Assassin's Creed Unity - Liberté, Égalité, Fraternité, Coopérative!
Kämpfen? Schwer(er)! Fertigkeitenbaum? Vorhanden! Die ganz große Revolution? Fällt aus!
„Das Paris zur Zeit der französischen Revolution bietet eine viermal größere Spielfläche als die gesamte erkundbare Landmasse von Assassin's Creed: Black Flag", erklärt mir sichtlich stolz Nicolas Guérin, seines Zeichens World Level Design Director und zuständig für die akkurate Abbildung der französischen Hauptstadt in Assassin's Creed Unity. Und weiter: „Die Stadt ist in sieben Distrikte unterteilt und bietet zusätzlich noch eine begehbare Kanalisation. Jeder Distrikt hat seine ganz eigene Charakteristik, vom schmuddeligen Elendsviertel bis zum noblen Adelsquartier. Wir haben auf eine authentische und zeitgemäße Darstellung der Stadt wert gelegt". Nun, von den Ausmaßen der Spielwelt, des im November erscheinenden Action-Abenteuers, kann ich mir jetzt eine Vorstellung machen. Wie sich aber Ubisofts Vorzeige-Klettermaxe spielt, konnte ich stilecht mitten in Paris im Musée de l'Armée selbst ausprobieren. Ein altehrwürdiger Ort, der auch im Spiel zu erkunden ist und mit einem beeindruckenden optischen Wiedererkennungswert glänzt.
Arno der Assassine ist zum Zeitpunkt der Probemission noch kein Meister seines Fachs und soll in seinem ersten Auftrag einen schwer bewachten Templer meucheln, der sich zu einer Feierlichkeit in der Kathedrale Notre-Dame aufhält. Wie ich das anstelle, ist mir selbst überlassen. Möglichkeiten finden sich nach ein paar Erkundungsgängen rund um das Bauwerk mehrere. ich könnte den Schlüssel zum Haupttor einem vorbeischlendernden Wachmann abnehmen, entweder durch Taschendiebstahl oder tödlicher Attacke. Alternativ - und dafür habe ich mich dann entschieden - mache ich mich mit der runderneuerten Steuerung vertraut und erklimme mehr oder weniger leichtfüßig das imposante Gebäude.
Warum mehr oder weniger? Mehr, weil nun zum Springen wieder zusätzlich die A-Taste (bei dem im Probespiel verwendeten Xbox-Controller) gedrückt werden muss. Dadurch versucht mein Assasssine nicht mehr sinnlos an jedem Bordstein oder Baum hochzuklettern und vermiest mit solchen ungewollten Eskapaden den eleganten Sprint, wie es bei Assassin's Creed: Black Flag noch häufig der Fall war. Weniger, weil die Steuerung immer noch hakelig ist. Mehr als einmal wird meine Flucht durch das Neupositionieren vor einem eigentlich locker zu nutzendem Vorsprung rüde unterbrochen. Zusätzlich ist beim Abstieg nun noch die B-Taste zu drücken, was versehentliches Hochklettern verhindern soll, sich aber im Eifer des Gefechts arg fummelig gestaltet. Daran werde man sich schnell gewöhnen, dazu die Aussage der Entwickler.
Trotz anfänglichen Widrigkeiten der störrischen Steuerung, erklimme ich aber doch noch erfolgreich Notre-Dame und finde auch einige offene Fenster. Von hier aus gelange ich auf eine begehbare Ebene oberhalb des Festsaals und entledige mich in aller Ruhe der störenden Wachen. Hilfreich zeigt sich dabei die neue schleichende Fortbewegung, die wir mit dem linken Trigger aktivieren. Geduckt geht es um Ecken herum in den Rücken des ahnungslosen Kanonenfutters. Aber Obacht: Das Schleichen macht nicht unsichtbar und auch wenn die Anzeige der Aufmerksamkeit über den Köpfen der Gegner sich deutlich langsamer füllt, man wird gesehen. Wie aber jetzt den sich mitten in der Menschenmenge befindlichen Templer um die Ecke bringen? Auch hier gibt es wieder Alternativen. Herunterspringen mit gezückter Klinge und kurzen Prozess gemacht. Funktioniert, hat aber den Nachteil sofort in einen Kampf gegen eine Übermacht verwickelt zu werden. Also schleiche ich mich über gespannte Seile oberhalb des Saals und springe anmutig in einen Heuwagen. Was auch immer dieser in der Kathedrale zu suchen hat, mir soll es in dem Augenblick nur recht sein. Von hier aus schalte ich einen Leibwächter nach dem andern aus und verschaffe mir so eine Chance zur reibungslosen Flucht nach getaner Arbeit. Mit viel Geduld, schleichen und dem Einsatz des Adlerauges, gelingt mir das nach einer Weile auch und ich hetze zum rettenden Ausgang. Mission erfüllt.
