - gerade im Gegensatz hierzu - recht gelungenen Blood Stone von Bizarre Creations.
Viel zu oft werdet ihr entdeckt, weil dann doch plötzlich jemand über eine eurer Leichen stolpert. Das macht das Ganze irgendwie sinnlos. Da schnappe ich mir doch lieber die Waffe und ballere mich mittendurch, ist in dem Falle schlicht einfacher und unkomplizierter, wobei doch eigentlich das Schleichen eher belohnt werden sollte. Das Gefühl stellt sich aber nicht so wirklich ein. Ähnliches gilt für die Gadgets. Bond hat zwar eine nette Uhr, die einerseits als Radar dient, andererseits auch Kameras per Laser ausschalten kann, sowie ein modernes Smartphone, mit dem er Computer hacken oder Dinge scannen kann. Dazu besitzt er einen schicken Stift, der mehrere Arten von Pfeilen verschießt, aber insgesamt hätte man auch hier deutlich mehr bieten, die Gadgets zumindest abhängig von Mission und Schauplatz ändern können. Denn genau die einfallsreichen und vielfältigen technischen Spielereien sind es doch auch, die immer einen Teil des Reizes der Bond-Filme ausmachten.
Die zuweilen eher lieblose Präsentation leistet dabei auch nicht gerade einen guten Beitrag, um für Stimmung zu sorgen. Mit seinen kurzen Zwischensequenzen ist Moonraker - zugleich einer meiner Lieblings-Bondfilme - dabei noch am besten gelungen, aber wenn euch nach dem Sieg über den Endgegner - meist in einem relativ unspektakulären Faustkampf - oder der geglückten Flucht gleich nach wenigen Sekunden schon der "Mission-erfolgreich"-Bildschirm vor die Nase geklatscht wird, fühlt man sich wirklich nur so, als würde man stupide Level für Level abarbeiten und keine zusammenhängende Geschichte erleben.
Bei GoldenEye Reloaded hatte man das am Anfang etwa gut gelöst. Bond springt den Staudamm runter, das Geschehen blendet ins Intro über und es geht anschließend wieder nahtlos weiter. So sollte das aussehen. Hier gibt es direkt nach dem Intro jedoch erst einmal einen Ladebildschirm, der einem nach der eigentlich ganz guten Intro-Sequenz gleich wieder aus der Stimmung reißt. Ich weiß nicht, was Eurocom gemacht hat, denn nach dem gelungenen Quasi-Vorgänger ist das hier ein ziemlich gewaltiger Rückschritt. Selbst die Grafik ist höchstens Mittelmaß, und dabei gibt es noch Augenblicke, in denen die Qualität stark (nach unten hin) schwankt. Von den extrem arcadigen und mit schlechter Fahrphysik "gesegneten" Fahrzeugabschnitten - erneut ein Hoch auf Blood Stone -, die zum Glück sehr selten sind, will ich erst gar nicht anfangen. Für ein bisschen Unterhaltung sorgt zumindest das Ragdoll-System beim Ableben der Gegner. Die liegen, knien oder hängen manchmal in ganz witzigen Positionen, beim Treffer mit der Schrotflinte aus nächster Nähe fliegen sie hingegen meist wie ein Crash Test Dummy durch die Gegend, der gerade von einem Auto angefahren wurde. Als ich das das erste Mal sah, musste ich laut lachen.
Es gibt aber auch Dinge im Spiel, die im Grunde ganz gut gelungen sind. Zum Beispiel das Erfahrungspunktesystem, das euch für erfüllte Ziele, Kills und diverse andere Dinge belohnt. Diese Zähler dienen dann quasi als Währung, mit denen ihr Boni für Bond kauft, etwa eine schnellere Gesundheitsregeneration, zusätzliche Einzelteile für die Waffen, die ihr an bestimmten Koffern im Spiel individuell anpassen könnt, oder euren Pfeile verschießenden Stift verbessert. Eine motivierende Sache.
Ebenfalls recht ansprechend ist der Multiplayer-Modus, der eine Vielzahl von Spielvarianten bietet und sowohl online als auch offline via Splitscreen gespielt werden kann. Der Online-Part ist recht kurzweilig und unterhaltsam, ihr könnt beispielsweise in die Haut bekannter Bond-Schurken wie eben Sanchez oder Blofeld schlüpfen. Das einzige Problem, das ich hier sehe: Schon im Testzeitraum war sehr wenig auf den Servern los. Fraglich, ob sich diese Situation in Zukunft großartig verbessern wird.
Übrigens: Ich bin ja niemand, der Spiele normalerweise alleine nach ihrem Cover beurteilt, aber alleine das Cover von 007 Legends hinterlässt nicht den Eindruck, als hätte man sich damit auf irgendeine Weise intensiv beschäftigt oder sonderlich viel Mühe gegeben. Und in dem Fall passt das dann leider auch zum Spiel.
Ich habe überhaupt nichts gegen Daniel Craig als Bond. Ganz im Gegenteil, ich halte ihn sogar für einen sehr guten Bond-Darsteller. Aber was Activision und Eurocom mit dem immerhin noch guten GoldenEye Reloaded und nun mit 007 Legends machen, wirkt auf mich eher wie eine Verfremdung der Klassiker, die ich einfach in schöner Erinnerung behalten will. Dabei muss das nicht einmal sein. Ich fand Blood Stone auch gerade deswegen ganz gut, weil es eben eine völlig neue Geschichte erzählt, die man ruhig wieder aufgreifen könnte. Dann würde man wenigstens die Klassiker endlich in Frieden lassen.
Aber auch ansonsten stimmt hier hinten und vorne nicht viel. Ob es nun hauptsächlich am Konzept, am Mangel von Budget oder Zeit lag, ich weiß es nicht. Dass es pünktlich zum Start von Skyfall erscheint, hinterlässt jedenfalls in der Form den bitteren Nachgeschmack eines typischen Lizenzspiels: Schlechte bis mittelmäßige Grafik, nicht sonderlich intelligente KI-Gegner, die oftmals wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen durch die Gegend laufen, kurze Spielzeit und insbesondere ein wenig durchdachtes Konzept, bei dem man nicht weiß, ob die Entwickler nun mehr Stealth oder mehr Action wollten, sich letzten Endes aber einfach nicht zwischen beiden entscheiden konnten. Es war wohl diese Sorte von Deal: "Ein Spiel muss raus, sonst verlieren wir die Lizenz". Da helfen dann auch nette Ideen wie das motivierende Erfahrungspunktesystem oder der ganz gelungene Multiplayer nicht mehr. Immerhin ist es durchgehend spielbar und ansonsten ein zumindest durchschnittliches, wenn auch uninspiriertes Actionspiel, das ohne den bekannten Namen vermutlich gänzlich in der Versenkung verschwinden würde. Ein James Bond verdient jedoch mehr als das.