20 Jahre PlayStation! - 2005: God of War & Shadow of the Colossus
Die Erfindung des Monumentalspiels & was am Ende bleibt. (inklusive Gewinnspiel - heute: PS4 Wireless Headset 2.0)
20 Jahre PlayStation! Grund zum Feiern und Zurückgucken, was so in den letzten 20 Jahren los war. Wir haben uns aus jedem der 20 Jahre ein paar Themen und Spiele herausgepickt, machen uns ein paar Gedanken dazu und ihr seid herzlich eingeladen zu reminiszieren, lästern, schwelgen oder wundern, was man damals vielleicht verpasst hat.
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Ein Jahr vor: 20 Jahre PlayStation! - 2006: PlayStation Network & Yakuza
Ein Jahr zurück: 20 Jahre PlayStation! - 2004: Die PlayStation Portable und Killzone
God of War und die Erfindung des Monumentalspiels
Zugegeben, so richtig wusste keiner, warum God of War Ascension entstand. Es war ein an und für sich absolut brauchbares, unterhaltsames Spiel, aber irgendwo zwischen dem dritten und diesem vierten Teil auf Heimkonsole setzten sowohl bei Kratos als auch Sony Santa Monica Ermüdungserscheinungen ein und die Kettenschwerter flogen nicht mehr so unnachahmlich brachial durch die Luft wie zuvor. Trotzdem war die Kunde letzter Woche, dass das Studio zusammen mit Cory Barlog, dem Kopf hinter dem wohl besten Teil, dem zweiten nämlich, an einer Fortsetzung arbeitet, eine überaus frohe. Ich habe sogar nicht übel Lust, in Vorbereitung darauf endlich das bisher unvollendete Ascension weiterzuspielen.
Nach einem schwächeren Serieneintrag das komplette Franchise abzuschreiben wäre nicht nur ein grober Fehler, sondern auch unfair einer Reihe von Spielen gegenüber, die wie wenige andere die Grenzen des Machbaren ausloteten. Selten war ein charakterbasiertes Kampfspiel dermaßen verschwenderisch ausgestaltet, jede Einstellung, jeder Hintergrund so sehr darauf aus, dem Spieler den Teppich unter den Füßen wegzuziehen. Als God of War 2005 erschien, waren das Spektakel, das es abbrannte, diese Serienmörderei durch die Riege altgriechischer Sagengestalten und diese Kompromisslosigkeit bisher ungekannt. Selbst wenn man nie so richtig wusste, wer in diesen ruinierten Schlachtenbildern gegeneinander in den Krieg zog - egal, Kratos war im Krieg mit ihnen allen -, übersetzte sich jeder der Tausenden Gewaltakte im Spiel beinahe schmerzhaft auf den Spieler vor dem TV.
Beinahe beiläufig packte der Spartaner vereinzelte Feinde und riss sie über seinem Kopf entzwei, perfekte getimte Konter dünnten die Wellen der Gegner mit wunderbar griffigem Feedback aus und selbst die QTEs, eine großzügige Leihgabe von SEGAs Shenmue, waren damals noch eine gute Idee. Als man das erste Mal der gewaltigen Hydra gegenüberstand, wusste man bereits, dass man einen der Kandidaten für das Spiel des Jahres 2005 gefunden hatte. Nach langem Ringen benutzte man in einer simplen, aber anstrengenden Buttonfolge zunächst ihren Kopf dafür, den Mast des Schiffes scharfkantig abzubrechen, um sie schließlich in einem verzweifelten Todeskampf darauf aufzuspießen.
Als die Bestie erledigt war, fühlte man sich tatsächlich wie ein unbesiegbarer Held aus einer alten Sage. Mit "Press X to win" hatte das damals noch nichts zu tun. Immer wollte man sehen, was Kratos in den fantastisch choreografierten Kampfbeendern mit seinem Gegenüber anstellen würde. Schon im Voraus freute man sich auf das schmerzverzerrte Gesicht und das ungläubige Kichern, das einem die resultierende Sequenz fast immer entlocken würde. Es ist eine Schande, dass viele Spiele bis heute das Konzept so einfalls- und ideenlos kopieren und als Gameplay-Krücke über geskriptete Sequenzen stülpen.
