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A Hat in Time - Test

Wo kommt das denn her?

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Nicht so stilsicher, aber mindestens genauso gut: Ein heilloses, aber gewinnendes Durcheinander wilder Hüpfideen der Marke Banjo Kazooie.

Das Mini-Revival geht munter weiter: Während Yooka-Laylee nicht jedermanns perfekte Vorstellung davon war, wie die Sammel-Platformer der späten Neunziger in die Gegenwart zu holen seien, wagt A Hat in Time auf stummeligen Beinen den nächsten Anlauf - und gefällt zumindest in Sachen Struktur und Aufgabenstellungen vom Fleck weg besser als das Werk der Rare-Aussteiger.

Den Charme und den typischen Look, bei dem es einen doch sehr wundern würde, hätten die Yooka-Entwickler nicht vor Beginn der Entwicklung eine dicke Stilbibel geschrieben und sie während des Designs stets griffbereit gehalten, den bekommt A Hat in Time aber zu keiner Sekunde hin. Das muss man als erstes sagen. Es ist eher ein wildes "Alles-geht-Sammelsurium" an Themen und Design-Ideen, die zu keinem rechten "Gesicht" zusammenkommen wollen. Immerhin, die Charaktere haben es in sich: das Hat Girl, die Protagonistin, ist mit fingerschnippendem Pepp entworfen und allein der Gedanke an ihre Gegenspielerin - ein zierlicher Rotkäppchenverschnitt mit, na klar, Schnurrbart zum Zwirbeln - bringt mich noch immer zum Lachen. Obwohl es von ästhetischer Seite ein wenig mit der Stringenz hapert, hatte ich in dieser gewinnenden Collage aus allem, was "Hüpfer" und "Neunziger" ist, trotzdem direkt und auch ohne dicke Nostalgiebrille einigen Spaß.

Die Sammelaufgaben nehmen nie überhand, und regelmäßig ändert sich, was von euch verlangt wird. Hier ein Hindernisparkours gegen die Zeit. Besonders angetan haben es mir aber die an die versteckten Level aus Super Mario Sunshine erinnernden Time-Rift-Stages, deren Zugänge man in den Leveln erst finden muss.

Die Welten sind passend dazu thematisch doch ziemlich "mal hier, mal dort". Auf eurer Quest, die 40 verlorengegangenen magischen Sanduhren zurückzubekommen, die euer Raumschiff auf den Weg nach Hause bringen sollen, ist euer erster Stopp auf dem fremden Planeten, den ihr gerade umkreist, ein Örtchen namens Mafia Town. Trotz der überall herumgurkenden geklonten Nadelstreifen-Verbrecher wird hier aber die Parodie nie wirklich durchgezogen. Tauschte man die Feinde aus, wäre das hier eine x-beliebige Ferieninsel. Und das zieht sich ein bisschen durch alle Welten dieses sammelverliebten Hüpfers: So richtig das Gefühl, es hier mit Örtlichkeiten auf ein und demselben Planeten zu tun zu haben, bekommt man nie. Die nächste Welt, die man freischaltet, sobald in der ersten vier Sanduhren gefunden wurden, besteht aus Filmsets, an denen ein dicker Disco-Pinguin mit einem schottischen Lokomotivführer einen Battle um den besten Streifen ausficht - und ihr stellt in separaten Leveln jeweils die Hauptrolle.

Ich bin sicher, das klang und klingt auf dem Papier nach schierem Comedy-Gold, lässt aber in seinen visuellen Designs von Figuren und Umgebungen den Eindruck entstehen, dass einzelne Elemente auch aus komplett unterschiedlichen Spielen kommen könnten. Und jetzt das große Aber: Aber es funktioniert trotzdem irgendwie, weil das Spiel auf diese Weise durchweg überraschend bleibt und keine Idee länger als nötig strapaziert wird. A Hat in Time changiert sogar zwischen den Welten seine Struktur: Ist Mafia Town noch ein Mario-Sunshine-artiger Hub, wechseln das Filmset und der Spuk-Wald eher auf eine klassische Level-Struktur (auch wenn ihr einige davon im Rahmen der Missionen mehrfach besucht), bevor die vierte Welt wieder zum offenen Modell der ersten zurückkehrt.

Ein bisschen übertreibt es das Studio mit der Tiefenschärfe. Trotzdem sieht es stellenweise doch ganz hübsch aus, auch wenn man sich selten auf einen Stil einigen konnte.

Die eigentlichen Missionen inszenieren euch zwischen den eher normalen Hüpfeinlagen mal als Anführer einer Polonaise, in der ihr tunlichst nicht stehenbleiben solltet, sonst rennt euch der Rattenschwanz an Leuten über den Haufen, mal trägt man euch das Sammeln in einem simplen Stealth-Umfeld auf. Und andernorts lässt man euch in einem von Eulen und Krähen bevölkerten Zug einen Mord aufklären. Obwohl die Level durchaus mal eine Viertelstunde und länger dauern können, je nachdem, wie erfolgreich man die Umgebungen durchquert, geht das Spiel jederzeit ein angenehmes Tempo, was vor allem daran liegt, dass sich Hat Girl verdammt gut steuert und ihre Mobilitätsoptionen das Navigieren in der Welt zu einer Freude machen.

