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2015! - Die Charaktere, an die wir uns auch nach Silvester noch erinnern konnten

Ein letzter Blick zurück.

Charakterzeichnung ist das Feld, in dem Videospiele dem Film bei allen Annäherungsversuchen noch immer regelmäßig hinterherhinken. Obwohl Games in ihren häufig Dutzende Stunden langen Kampagnen zumindest theoretisch so viel mehr Raum für Introspektive bieten, bequemen Entwickler immer wieder Stereotypen und gewohnte Bilder, wenn es um das Profil der Akteure geht. Dann wiederum bieten Spiele die einmalige Chance, in diesem Feld nicht nur vielzeilig in die Tiefe der Seelenwelt einzusteigen, sondern sich ein paar Eigenheiten dieses Mediums zu eigen zu machen. Hier ein paar Figuren, die genau das machen, einige, die einfach nur gut geschrieben sind, und eine, die hier eigentlich nicht reingehört und trotzdem durch und durch einzigartig war.

Quiet aus Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain (SPOILER!)

Damit das gleich vom Tisch ist: Dieser Charakter hat die von vorne bis hinten schmierige Fleischbeschau nicht verdient, die Kojima mit ihm anstellt. Und ich finde Quiet nicht einmal gut geschrieben. Sie ist definitiv Ausgangspunkt einiger der coolsten Actionszenen des letzten echten Metal Gear. Doch abseits des bestechenden Designs ihres Satzes Fähigkeiten - die Handschellennummer im Heli nach Mission 11 ist fantastisch - hat sie im Grunde nicht viel zu bieten. Gerade die treibende Rachegeschichte ist für den Allerwertesten, sobald man begreift, dass sie es war, die den komatösen Boss noch im Krankenhausbett massakrieren wollte.

... und fragt lieber erst gar nicht nach dem Grund für ihr leichtes Outfit, den sich Kojima ausgedacht hat.

Die Wolbachieninfektion auf Mother Base nicht auszulösen, ist ein mies herbeikonstruierter, halbherziger Scheinkonflikt und allgemein hat man das Bedürfnis, trotz ihres schönen End-Songs mit einer Doppelportion Käse, man hätte lieber weniger bis gar nichts von ihr erfahren. Quiets Stärke als Figur liegt voll und ganz darin, was Kojima mit ihr auf dem Schlachtfeld anstellt. Nicht einen Moment begreift man die von der KI gesteuerte Scharfschützin, der man grobe Befehle geben kann, als Roboter oder NPC. Wenn man mit dem Messer zwischen den Zähnen durch den Dreck robbt und ihren Laser auf dem Hinterkopf einer Wache ruhen sieht, verwandelt sich dieses vorher so unbarmherzige Spiel in ein ganz anderes.

Man ist nicht mehr allein in diesem Krieg, man hat einen Partner, der einem den Rücken freihält. Das Schlaflied im Ohr gibt dir zu verstehen: "Ich bin da, den Finger auf dem Abzug. Du kannst dich auf mich verlassen". Und wie man das kann. Als Quiet ging, war The Phantom Pain für mich nicht mehr dasselbe. Ich bin sicher, Kojima würde auch das als Phantomschmerz-Stilmittel ausweisen, und das war vermutlich tatsächlich von vornherein so geplant. Ich habe jedenfalls selten eine nicht steuerbare Figur in einem Videospiel erlebt, deren An- oder Abwesenheit einen derartigen Unterschied für das Erlebnis machte. Ich liebe Kojima, ich hasse Kojima. Gott, bin ich froh, dass er unter genau dem Namen weitermacht. (Alexander Bohn-Elias)

Test zu Metal Gear Solid 5 : The Phantom Pain

Sans aus Undertale

Praktisch jede Figur in Undertale zeichnet sich durch ihre einzigartige Persönlichkeit aus. Wenn ich einen Charakter hervorheben muss, der mir von allen wohl am längsten im Gedächtnis bleiben wird und für den ich Undertale sofort noch ein viertes Mal durchspielen könnte, dann ist das ganz eindeutig Sans. Das Besondere an ihm ist seine Vielschichtigkeit, die man erst im Verlauf der Handlung oder, besser gesagt, mehrerer Durchgänge erfährt. Oberflächlich betrachtet scheint Sans zu Beginn des Abenteuers nicht mehr als eine witzige Figur zu sein und bildet durch seine gelassene Art den perfekten Partner für seinen übereifrigen Bruder Papyrus.