Was ich als Erkenntnis mitnehme: Kämpfen ist immer nur der letzte Ausweg. War es bei den Assassinen-Vorgängern noch kein größeres Problem sich mit Pistolen und Klingen der Gegner zu entledigen, sorgt die Überarbeitung des Kampfsystems für eine unangenehme Überraschung. Bereits mehr als zwei Gegner machen mir schwer zu schaffen, besonders wenn einer davon uns außerhalb meines Sichtfeldes mit Blei füttert. Auch warten die Angreifer nicht geduldig bis sie an der Reihe sind, sondern schlagen munter gemeinsam zu. Zwar kann ich blocken, parieren oder akrobatisch zur Seite wegrollen, aber einer Übermacht muss ich mich schnell geschlagen geben. Die Lösung gegen den vorzeitigen Bildschirmtod findet sich in Form von Rauchbomben, von denen man einfach nicht genug dabei haben kann. Im Schutz des dichten Qualms kann ich entkommen und auf den Dächern der Stadt eine Ruhepause einlegen. Glücklicherweise wimmelt es hier nicht wie bei anderen Assassin's Creed-Spielen vor nervig positionierten Wachen und so kann ich durchschnaufen und mein weiteres Vorgehen planen.
Zeit für mich, sich in der Stadt umzuschauen, immerhin werde ich hier den größten Teil der Spielzeit verbringen. Keine Seeschlachten, keine Wälder, dafür aber eine riesige, pulsierende Metropole und den zusätzlichen Schauplatz Versailles mit dem berühmten Schloss. Was direkt auffällt: Es ist überall was los. Menschenmengen sind auf den Straßen und gehen ihren Geschäften nach oder haben sich zusammengerottet, tragen Fackeln und rufen revolutionäre Parolen. Wachen patrouillieren, templertreue Extremisten verursachen Aufruhr. Es steckt richtig Leben in dem Spiel. Auch kann ich einen Teil der Häuser betreten und mich, mithilfe der in der Stadt verstreuten Zugänge, in die weit verzweigten Katakomben des Pariser Untergrunds begeben. Selbst tauchen in der Seine ist eine Option. Genüsslich betrachte ich das rege Treiben und überlege, was ich als nächstes machen könnte.
Bereits mehr als zwei Gegner machen mir schwer zu schaffen, besonders wenn einer davon mich außerhalb meines Sichtfeldes mit Blei füttert.
Ein Mangel an Nebenmissionen ist sicherlich nicht zu beklagen. Selbst in der noch nicht finalen Version des Spiels, stand mir bereits eine spannende Mischung an Aufgaben zur Verfügung. Schatzjagden, das Sammeln von Artefakten und Auftragsmorde, die sogenannten Assassin Contracts, die die Geschichte der Stadt erläutern und bekannte Persönlichkeiten wie Robespierre, Danton oder den Marquis de Sade einbinden, gehören ebenso zum Repertoire wie der Aufbau eines in Not geratenen Cafes. Besonders gefallen haben mir die „Murder Mysteries", bei denen ich gemeinsam mit dem Erfinder der modernen Kriminalistik und ehemaligem Verbrecher Eugène François Vidocq eine ganze Reihe unheimlicher Morde lösen soll.
