7554: Glorious Memories Revived - Test
Vietnam mal von der anderen Seite und einem anderen Krieg aus gesehen
Vietnams Spieleindustrie startet nicht ganz bei null. Der Versuch, internationale Aufmerksamkeit zu erlangen, scheint derzeit vor ungefähr acht bis zehn Jahren zu beginnen, so um die Zeit der ersten Generation Call of Dutys herum. Kein willkürlicher Vergleich, denn genau das möchte das erste in Richtung Westen exportierte Spiel ganz verzweifelt sein. Schade. Das Einzelspieler-Konzept von Call of Duty ist schon gut ausgeführt kein großes Highlight. Schlecht umgesetzt ... nun, ich hatte schon schlimmerer Abende mit einem Shooter, aber wieder einmal müssen Kracher wie Rogue Warrior zur Beweisführung bemüht werden.
Lauft zu willkürlichem Punk X, weil das Spiel es sagt, ballert eine bestimmte, aber euch nicht bekannte Zahl an Feinden ab, dann weiter zu Punkt Y. Wiederholen, weiterrennen, um euch herum Dauerfeuer beliebig nachströmender Feinde. Das ist 7554 - Glorious Memories Revived in der Zusammenfassung. Dieses Konzept kann funktionieren, zumindest für ein kurzes Wochenende. Call of Duty kennt nach vielen Versuchen inzwischen perfekt das Tempo, um zu verschleiern, dass es eine ähnlich seicht strukturierte Schießbude in seinem Solo-Spiel ist. In 7554 wirkt es einfach nur tapsig, als würde man einen Mod spielen, der versucht das Konzept auf einer nicht unbedingt dafür geeigneten Engine umzusetzen.
Diese Engine ist es auch, die den Von-vor-zehn-Jahren-Look bestärkt. Höher aufgelöst, hier und da ein Lichteffekt. Die Vision-Engine stammt aus 2003 und nicht ganz gekonnt eingesetzt sieht es halt aus, wie ein Blick zurück in eine Vergangenheit, in der dieses Spiel noch zumindest mildes Lob für seine Optik geerntet hätte. Heute ... Meh. Hab' Schlimmeres gesehen, aber zweimal hinzugucken, wäre schon etwas viel verlangt. Zu staksig die Animationen, zu detaillos die Texturen, zu billig die Effekte, um das belanglose Spielkonzept auf diese Weise zu kaschieren. Wie es ein gewisses Call of Duty immer wieder ganz gut hinbekommt.
Dieses hatte allerdings auch schon vor Modern-Warfare-Zeiten seine KI besser im Griff, die hier gerade auf eigener Seite einfach mal komplett ohne Rücksicht auf die Anwesenheit des Spielers agiert. Ihr werdet gern aus der Deckung geschubst, was dank hoher Trefferwirkung bei großer Feindzahl schnell zu einem der zahlreichen und sehr fairen Rücksetzpunkte führt. Auf feindlicher Seite verlässt sich das Spiel gleich lieber auf Zahlen, als die Intelligenz eines Einzelnen und wenn man die Gegner so herumstolpern und immer brav kalkuliert laufen, ducken und wieder aufstehen sieht ist das auch besser so.
Die eigenen Bewegungen und die Spielbarkeit schwanken ebenfalls über die komplette Bandbreite des Möglichen. Das Waffen-Feeling wurde gar nicht mal so schlecht umgesetzt, das bleibt den Soundeffekten vorbehalten. Schießt ihr gezielt über Kimme und Korn, trefft ihr alles, was auch nur einen Pixel aus der Deckung geht, ungezielt ist es ein fifty-fifty auf einen Meter. Die Nachladeanimation zeigt jede einzelne Kugel, die in die Waffen wandert, was natürlich ziemlich lange dauert, sich aber nicht unterbrechen lässt. Da kann der Feind schon mal um die Ecke kommen, es wird erst geschossen, wenn auch die letzte Kugel sitzt. Hektisch sucht ihr dann Deckung, während der Kamerad stoisch die Animation beendet. Hat man so schon eine Weile nicht mehr gesehen und hat auch nicht viel mit Realismus zu tun. Dieses Gewehr würde auch mit einer Kugel im Lauf schießen.
So arbeitet ihr euch kontinuierlich milde bis massiv genervt durch verschiedene Dschungel und Städte, immer dicht auf den Fersen der französischen Besatzungstruppen. Und das ist auch das große Highlight von 7554. Es bemüht nicht das übliche Vietnamszenario der 60er und 70er, sondern nimmt sich den Französischen Indochina-Krieg vor. Einzelne Ausschnitte beginnen bereits 1946 und es endet mit den letzten Kriegstagen 1956. Es ist ein unbekanntes Setting, ihr spielt auf der ungewohnten Seite der Kommunisten und es werden Ereignisse gezeigt, die selbst eine moderate Schulbildung nicht unbedingt abdeckt - diese kümmerte sich hier eher um den Koreakrieg. Ehrlich gesagt ist dies das Beste und einzig Erfrischende an dem Spiel. Und leider kann es dank zu schnell laufender Untertitel als Ergänzung zu einer nicht sehr kohärenten Erzählweise auch hier nur bedingt punkten.
Das ging so weit, dass mir erst nach drei Missionen klar wurde, dass ich einer bestimmten Gruppe von Soldaten durch den Krieg folge und nicht einfach mit namenlosen Leuten die einzelnen Schlachten erlebe. So ausgeführt wie in 7554 könnt es aber genau das sein und es würde praktisch keinen Unterschied machen. Schade. Hier steckt eine Band-of-Brothers-Geschichte drin, die nach klassischem Muster hätte laufen können, aber so werdet ihr einfach ein wenig außen vor gelassen, statt mit Kamerad und Genosse mitzuleiden und euch wirklich für etwas zu interessieren.
Jeder muss mal irgendwo anfangen, das gilt auch für die vietnamesische Spieleindustrie, nur leider wählt 7554 ein Konzept, das heutzutage nur noch in technischer Perfektion punkten kann und rein spielerisch selbst nicht viel zu bieten hat. Die Call-of-Duty-Dauerschießbude mit beliebig nachströmenden Feinden und Pseudo-Ereignis-basiertem Weiterrennen lässt kalt, wenn da nicht alles auf den Punkt sitzt und das kann man hier leider von keinem einzigen Aspekt behaupten. Es ist wirklich schade um das schöne, weil noch unverbrauchte Szenario, aber selbst wenn dieses nicht so gehetzt umgesetzt worden wäre, würde das aber allein immer noch nicht für ein solides Spiel genügen. 7554 - Glorious Memories Revived hätte ein alternativer Blick auf die Welt über das Fadenkreuz hinweg sein können, leider reichte es nur für ein mit 20 Euro recht preiswertes, aber dennoch ärgerliches Ballerspiel. Trotzdem: Kopf hoch, Emobi Games. Der erste Schritt ist gemacht. 7554 brachte Vietnam auf die Landkarte der Spiele-Entwicklungen. Als Nächstes braucht es jetzt ein gutes Spiel. Und das wird auch noch.