God of war brachte den Konsolenspielen ein Gespür für monumentale Größe bei, von dem vergleichbare Titel bis heute profitieren. Es steht sinnbildlich für das Große-Augen-Spiel, für das man sich Freunde auf die Couch lädt, den Controller hin und her reicht und auch beim Zuschauen noch ungebrochen diebische Freude verspürt. Mit Ascension hat Sony Santa Monica herausgefunden, was nicht funktioniert. Niemand wollte wissen, warum Kratos so wurde, wie er ist - ein Problem, mit dem auch die Handheld-Ableger zu kämpfen hatten. Aber ich bin sicher: Wenn Sony das nächste Kapitel von Kratos' Zukunft aufschlägt, wetzen wieder alle mit Freuden die Säbel. (Alexander Bohn-Elias)
Shadow of the Colossus - Was am Ende bleibt
Nachdem Alex von God of War als Monumentalspiel schwärmte, kann ich gleich kontern, dass Kratos zwar sicher monumental war - und das Spiel mich jede Minute mitnahm, mit Ausnahme des unmenschlichen Speerschiebepuzzles zum Ende hin -, aber echte Größe hatte ein anderes Spiel: Shadow of the Colossus. Kratos hat in manchen Dingen die Spielwelt verändert, Colossus hat das Leben Einzelner berührt. Es ist eines dieser Spiele, bei denen man beginnt, alles zu hinterfragen. Wie Spieldesign funktionieren kann, warum man eigentlich gerne spielt, warum Japaner manchmal so viel Mist in ihren Spielen bauen, dann aber wieder ein solcher Titel von der Insel kommt, der einen im Alleingang zurück in die Konsolenwelt holt. Zu der Zeit spielte ich nicht auf Konsolen, war innerhalb von einem oder zwei Jahren zum reinen PC-Zocker mutiert. Warum, das weiß ich nicht mehr so genau, aber ein Spiegel-Online-Artikel holte mich zurück. Ein Blick auf diese Bilder und es gab keine Sekunde auch nur den Hauch eines Zweifels, dass ich das spielen MUSS.
Als würde der Albtraum von "Wo die wilden Kerle wohnen" durch Mut nicht besser werden, streift ihr durch einen seelischen Abgrund, um mit Riesen zu ringen und das Unmögliche zu erreichen. Diese Prämisse allein ist eigentlich das, was sich jedes gute Spiel zu einem Teil auf die Fahnen schreiben sollte. Nicht eine Million kleine, immer gleiche Feinde für Punkte und als Beschäftigungstherapie umzukloppen, sondern die eigenen Ziele ins Absurde umkehren und dann einen Weg dorthin erkämpfen. Durch Zähne, Fell, Klauen und Fleisch von 16 Bestien, die der griechischen Sagenwelt durchaus angemessen wären.
Das ist der Grund, warum ich Ico zwar für sein Design schätze, aber nicht als Spiel. Die Prinzessin zu retten ist was relativ Grundlegendes, daran gibt es nicht viel auszusetzen. Aber das hat man auf die eine oder andere Art eben schon hundertmal getan, auch wenn es hier in einer brillanten Inszenierung vor atemberaubenden Kulissen geschah. In Shadow of the Colossus ist die Prinzessin tot und ob das Ableben von über einem Dutzend Fabelwesen wirklich etwas daran ändert, was das Ergebnis am Ende sein wird, das steht in sehr einsamen Sternen. Ihr habt viel Zeit dafür, das beim Ausritt durch die unmögliche, absurde und in jedem anderen Spiel als Nachteil zu wertende Leere der Weiten zu kontemplieren.
Wie ein Bild auf den Betrachter wirken kann, wie er sich in Gedanken und Betrachtungen zu einem Stück im eigenen Geist verstricken kann, wie gute Kunst auf einen Menschen wirkt, das erfahrt ihr hier in einem Spiel auf eine einmalige Weise. Es gehörte viel Mut dazu, es so zu entwerfen und schlicht zu sagen, dass dieses Werk so sein muss. Es gab sicher viele Einwände, es anders zu gestalten, aber dann hätte es womöglich nicht mehr funktioniert.
Ich passe als Kritiker bei diesem Spiel. Es gibt nichts, das ich inhaltlich verändern würde, keinen einzigen Pixel. Selbst die etwas umständliche Steuerung spielt ab einem gewissen Punkt keine Rolle mehr. Kunst darf auch manchmal etwas sperrig und unzugänglich sein. Es ist Teil der Erfahrung. Ist es ein gutes Spiel? Ja, ist es auch. Es ist viel leeres Rumrennen mit 16 absoluten Kick-Ass-Boss-Fights, wenn man es darauf herunterbrechen möchte. Das wäre ungefähr so, als würde man sagen, dass die Sixtinische Kapelle ein praktischer Mehrzweckraum für Kirchenangelegenheiten sei.
Wenn die ganze Bibliothek dieser Konsolengeneration dem Untergang geweiht wäre und nur von einem Spiel gerettet werden könnte, ich würde keine Sekunde zögern. Für Shadow of the Colossus tausche ich alle Spiel einer ganzen Ära ein. Nicht, weil es unbedingt das beste Spiel ist, sondern das wichtigste. Eines, das zeigt, dass Spiele mehr sein können. Dass ein Bruch mit Konventionen und Regeln von Zeit zu Zeit wichtig ist, um das Außergewöhnliche zu ermöglichen. Es gibt kein Dutzend Spiele in den letzten 30 Jahren, über die ich das sagen würde. Shadow of the Colossus steht in sich ruhend auf dem Olymp der PS2, wie eine Sphinx nie ganz erfassbar, und wer es gespielt hat, weiß, dass es auch die Krallen hat, um sich euch vom Leib zu halten. Für seine Kunst muss man leiden, das gilt nicht nur für den Künstler, sondern auch für den Betrachter. (Martin Woger)