Auch aus einem anderen Grund als der reinen Freude am Entdecken, lohnt sich das fleißige Abarbeiten von Nebentätigkeiten. Assassin's Creed Unity rückt ein gutes Stück näher an das Genre Rollenspiel heran und bietet nun einen Talentbaum für die Fertigkeiten meines Charakters. Diese gilt es mit den in den Missionen erworbenen Punkten Stück um Stück freizuschalten und so aus dem anfangs nahezu talentfreien Arno, einen veritablen Assassinen zu basteln. Denn selbst bislang als Standard definierte Fähigkeiten wie das Knacken von Schlössern, die Nutzung von Schusswaffen oder einfach in der Menge unterzutauchen, müssen erst erworben werden. Der Vorteil: Ich bin frei in der Verteilung der Punkte und kann so je nach präferierter Spielweise genau die Talente stärken, die ich auch beabsichtige häufiger einzusetzen.
Beim Abstieg ist zusätzlich die B-Taste zu drücken, was versehentliches Hochklettern verhindern soll, sich aber im Eifer des Gefechts arg fummelig gestaltet.
Assasssin's Creed Unity bietet erstmals die Möglichkeit, mit bis zu vier Mitspielern in kooperativen Missionen sein Geschick zu beweisen. Gemeinsam mit meinen Pixel-Brüdern, der Brotherhood, gilt es dann in den Katakomben eine Schatzkiste zu plündern oder in das gut bewachte Haus eines Adligen einzudringen, um sich diverse Kunstgegenstände unter den Nagel zu reißen. In den Vorbereitungen zum Koop-Einsatz rüste ich meinen Attentäter zunächst taktisch klug mit Kleidung, Waffen und Gegenständen aus und maximiere damit Widerstandsfähigkeit oder Angriffsstärke. Alles zusammen geht allerdings nicht, so dass es zwangsläufig zu einer Spezialisierung kommt. Lieber schwere Waffen und ordentlich einstecken können oder doch eher mit gesteigertem Schleichvermögen im Hintergrund bleiben und per Adlerauge, dem Röntgenblick des Assassin's Creed-Universums, nach Gegnern und Beutestücken Ausschau halten. Nimmt man dazu die Koop-exklusiven Fähigkeiten wie beispielsweise das Heilen der Mit-Attentäter, sind die Anleihen an klassische Rollenspiele deutlich zu merken. Aber Spaß macht es natürlich schon, wenn man gemeinsam mit einem Kumpel im Eiltempo über die Dächer parkourt, den richtigen Weg zum nächsten Zielobjekt sucht und dabei einen Gegner nach dem anderen ausschaltet. Neu ist allerdings auch der Bereich Mikrotransaktionen, der den Erwerb von Ausrüstungsgegenständen gegen echte Euro möglich macht. Natürlich nur optional und alles auch durch Investition in Spielzeit zu bekommen, aber ein Geschmäckle bleibt.
Schick, groß und historisch akkurat: Die Spielwiese Paris eignet sich hervorragend für die offene Welt der Assassinen und konnte mich beim Probezocken überzeugen. Die Steuerung ist gewöhnungsbedürftig und immer noch etwas hakelig, aber durch den zusätzlichen Einsatz einer Taste beim Hoch- und Herunterklettern, wird zumindest ungewolltes Anspringen von kleinsten Hindernissen vermieden. Das sah nicht nur gar nicht heldenhaft aus, sondern hatte auch den Spielfluss empfindlich gestört. Das Kampfsystem ist deutlich anspruchsvoller gestaltet und Flucht oftmals die bessere Alternative. Die immense Anzahl an Nebenmissionen, nach Angaben der Entwickler sollen nur rund 30% bis 40% der Spielzeit auf die Storymissionen verwendet werden, sorgt für kurzweilige Beschäftigung. Neuerungen wie der Talentbaum für die Assassinen-Fähigkeiten und die spaßigen Zwei- oder Vier-Spieler Koop-Missionen gefallen. Ansonsten scheint Ubisoft auf eher sanfte Innovationen zu setzen und das bewährte Konzept nicht allzu sehr umzukrempeln. Warum auch?