40 Jahre Microsoft Flight Simulator: Asobo feiert die Erfolgsgeschichte mit einem besonderen Flugzeug
Geburtstagsfeier im Aerodies.
An der Westküste der USA zwischen Feldern und Weinbergen stieg eine große Party zu Ehren des Microsoft Flight Simulators. Das beliebte Franchise ist auf den Monat genau 40 Jahre alt geworden, die Spielerzahlen steigen und es könnte kaum besser laufen. Für die Feierlichkeiten und die Vorstellung des neuen Updates hat sich das Team deshalb eine ganz besondere Location ausgesucht. McMinnville heißt das kleine Örtchen im Bundesstaat Oregon, an das es mich Anfang November verschlagen hat.
Warum eine Kleinstadt mit nicht einmal 35.000 Einwohnern? Asobo selbst sitzt in Bordeaux in Frankreich – eine schöne Stadt, die sich doch ebenso gut angeboten hätte, oder? Nein, nicht ganz, denn nur so konnte das Studio sein Event im Evergreen Aviation & Space Museum abhalten, das sehr stark mit den neuen Inhalten zusammenhängt. Dreizehn Stunden und zwei Flüge habe ich für eine Tour investiert und wurde mit einer wundervollen Veranstaltung, einer ausführlichen Präsentation zur 40th Anniversary Edition, zahlreichen Interviews und einer ausgiebigen Hand-on-Session belohnt.
Der Microsoft Flight Simulator hebt trotz seines Alters ab
Der Flight Simulator ist eines von Microsofts erfolgreichsten Franchises. Es gibt ihn schon länger als Microsoft Office und auch meine Wenigkeit war noch lange nicht geplant, als der erste Flight-Sim-Teil 1982 das Licht der Welt erblickte. Mehrere Spielergenerationen sind bereits in den virtuellen Flieger gestiegen und haben ihre Runden gedreht. Piloten, die auch abseits ihres Jobs nicht genug von den luftigen Höhen bekommen sowie Couch-Kartoffeln, die mit wenig Aufwand und Geld die entlegensten Orte erkunden können.
40 Jahre. Von einer solchen Lebenserwartung träumen Service-Games nachts. Und bisher sieht es danach aus, als wäre der Microsoft Flight Simulator noch weit vom Sinkflug entfernt. Besonders der Release auf der Xbox hat der neuesten Version ordentlichen Auftrieb gegeben. In der einstündigen Präsentation in einem Kinosaal des Museums erklärte Asobos Projektleiter Jörg Neumann, dass sich die Spielerzahlen seit dem Release auf der Konsole und später auf Xbox Everywhere jeweils verdoppelt hätten. Auch die Pandemie ließ viele neue Hobby-Piloten in die Flieger steigen, um zumindest virtuell zu Reisen oder nach Hause zurückzukehren.
Eine Frage, die mir schon vor dem Event unter Nägeln brannte, war, wie ein Flugsimulator sich so lange auf den Tragflächen halten konnte. Laut Neumann sind der Realismus, die Vision des Spiels, die Echtzeitrelevanz und die Innovation die vier Säulen des Erfolgs. Der Simulator sei technisch fast immer auf dem bestmöglichen Stand gewesen und Asobo habe bei seinen Entscheidungen immer ein offenes Ohr für alle Teile seiner Community gehabt – egal ob Anfänger oder Überflieger. Genau das hat Asobo auch für das 40. Jubiläum des Simulators gemacht und gleich zwei große Wünsche der Spieler, zusammen mit vielen weiteren Inhalten, erfüllt.
40th Anniversary Edition – Das wartet hinter dem blauen Geschenkpapier
Mit an Bord der kostenlosen 40th Anniversary Edition sind vier neue Flughäfen, 24 Classic-Missionen aus älteren Versionen, sieben historische Flugzeuge, der Airbus 310, zwei Helikopter und 14 Helikopterlandeplätze, zwei Segelflugzeuge sowie 15 passende Landeplätze. Besonders die zwei neuen Flugzeugtypen dürften Kennern schnell ins Auge fallen und in der Community bereits oft nachgefragt wurden. Diese beiden neuen Transportmittel standen im Fokus der Hands-on-Session. Direkt im Evergreen Museum hat Asobo dafür eine riesige Station mit Xbox-Konsolen, feinsten Bildschirmen und der vollen Hardware-Ausstattung verschiedener Anbieter aufgebaut.
Unter besten Bedingungen habe ich mir zuerst den Helikopter geschnappt und versucht ihn in die Lüfte und dann um den Pudding zu fliegen. Besonders beeindruckend ist dabei die Anzeige für den Airflow. Die grünen Linien zeigen haargenau, wie die Luft um den Helikopter herum zirkuliert und kann dabei locker mit professioneller Software mithalten. Das Team hat mir empfohlen, den Helikopter mit Gamepad oder einem Joystick zu steuern und die beiden neuen Flughilfen zu nutzen. Das war auch nötig, denn ganz so leicht und intuitiv ist die Steuerung nicht, wenn man die Flugzeuge gewohnt ist. Trainingsmissionen gibt es für den Helikopter aber nicht. "Learning by doing" ist hier die Prämisse, hinter der auch Asobo steht. Ein paar nützliche Tipps werden immerhin am rechten oberen Bildschirmrand eingeblendet. Hat man die Steuerung aber erstmal raus, bringen die Helikopter eine völlig neue Perspektive in den Flugsimulator und ermöglichen es euch viel dichter an Objekten und tiefer am Boden unterwegs zu sein.