Blöde Witze und trotzdem Tiefgang: Sans

Doch obwohl Sans sehr ruhig und faul wirkt, ist er wahrscheinlich die besorgteste Person des Spiels und begreift als fast Einziger die tatsächlichen Regeln seiner Welt. Vieles davon erkennt man nur beim überaus brutalen Genocide-Run, in dem alle Charaktere und Gegner vom Spieler besiegt werden müssen. Dazu zählt natürlich auch Sans, dessen Gefecht aus narrativer sowie spielmoralischer Sicht den eindeutigen Höhepunkt von Undertale repräsentiert. Eine unglaublich fantastische Figur in einem Spiel vollgestopft mit unvergesslichen Charakteren. (Björn Balg)

Gortys aus Tales from the Borderlands

Der Cast von Tales from the Borderlands hat so einige tolle Figuren zu bieten, aber Gortys wird mir vermutlich am meisten in Erinnerung bleiben. Dieser kleine, unscheinbare und knuffige Roboter, hinter dem letzten Endes doch mehr steckt, als man erwartet. Gortys wurde allein zu dem Zweck konstruiert, die Vault des Travelers vor Hyperion zu erreichen, sie ist quasi der Schlüssel dazu. Fiona und Rhys betrachten sie aber als echte Freundin. Ihre Naivität und Unbekümmertheit helfen Gortys zwar nicht immer weiter, aber sie machen sie sympathisch. Sie erweckt den Anschein eines kleinen Kindes. Aber kein nerviges Kind, sondern eines, das man am liebsten drücken möchte, weil es so liebenswert ist.

Gortys ist vorne rechts im Bild.

Aber natürlich kann man Gortys, die übrigens von Ashley Johnson (Ellie aus The Last of Us) gesprochen wird, nicht erwähnen, ohne auch den Loader-Bot anzusprechen. Loader-Bot tut alles, um Gortys zu schützen, und opfert dafür sogar seine Beine. Er betrachtet sie als seine Freundin und sorgt sich sehr um sie. Ist das nicht niedlich? So etwas findet man auch nur im Borderlands-Universum. Okay, vielleicht noch in Wall-E, aber sonst? Übrigens ein passender Vergleich. Gortys erinnert mich ein wenig an EVE aus Wall-E, vielleicht mag ich sie deshalb so sehr. Am liebsten hätte ich einen Gortys-Roboter in der kleinsten Form für zu Hause. (Benjamin Jakobs)

Test zu Tales from the Borderlands

Durance und Trauernde Mutter - Pillars of Eternity

Pillars of Eternity kriegt in Sachen Gefährten nicht immer hundertprozentig die Kurve, schafft aber Platz für einige erinnerungswürdige Auftritte. Edér und Aloth haben ihre Momente, Kana ist die heitere, lebensbejahende Stimme im Hinterkopf, und richtig gut wird es mit der Trauernden Mutter und dem Priester Durance. Ihre verhüllende Aura macht die Mutter für normale Augen zu einer verlotterten, nicht wahrnehmenswerten Frau, vergessen schon in dem Augenblick, wo man den Kopf abwendet. Die Spielerinteraktion in ihren Erinnerungen gehört zu den besten Inhalten Pillars', daneben ihre ausschweifend getextete Körpersprache. Durance ist ein erfrischender und in sich verdrehter Gefallener-Priester-Entwurf, dessen Wesen man mit der Zeit versteht, die man an seiner Seite verbringt.

