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20 Jahre PlayStation! - 2010: Heavy Rain

Das flexibelste Adventure - Jahre vor The Walking Dead. (inklusive Gewinnspiel - heute: PlayStation Kamera)

20 Jahre PlayStation! Grund zum Feiern und Zurückgucken, was so in den letzten 20 Jahren los war. Wir haben uns aus jedem der 20 Jahre ein paar Themen und Spiele herausgepickt, machen uns ein paar Gedanken dazu und ihr seid herzlich eingeladen zu reminiszieren, lästern, schwelgen oder wundern, was man damals vielleicht verpasst hat.

Entdecke die 20 Jahre PlayStation Serie

Ein Jahr zurück: 20 Jahre PlayStation! - 2009: Uncharted 2 und Demon's Souls

Ein Jahr vor: 20 Jahre PlayStation! - 2011: Die PlayStation Vita und Das J-RPG in Zeiten des HD


Heavy Rain - Jahre vor The Walking Dead das flexibelste Adventure

David Cage ist kein besonders guter Geschichtenerzähler. Das wurde nicht erst durch all das Gewese klar, das er um Emotionen veranstaltet, die man seiner Auffassung nach offensichtlich in erster Linie in der Anzahl der Polygone in den Gesichtern seiner virtuellen Schauspieler misst. Seine Geschichten haben bisweilen klaffende Löcher, bedienen sich freimütig bei den Standards des Genre-Kinos und seine gestelzten Dialoge lassen keinen Zweifel daran, dass sie nicht in der Muttersprache des Autoren verfasst wurden. Trotzdem ist Heavy Rain für mich eines der faszinierendsten Spiele der PS3-Generation, denn ein guter Regisseur, das ist Cage in jedem Fall.

Kameraführung, Szenenbild und Stimmung versteht er wie wenige andere in diesem Medium und hier greift ihm auch die Technik, die er so liebt, an den richtigen Stellen unter die Arme. Vor allem aber ist der interaktive Krimi, dem mit dem "The Casting"-Video der vielleicht aufsehenerregendste Trailer seiner Ära voranging, in Sachen Struktur ein großer Erfolg. Man kann über Cages Qualitäten als Autor die Nase so kraus ziehen, wie man will. Dass in diesem Wust an Möglichkeiten und Handlungsverästelungen am Ende für die meisten trotzdem noch etwas entsteht, das zumindest einer Geschichte mit Anfang, Mitte und Ende gleicht, ist ein kleines Wunder.

"Dass in diesem Wust an Möglichkeiten und Handlungsverästelungen am Ende trotzdem noch etwas entsteht, das zumindest einer Geschichte mit Anfang, Mitte und Ende gleicht, ist ein kleines Wunder."

Heute vielleicht nicht mehr nachvollziehbar, aber 2006 war das 'The-Casting'-Video die Sensation schlechthin. Leider ist es auch deutlich besser geschrieben als das Spiel, das dann daraus wurde.Auf YouTube ansehen

Natürlich führte Quantic Dream uns Spieler im Bezug auf einen speziellen Charakter-Twist mutwillig hinters Licht, natürlich waren Ethans Blackouts ein unfairer "Red Herring", der noch dazu in grob fahrlässiger Weise nicht bis zu seinem Ende erklärt wurde (eine Erklärung existierte, aber sie wurde im Sinne des Pacings geschnitten) und natürlich ist 'Press X to Jason' bis heute unfreiwillig komisch. Am Ende muss man aber seinen Hut ziehen, wie unterschiedlich dieses Spiel ausgehen kann. Es ist problemlos möglich, dass man das Kind nicht rettet, der Killer davonkommt und der Vater in seiner Zelle Selbstmord begeht. Sowohl Reporterin Madison als auch der FBI Agent Norman konnten sterben und somit als Rettungsoption für den entführten Jungen entfallen. Auch wenn das "Happy End" einfacher zu erreichen war, was ich abseits der Story-Entgleisungen für die einzige wirkliche Verfehlung dieses Spiels halte, sind die zahllosen Abstufungen, die Heavy Rain zwischen beiden Extremen erlaubt, bis heute das eindrucksvollste Beispiel dafür, wie man interaktive Narrativen dehnt und beugt.

Dazu kamen ein elegantes Interface, zumindest nachdem man nach einem Patch endlich die Figur ganz normal mit dem Stick steuern konnte, und eine kontextbasierte Steuerung, die die Bezeichnung "QTE" eigentlich nicht verdient hatte. Gerade die Szenen, in denen man eine unbequeme Tastenfolgen halten musste, um sich etwa hinter einer Tür zu verstecken, übersetzen die Anspannung und Anstrengung der Situation ausgezeichnet auf den Spieler. Selten wurde alleine über die Steuerung so wirkungsvoll eine Stimmung vermittelt. Das rechne ich dem Spiel hoch an. Dazu kommen die viele kurze, aber großartige Momente, in denen Cage eben doch subtiles Feingespür beweist. Gebe ich mich vor der Polizei als Katastrophenvater zu erkennen, weil ich mich ums Verrecken nicht daran erinnern kann, welche Kleidung mein virtueller Sohnemann unmittelbar vor seiner Entführung trug? Ziehe ich den Abzug der Pistole wirklich, die mir das Spiel in einer Szene in die Hand drückt? Und dann erst das "Verhör" der demenzkranken Zeugin im Seniorenheim.

Spoilerwarnung: Hier das schlechteste mögliche Ende.Auf YouTube ansehen

Nicht alles kam am Ende in Heavy Rain zusammen, wie man es sich vielleicht gewünscht hatte. Es ist trotzdem ein wichtiges Spiel, dessen bloße Existenz nicht nur für Quantic Dream spricht, sondern auch für Sony. Es ist eines dieser Prestigeprojekte, die man nicht macht, weil man sich davon große Gewinne verspricht. Man macht sie, weil man der Überzeugung ist, etwas zu erschaffen, dass es bisher noch nicht gab; weil man technische Grenzen sprengen und ausgetretene Pfade verlassen will. Dafür bin ich dankbar. Jetzt müssen wir eigentlich nur noch dafür sorgen, dass Telltale ein Spiel für David Cage schreibt, denn das wäre ein echter Glücksfall für das Genre der Erzählspiele… (Alexander Bohn-Elias)

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