Viel entspannter sind dagegen die Segelflieger. Völlig ohne Motorantrieb seid ihr den Luftströmen ausgesetzt und gleitet langsam über die weiten Flächen, seht Sonnenuntergänge und genießt einfach die Aussicht. Da ihr nicht selbstständig starten könnt, gibt es mehrere Optionen, euch in die Luft zu befördern, die allesamt innerhalb der sieben Trainingseinheiten abgehandelt werden. Erstmals erhaltet ihr Unterstützung von einem NPC, Jimmy, der für einen reibungslosen Start sorgt. Den Naturgewalten ausgesetzt zu sein und keinen Motor in der Hinterhand zu haben, der euch notfalls noch ein wenig länger und konstanter in der Luft hält, ist schon ein spannendes Gefühl. Ein Tool zeigt euch, wo warme Luftströme aus dem Boden entwichen, die euch aufsteigen lassen. Mal eben die Hände vom Controller nehmen solltet ihr mit den Seglern lieber nicht. Sonst kann es schnell passieren, dass euch die Winde aus dem Gleichgewicht bringen und wie einen schlecht gebauten Papierflieger mit der Schnauze auf dem Boden prallen lassen.
Insgesamt 40 GB ist das Update groß und Jörg Neumann weiß, dass das Spiel noch viel, viel größer wird. "Als der Microsoft Flight Simualtor rausgekommen ist, war er ungefähr 120 GB groß, jetzt sind wir bei 300 GB. Ich habe gerade den Plan für nächstes Jahr gemacht und da sind wir dann bei über 500 GB. Irgendwann kann das vielleicht nicht mehr so einfach weitergehen." Der Speicherplatz wird damit wirklich unbequem groß, aber immerhin bedeutet das jede Menge weiteren Content für alle Flugzeugliebhaber. Und wer weiß, was sich die schlauen Köpfe im Bereich der Speichertechnik bis dorthin so alles einfallen lassen.
Begrüßt den Ehrengast: Die Spruce Goose kommt in den Flight Simulator
Das Highlight des Events und das größte Argument für den Veranstaltungsort war die Spruce Goose, das größte Holzflugzeug, das jemals gebaut wurde. Dieses wird mit der 40th Anniversary Edition ins Spiel gebracht und konnte von allen Teilnehmern des Events in voller Pracht bewundert werden. Dabei handelt es sich um das Original, kein Nachbau. Mit einer Flügelspannweite von 97,5 Metern, einer Länge von 66 Metern und einem Gewicht von 136.000 Kilogramm – wenn es völlig leer ist wohlgemerkt – füllte das lebendige Stück Flugzeuggeschichte den gesamten Ausstellungsraum und hat beim besten Willen nicht auf ein normales Foto gepasst. Vielleicht auf eines mit Panorama-Funktion?
Einzigartig macht die Spruce Goose nicht etwa ihre Flugkarriere. Im Jahr 1947 war das hölzerne Ungetüm für sage und schreibe 30 Sekunden bei 25 Metern Höhe in der Luft. Danach ist sie in Frührente gegangen. Das grau angepinselte Holzflugzeug ist das einzige seiner Art und besteht zum größten Teil aus Birke und ist durch den Kleber und die spezielle Leimtechnik besonders stabil. Fichte, oder "spruce", wie es auf Englisch heißt, macht nur einen Prozent des Holzkörpers aus. Nur der Motor mit 3.000 PS, Schrauben, die Elektronik und ein paar weitere Befestigungsteile sind nicht aus Holz. Das Cockpit, in das ich kurz hineinschnuppern durfte, konnte ich später mit dem Modell im Flugsimulator vergleichen. Dort fliegt es sich sehr gemächlich und lässt sich durch Gewicht und Größe schwerfällig lenken. Seid ihr in der Luft, könnt ihr euch eigentlich auch noch schnell einen Kaffee machen. Ein wirklich interessantes Flugzeug, selbst für alle, die sich nicht als Hardcore-Flugnerd bezeichnen würden.
Das Flight-Sim-Team durfte dieses einzigartige Flugzeug im Museum ausmessen und bekam vom Museum auch allerhand Daten zur Verfügung gestellt, damit der schwere Brocken auch möglichst naturnah im Microsoft Flight Simulator nachgebildet werden konnte. Aber wie kam es eigentlich zu der Zusammenarbeit zwischen Asobo und dem Evergreen Museum? Es begann alles mit einem spontanen Anruf eines Mitarbeiters, erzählt Museums-CEO Tyson Weinert. Dieser rief Asobos Jörg Neumann an und kam direkt zum Punkt: "Was hälst du von der Spruce Goose?" Da wir wissen, wie die Geschichte ausgegangen ist, hat Neumann die Idee wohl sehr gefallen. Dabei hatte man zuvor noch keinen Kontakt zu Neumann gehabt. Mit Videospielen in Verbindung gebracht werden, kann das Evergreen Museum aber durchaus, denn neben einer generellen Neugier zu diesem Thema gab es auch alte Flight Sim Labs in den Hallen des historischen Flugzeugparadieses. Für zukünftige Projekte oder zumindest ein Aufrechterhalten dieser guten Partnerschaft, sei das Museum mehr als offen.
Nach einem langen Tag voller interessanter Gespräche, einem Rundgang durch das Museum, köstlicher Verpflegung und ein paar Schlückchen regionalem Wein, die unter den mächtigen Flügeln der Spruce Goose genossen wurden, war es dann auch wieder Zeit, selbst ins Flugzeug zu steigen. Den langen Heimweg bin ich im Gegensatz zum Flight Simulator dann aber doch lieber als Passagier angetreten.