Ace Attorney Investigations: Miles Edgeworth
Unterwegs mit Edgeworth
Ein wahrer Held wird am Format seines Gegenspielers gemessen. Luke Skywalker war toll, weil er sich mit Darth Vader und dem fiesen Imperium angelegt hat. Ohne Hannibal Lecter würde sich kein Mensch für Clarice Starling interessieren. Und für nicht wenige Spieler ist Staatsanwalt Miles Edgeworth in Capcoms Ace-Attorney-Reihe mindestens genauso interessant und sympathisch wie der stachelhaarige Held Phoenix Wright selbst.
Nachdem Phoenix’ Nachfolger Apollo Justice in seinem eigenen Spiel leider etwas in die Nebenrolle gedrängt wurde, steht jetzt Miles Edgeworth selbst im Rampenlicht. In der Rolle des sarkastischen Staatsanwalts, der sich in den früheren Spielen trotz Rivalität als verlässlicher Freund von Phoenix Wright und seiner Truppe herausstellte, ermittelt ihr in fünf zunehmend länger und komplexer werdenden Fällen, die zwar für sich abgeschlossen, aber trotzdem fein miteinander verzahnt sind.
Genau wie sein Rivale Phoenix verbringt auch Miles Edgeworth eine Menge Zeit damit, Tatorte zu untersuchen, Hinweisen nachzugehen und Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen. Dabei ist Edgeworth allerdings weit involvierter als sein Anwalts-Rivale. Ihr steuert den silberhaarigen Protagonisten wie in einem klassischen Adventure direkt per Steuerkreuz oder Stylus durch die Szenarien.
Während Phoenix Wright gerne mal auf spirituelle Unterstützung des jungen Mediums Maya Fey zurückgreift, setzt Edgeworth auf kalte Logik. Hinweise werden im klugen Kopf des Staatsanwalts gespeichert und können dort dann kombiniert werden. Ein simples Beispiel: Die Brille eines Mordopfers war zerschlagen, beim Durchsuchen eines Lagerraums tritt Edgeworth in ein paar dünne Scherben. Kombiniert ihr diese beiden Informationen, erkennt der kluge Staatsanwalt, dass er gerade den Tatort entdeckt hat.
Trotzdem ist auch Ace Attorney Investigations kein Adventure westlicher Schule. Es borgt sich zwar das ein oder andere Spielelement klassischer Point-&-Click-Abenteuer aus, ist aber zu ebenso großen Teilen eine Visual Novel, die von ihrer Handlung und den ausschweifenden Dialogen lebt. Ace Attorney Investigations ist definitiv kein Spiel für Zeitgenossen, die nicht gerne lesen und Texte als lästiges Hindernis zum Wegdrücken betrachten.
Das zentrale Element der früheren Ace Attorney-Spiele, die Gerichtsverhandlungen, bleiben hier ganz außen vor. Aber halt, nicht erschrecken – das Spiel funktioniert trotzdem ganz hervorragend. Oder teilweise vielleicht sogar noch etwas besser, denn Ace Attorney Investigations bricht das klassische Muster „Spurensuche – Verhandlung – Spurensuche – Verhandlung“ erfolgreich auf und lässt das Gesamtpaket nicht nur dynamischer erscheinen, durch den Verzicht auf den klassischen Gerichtssaal sind auch die Settings noch weit abwechslungsreicher als vorher. Und die klassischen Kreuzverhöre mitsamt des Aufdeckens von Widersprüchen und dem Entlarven von Falschaussagen sind ja sowieso mit von der Partie.
Leider kehrt damit auch ein stets präsentes kleines Problem der Ace-Attorney-Serie zurück: Die Fälle sind fest geskriptet und gelegentlich kommt es vor, dass euch die Lösung des Falles bereits klar ist, ihr aber nicht wisst, wie ihr das dem Spiel mitteilen sollt. Zum Glück halten sich solche Momente aber in Grenzen und fallen angesichts der langen Spielzeit kaum ins Gewicht. Natürlich haben auch die Fälle dieser Ace-Attorney-Episode wenig mit der Realität zu tun. Aber mal ganz ehrlich, es gehört schon ein gepflegtes Maß an Ignoranz dazu, dem Spiel anzukreiden, die Verhandlungen und Ermittlungen wären nicht realistisch. Ace Attorney Investigations ist ein Videospiel. Es will keine virtuelle Jura-Vorlesung sein, es will einfach nur gut unterhalten.