Bei der Mutter ist es schade, dass es der im ersten Charakterentwurf angedachte "mentale Dungeon" nicht in der Form ins fertige Spiel schaffte. Wie cool wäre es gewesen, eine derartige Interaktion zwischen Spieler und Begleiter zu schaffen? In ihrem Geist herumzuwühlen, ohne dass sie etwas mitbekommt, das hätte netten Konfliktstoff auf beiden Seiten geliefert. So bleibt es bei einer Truppe Weirdos, die an der Wegkreuzung einem nahezu Unbekannten ihre Vergangenheit ausplaudern. Nicht schlimm und sehr gern, wenn sie so ordentlich bis fantastisch geschrieben sind wie hier. (Sebastian Thor)

Test zu Pillars of Eternity

Asher Forrester aus Telltales Game of Thrones (SPOILER)

Asher Forrester ist im Grunde der Han Solo von Telltales Game of Thrones. Stark, gewitzt und mit reichlich Bad-Boy-Charme gesegnet, ist er ein Halsabschneider vor dem Herrn. Bestimmt hat er auch einen mordsmäßigen Schlag bei Frauen. Ich meine, ehrlich. Man muss ihn einfach mögen. Eigentlich Erbe des Hauses, dann das Exil in Essos und jetzt die Rückkehr in die Heimat, um der Familie, die ihn einst wegschickte, das Überleben zu sichern. Und dann - nun, dann überlässt einem Telltale die Entscheidung, ob er seine Ankunft in Westeros überlebt oder sich für seinen jüngeren, aber reiferen Bruder Rodrik opfert.

Iron from ice, Asher! Iron from ice!

Das muss man sich vor Augen halten: Die ganze Zeit über baut Telltale den charismatischen Raufbold als Sympathie- und Hoffnungsträger des Hauses auf und dann wirft man ihn trotzdem in eine Situation, in der man sich - sofern man bei vollem Verstand ist - für Rodrik entscheidet. So zumindest geschehen bei mir. Ich habe diesen Teufelskerl geliebt, seinen ruppigen Nordmann-Akzent, die Chemie mit seiner ebenfalls fabelhaften platonischen Wegefährtin Beshka - und doch schickte ich ihn in den Tod und er hieß ihn willkommen wie ein Mann. Asher Forrester war für Größeres bestimmt als dieses Ende. Ich wusste das, sein Bruder wusste das und er wusste das wahrscheinlich auch. Trotzdem gab er sein Leben. Vermutlich ist es gerade dieses tragische Opfer, das wahre Größe ausmacht. (Alexander Bohn-Elias)

Test zu Game of Thrones

Satoru Iwata (1959 - 2015)

Er ist zwar kein Charakter im eigentlichen Sinne dieses Artikels, aber es ist trotzdem noch einmal wichtig zu sagen, wen sicher kein echter Konsolenspieler auch nach 2015 je wirklich vergessen wird. Jedenfalls nicht für sehr lange Zeit. Am 11. Juli starb Satoru Iwata im alles andere als hohen Alter von 55 Jahren. In den frühen 80ern als Programmierer bei HAL gestartet, übernahm er 2002 die Leitung von Nintendo, und blickt man diese Jahre zurück, was er alles mitgeschaffen hat, erkennt man schnell, dass da einer der ganz Großen viel zu früh ging. Von liebevollen Kleinkunstwerken wie Earthbound und Kirby über den mutigen Umbruch weg vom Gameboy hin zum DS und natürlich dem legendären Erfolg der Wii gestaltete er den Konzern mit und führte ihn sicher durch raue Zeiten, ohne anscheinend den Spaß und das Verspielte dieser ganz eigenen Branche aus dem Blick zu verlieren.

Vom ersten Kontakt mit Pong bis hin zu den letzten Folgen der legendären Iwata-Asks-Reihe blieb er nicht nur den Zahlen eines Konzerns, sondern auch immer den Spielen treu. "Laut meiner Visitenkarte bin ich Firmenpräsident. In meinem Kopf bin ich Spieleentwickler. Aber in meinem Herzen bin ich Spieler." Man glaubte ihm solche Sätze zu jedem Zeitpunkt seiner langen Karriere, weil er sie sichtbar und mit Freude lebte. Please understand: Es ist unwahrscheinlich, dass wir einen wie ihn noch einmal erleben werden. (Martin Woger)

Spiele sollen Spaß machen!" - Ein Nachruf

Die größten Errungenschaften und Erfolge Satoru Iwatas - Ein kurzer Blick auf eine legendäre Karriere

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