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Agatha All Along wird mit Folge 7 zur besten Marvel-Serie bisher

Mach mal Platz, Loki!

Spoiler für Agatha All Along bis Folge 7.

Okay, Sprüche der Marke “ist auch nicht allzu schwer, bei der Marvel-Konkurrenz” oder dass einem der Tonfall der Show nicht passt, sind in diesem Fall überflüssig. Denn zum einen hatte die TV-Sparte von Marvel immer mal wieder sehr gute Einzelfolgen oder sogar recht befriedigende Erzählbogen (Loki!) und zum anderen sage ich mitnichten, dass diese sehr spezielle Show wirklich jedem gefallen muss. Im Gegenteil. Sie dürfte schwer polarisieren, insbesondere weil im Grunde niemand hiernach gefragt hat.

Hätte man die Serie aber von Anfang an als das verkauft, was sie ist, nämlich die direkteste Fortsetzung von Wandavision, die man ohne Wanda oder Vision machen kann … ich bin ziemlich sicher, das hier wäre sehr viel besser angekommen. Schon Episode sechs zurrte das bestens zusammen, als wir in der tragischen Vorgeschichte des Teens erleben, wie die Seele von Billy Maximoff (Wandas Sohn) mit dem Kollaps von Wandas Hex in den zeitgleich tödlich verunglückenden Jugendlichen William Kaplan einfährt. Was umso tragischer ist, weil wir vorher noch seine Familie kennenlernen, und der Zusammenbruch von Wandas Zauberwelt den Unfall indirekt verursacht.

Billy Maximoff springt dem Nichts von der Schippe

Das war schon mal eine wundervoll traurige Origin-Geschichte, die noch ein paar Dinge mehr für uns tut: Sie definiert für Billy eine konkurrenzlos starke Motivation – die Suche nach seinem Zwillingsbruder Tommy und die nach seiner eigenen Identität. Dazu ein Schuss an uns weitergereichte Desorientierung im neuen, unbekannten Leben und schon sind wir gern an Billys Seite, dieses Rätsel aufzuklären. Zum wiederholten Mal kontextualisieren neue Informationen alles zuvor Geschehene in der Serie und Folge sieben macht direkt da weiter, nur eben für einen anderen Charakter: Lilia. Danach sieht man große Teile der Show mit neuen Augen.

Denn es sind Lilias Augen, durch die wir blicken. Die Älteste im Hexenzirkel fiel bislang eher durch vermeintlich unprovozierte Zwischenrufe und zusammenhanglose Gefühlsausbrüche auf, die stellenweise an ihrem Verstand zweifeln ließen. Folge sieben enthüllt nun, dass sie in diesen Momenten Zeitsprünge durchmachte, denn sie erlebt den Lauf der Zeit nicht als gerade Linie. Auf dem Rücken dieses Erzählkniffs setzen die Autoren viele bisherige Geschehnisse in einen neuen Rahmen und verwandeln die inhärente Erzählung dieser Episode nicht nur in ein schönes Charakterstück, sondern auch in ein Rätsel, an dessen Lösung wir aufrichtig interessiert sind.

Vom Fleck weg steht erneut einiges auf dem Spiel. Mal wieder tickt im Rahmen einer Prüfung eine Uhr und über den Geprüften hängen zusätzlich noch Schwerter, von denen bei jedem Fehler eines herabfällt, während die Salem Sieben unserem Zirkel dicht auf den Fersen sind. Die gesamte Folge hindurch legen Dialoge und Set-Design schon Hinweise darauf, wo der Hund begraben liegt: Schwerter fallen, weil es nicht Billys Prüfung ist, sondern Lilias, worauf die Inschrift auf dem Tarot-Tisch bereits subtil hinwies. Es macht großen Spaß, dabeizusein, wenn Lilia alles nach und nach für sich - und uns - aufdröselt.

Alle Straßen führen zu Aubrey Plaza

Als alles mit ihrem Opfer endet und sie den Schwerter-Turm umdreht, um die Salem Sieben zu besiegen, ist das nicht nur eines der tollsten Bilder seit langem, es hat mich auch emotional mitgenommen. Insbesondere mit der abschließenden Szene einer jungen Lilia, die den Sinn ihres Lebens nun in Gänze begreift und sogar froh darüber ist, was Regie und Buch nur mit einem Lächeln signalisieren. Ich fand die Folge so gut, dass ich sie zweimal hintereinander geschaut habe und mir gut vorstellen kann, das mit dem Rest der Serie ebenso zu tun.

Patti LuPone als Lilia mit einer Killer-Performance in Folge sieben.

Wie gesagt: Tonal muss einem das nicht liegen, wenn hier mit leicht benebeltem Affekt reihenweise Märchen zitiert werden und die Figuren nie um eine alberne Verkleidung oder einen kecken Scherz verlegen sind. Aber das Timing stimmt, die Gags an sich sind gut und die Show ist in sich kohärent. Vor allem aber ist sie mit extremer Sorgfalt geschrieben, was man immer wieder daran sieht, wie häufig Dinge im Nachhinein einen neuen Sinn erhalten. Das kann ich von vielen anderen Shows im Marvel-Universum nicht sagen. Fast alle hatten tolle Casts, gute Ansätze oder bisweilen extrem befriedigende Einzelepisoden. Ebenso oft fiel aber entweder die Charakterzeichnung oder die Superheldenseite auf dem Weg zum Ziel auseinander. Hier hingegen: Eine – bisher – unzerstörbar solide konstruierte Serie, die genau wusste, welche Geschichte sie erzählen wollte.

Hach, es gibt so viel an den letzten beiden Folgen, das ich aufrichtig liebe, nicht zuletzt die Enthüllung, dass sich Agatha auf eine Liebschaft mit dem Tod persönlich eingelassen hat – Aubrey Plaza ist als Lady Death bestens besetzt – lässt vergangene Ereignisse (und Agatha) ebenfalls in neuem Licht erscheinen: Hexenseelen sind alt und mächtig, natürlich hängt sich der Tod an Agatha, eine “böse” Hexe, die ihre Zunftgenossinnen förmlich aussaugt. Gutes Zeug!

Fürs Finale nächste Woche hole ich mir Popcorn

Nächste Woche ist dann auch schon wieder Schluss, weil Disney das Finale auf Halloween liefern will, was ich verstehe und begrüße. Wenn ich mich in Folge sechs so in Billys Zimmer umschaue, habe ich den Verdacht, dass noch der eine oder andere Twist auf uns wartet, denn was hier so im Regal steht, stimmt ein Stück weit verdächtig. Ich hoffe, die kommenden Wendungen ziehen mir dann wieder so die Schuhe aus, wie Lilias nonlineares Zeiterleben in diesem Schmuckstück von einer TV-Episode. Also ja: Im Doppelpack mit Wandavision ist Agatha All Along für mich die bisher beste Marvel-TV-Produktion. So und nicht anders polstert man ein verbundenes TV- und Kinouniversum aus!

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