Es gibt oder besser gab Anfang der 2000er eine Menge Spiele dieser Art, die diese Grundlagen der Bewegung nicht vernünftig hinbekamen. Hat Girl mag zwar in Sachen nachfühlbarer Trägheit und Wucht nicht an Mario herankommen, ist mit Doppelsprung, Air Dash und Wandhochrennen aber auch so schon wunderbar beweglich. Die Kamera, die leider nur nah und flach heran bis nach oben und heraus zoomt, und dann nur um die Figur gedreht werden darf, macht es ab und an schwierig, den Abgrund vor den Füßen direkt zu erfassen. Aber irgendwann arrangiert man sich mit einer weiter entfernten Perspektive und dreht diese dann eben mehr zur Seite, um zu sehen, worauf man da gerade zurennt. Es ist einfach ein bisschen anders gelöst als in anderen 3D-Spielen. Nicht schlecht, aber Gewöhnungssache.

Steuerungstechnisch genügt das gemeinhin höchsten Ansprüchen. Nur an ein zwei Stellen, fühlte ich mich dem Leveldesign ein wenig ausgeliefert.

Das Feature, mit wechselnden Hüten je eine neue Fähigkeit zu erhalten, mit der man Metroid-artige Hindernisse überwindet, ist ein süßer, wenn auch bekannter Twist. Dass sprinten einer dieser Hut-Skill ist, fand ich aber eher bedauerlich, so nahm ich häufiger den Druck des linken Bumpers mit gleichzeitiger Zeitlupe zum Kappentausch zur Hilfe als ich eigentlich wollte. Aufs schnelle Rennen wollte ich schlicht nicht verzichten, auch wenn der aktuelle Level häufiger die Magierkappe (explosive Fläschchen, die Hindernisse sprengen) oder Geistermaske (betretbar machen von spektralen Plattformen) erforderte. Dazu kommen Aufnäher, von denen man immer nur eine begrenzte Zahl an die Hüte pappen kann, die ebenfalls aktive und passive Skills mit sich bringen. Foto-Modus, Greifhaken, um an Klammerpunkten über Abgründe zu schwingen, Magnetfunktion, um Sammelbares anzusaugen, Regenschirm, der gefährliche Stürze bremst - wenn ich könnte, würde ich auf das Durchwechseln durch Quasi-Loadouts eher verzichten. Aber vielleicht sehe das nur ich so. Allzu häufig kommt es eh nicht vor, aber ich habe das Gefühl, hier gaukelt man Tiefe vor, wo keine ist. Und das kommt eben oft auf Kosten zusätzlicher Wege ins Menü.

Ansonsten gibt's wenig zu meckern. Ein paar Trigger lösen nicht beim ersten Mal aus. Ab und zu hakte die Kamera und das Voice-Acting ist teilweise anstrengend - auf eine "Mäßiger-Samstagmorgen-Cartoon"-Art. Dafür sind viele der Musikstücke, einige davon von Rares Grant Kirkhope, der zuletzt Mario + Rabbids einen fantastischen Sound verpasste, sehr catchy. Überhaupt gefiel mir ausgezeichnet, wie die Designer nach einer systemisch okayen, aber nicht besonders erinnerungswürdigen Eröffnung in den Folgewelten immer besser die Kurve kriegten und sich ihre spannendste Welt sogar bis zum Schluss aufhoben. Sie kommt schleichend und unversehens, dann aber richtig, die Zuneigung zu diesem Spiel.

Das Beste kommt zum Schluss. Gibt's in einem Medium, in dem viele traditionell nicht das Ende sehen, auch selten genug. Schön.

Wie sagte es so schön eine Autowerbung - ebenfalls Ende der Neunziger - mal: Gewinnt Herzen, keine Schönheitswettbewerbe. Das stimmt auch für A Hat in Time, mit der Fußnote, dass es trotzdem genug Verschrobenheit mitbringt, um am Ende doch irgendwie sein eigenes Ding zu sein. Es ist mit sieben Stunden für den ersten Durchlauf nicht zu lang, verteilt seine Sammelsachen aber clever genug und macht das Einsacken so befriedigend ploppend, dass man die Umgebungen gerne auf den Kopf stellt und muss über den einen oder anderen visuellen Scherz herzhaft lachen (Stichwort "Lüftungsgitter" im ersten Level des Filmstudios).

Dazu kommt ein Hüpfablauf, der bei allen oberflächlichen Schwächen häufiger überrascht, als er sollte, sich nach und nach steigert und sich nicht zuletzt einfach gut anfühlt. Und schon hat man einen Platformer, der einen durch die finsteren Tage bringt, bis endlich Super Mario Odyssey erscheint. Ich weiß, nicht das glühendste Kompliment, aber auch das ist ein Job, den irgendwer erledigen muss.


Entwickler/Publisher: Gears for Breakfast/Humble Bundle - Erscheint für: PS4, Xbox One, PC - Preis: 27,99 Euro - Erscheint am: erhältlich - Sprache: Englisch - Mikrotransaktionen: Nein

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