Age of Wonders 3 - Test
Es ist schön, so kompetent daran erinnert zu werden, dass es immer noch kein Alpha Centauri des Fantasy gibt.
Wie, schon Hunderte, wohl eher Tausende Züge und zwei Dutzend Stunden Spielzeit? Ich hab doch gerade erst angefangen. Ja, es ist eines von diesen Spielen.
Zeit vergeht nicht nur wie im Flug, wenn man eine richtig gute Zeit hat, sondern auch sehr gut, wenn man zumindest nicht gelangweilt ist und die Abläufe so routiniert sind, dass es einem gar nicht wie Arbeit vorkommt - auch wenn vieles an Age of Wonders' Mikromanagement-Mechaniken oft ein klein wenig an solche erinnern mag. Egal, wenn eine Stadt nach der anderen fällt, eine Landkarte nach der anderen von den eigenen Armeen besetzt und befriedet wird, dann verfliegt ein Abend wie nichts. Das ist der Zauber der Heroes-of-Might-&-Magic-Formel, die seit dem gefühlten Anbeginn der Zeit bis heute so erstaunlich frisch blieb, dass kaum jemand diese Art von rundenbasiertem Spiel mit dem Universal-Label „Old-school" versieht. Es ist eben ein Genre, das immer so war, so sein wird und von dem nie jemand etwas anderes verlangen wird. Age of Wonders 3 ist sicher. In Sicherheit kann sich manchmal aber auch Langeweile verbergen.
Es ist in diesem Falle keine schlimme Langeweile, da gibt es ganz andere Kandidaten. Vor allem, weil es einiges von Civilization in seine Mischung einrührt. Auf eurem Weg durch die beiden umfangreichen Kampagnen mit eigenen Handlungssträngen trefft ihr auf jeder der großen Karten, aus denen sich diese Geschichten zusammensetzen, Konkurrenten, vor allem aber auch mal Unbeteiligte, die euch zunächst mehr oder weniger desinteressiert gegenüberstehen. Greift man den örtlichen Ork-König an und plündert, was sein Landstrich hergibt, oder schließt man auch mal Frieden und bemüht sich um Kooperation, bis der Moment zum Zuschlagen doch noch kommt? Diese Frage kennt man aus Firaxis' Dauerläufer, sie hält einen dort wach und auch hier entscheidet sich gerade auf dem hohen Schwierigkeitsgrad, was ihr im Spiel zwischen den Schlachten veranstaltet.
Das macht natürlich umso mehr Spaß, wenn die KI mitzieht und weiß, was sie tut. Sie ist, um es genau zu sagen, brutal. Nicht unfair, das niemals, aber wenn ihr auch nur die kleinste Hintertür offen lasst, einen der fiesen Tunnel vergesst, die als Abkürzungen auch für euch praktisch sein können, werdet ihr schnell feststellen, dass der Computer nicht die geringsten Hemmungen hat, in eurem schwach bewachten Hinterland zu wildern. Entweder ihr lernt in Age of Wonders 3 schnell aus Fehlern wie fehlenden Stadtbefestigungen, möglichen Wegen zu den Knotenpunkten eures Mini-Imperiums und zu schwachen Schutztruppen oder es wird euch nicht mal der leichte Schwierigkeitsgrad retten können.
Die gleiche Schlagkraft bringt das Spiel in die Rundenkämpfe ein, die teilweise ganz schön stattliche Ausmaße annehmen können. Alle zusammenstehenden Armeen werden in einen Kampf gegen eine ebenso gruppierte Feindtruppe mit einbezogen. Zwei Dutzend oder mehr Kriegergruppen aus einem gewaltigen Pool an magischen und mittelalterlichen Wesen und Waffenklassen steht dann einer ebensolchen Truppe an Verteidigern gegenüber. Es ist ein echter Schwachpunkt des Spiels, dass ihr nur sehr begrenzten Einfluss auf die Aufstellung habt. Was bei einem kleinen Scharmützel nicht so schwer wiegt, ist bei einem großen Kampf die Ansage des Generals: „Jeder kommt halt morgens, stellt sich hin, wie er denkt, und dann machen wir das". Angesichts der auch hier kompetenten KI, die gnadenlos einzelne Gruppen und Anführer herauspickt, ist das ein großer Malus in einem sonst ebenso routinierten wie altbekanntem System.
Diese KI ist auch die große Stärke des Spiels und das, was es über die lange, lange Spielzeit - in den Kampagnen locker 50 oder 60 Stunden, dazu noch mal einzelne Szenarios und Zufallskarten plus Mehrspieler mit bis zu acht Freunden und Feinen - am Laufen hält. So spannend die Auseinandersetzungen im direkten Konflikt dann sind, die Planung der Infrastruktur lehnt sich zwar an den Genre-Übervater Civ an, erreicht aber kaum den Level des ersten Spiels, als Sid Meier noch kaum ahnte, was er da geschaffen hatte. Ein paar Gebäude, die sich praktisch durch die Bank auf das Rekrutieren von neuen Truppentypen reduzieren, dazu die im Endspiel eigentlich immer irrelevante Diplomatie, das ist nicht gerade das Civ 5 der Fantasy. Oder vielleicht doch, denn es ist ja nicht so, dass die aktuelle 4X-Konkurrenz da viel weiter wäre, sobald ein paar Orks im Spiel sind.
Hier schwächelt es also, und das ist schade, denn das zusammen mit dieser ausgefuchsten KI und den schön diversifizierten Gegnerhorden wäre die Mischung gewesen, die Age of Wonders locker zu mehr hätte machen können als einem eigentlich in jeder sonstigen Hinsicht gefälligen Kandidaten für diesen unbesetzten Thron. In Sachen Präsentation liegt Creative Assembly weiter vorn, aber das ist kein Beinbruch, wenn die Bächlein so schön plätschern und alles so protofantastisch vor sich hin strahlt. Man fühlt sich hier durchaus wohl, und das liegt auch an den Heldenhorden, die natürlich in den Schlachten eine besondere Rolle spielen. Ihre magischen und sonstigen Fertigkeiten sind zahlreich, wohlbalanciert und ihr werdet gerne die gelegentlichen NPC-Quests annehmen. Egal, wie langweilig so manche von ihnen im Ablauf gewesen sein mögen, die Belohnung in Form eines neuen Hauptstreiters, der dann seine Level mitnimmt - Truppen tun dies leider nicht, weil sie gar nicht erst mitwandern dürfen - und euch langsam ans Herz wächst, ist das Entscheidende. Selbst wenn sein Polygon-Porträt der grafische Tiefpunkt dieses sonst so hübschen Titels sein dürfte.
Age of Wonders 3 kann was, keine Frage. So muss man erst mal einen Spieler zerlegen. Von wegen das Hinterland war sicher. Ein paar geschickte Züge und schon waren meine Truppen am Rennen, um zu retten, was zu retten war. Habt ihr euch aber erst mal auf diesen Level an strategischer Übersicht aufseiten der KI eingestellt, dann wird immer deutlicher, dass dieses Spiel zwar zu oft in Richtung Civilization schielt, als dass ich ihm ein „Das will das gar kein Civ sein" durchgehen lassen könnte, aber nie auch nur ansatzweise dieses Niveau erreicht. Die paar verfügbaren Optionen erinnern immer wieder daran, dass hier so viel mehr gehen könnte, dass dies das Alpha Centauri des Fantasy-4X sein könnte, wenn es doch nur den Mut hätte. Trotzdem, wenn locker vier bis fünf Dutzend Stunden Rundenstrategie und Schlachtfeldtaktik genau euer Ding sind, wenn ihr aus X Sorten Monstern Armeen bauen und sie im Idealfall in fast epische Schlachten schicken wollt, ihnen das Beste bei der willkürlichen Aufstellung wünscht und es danach gegen meine am meisten geliebthasste KI austragt, dann in jedem Falle und nur zu. Das in hundertfacher Wiederholung mit einer omnipräsenten Gedächtnisstütze, was theoretisch ginge, bekommt ihr in solidester Handwerksleistung.