Agents of Mayhem: Zwischen Hero-Shooter und Open-World-Maloche
Fies gegen Böse
Eines gleich vorweg: Einen lila Riesendildo habe ich beim gut zweistündigen Anspieltermin von Agents of Mayhem leider nicht gesehen. Aber ich bin mir sicher, dass der dann doch noch irgendwann als nützliches Schlaginstrument zur Verfügung stehen wird. Immerhin stammt der schräge Shooter im Comic-Look aus dem Hause Volition, die ihre GTA-inspirierte Saints Row-Serie mit reichlich Humor, Gewalt und abgedrehten Waffen, unter anderem eben besagtem Dildo, versehen haben. Nach dem die Saints Row-Saga nach vier Teilen und der Erweiterung Gat Out of Hell mit einem Besuch in der Hölle und dem Ende der Menschheit endete, verlegen die Entwickler kurzerhand die im August erscheinende Cartoon-Ballerei in eine Parallelwelt des Saints Row-Universums. So soll ein frischer Story-Neustart gelingen, ohne auf Anspielungen und bekannte Figuren gänzlich zu verzichten.
Bevor ich ans Eingemachte gehe und mich mit diversen Helden durch Massen an Minions ballere, bekomme ich die durchgeknallte Story präsentiert, die so durchaus aus einem B-Movie ganz tief unten aus der Grabbelkiste stammen könnte: Die Superschurken-Organisation L.E.G.I.O.N. (League of Evil Gentlemen Intent on Obliterating Nations) startet eine globale Attacke und stürzt in kürzester Zeit die Welt ins Chaos. Dank Teleportations-Technologie und Waffen, die von Dunkler Materie gespeist werden, hat das Militär keine Chance gegen den urplötzlich auftauchenden Aggressor und die Weltherrschaft scheint nur noch eine Frage der Zeit. Befehligt wird LEGION von dem mysteriösen Schurken Morningstar, der nicht nur auf einen schier endlosen Vorrat an Kanonenfutter-Soldaten, sondern auch auf mächtige Unterbosse zählen kann.
Aber da wäre dann ja noch die letzte Bastion der Menschheit, die geheime Geheimorganisation M.A.Y.H.E.M. (Multinational Agency for Hunting Evil Masterminds). Eine Truppe besonders schlagkräftiger Helden, die sich ohne Rücksicht auf Verluste unter der Zivilbevölkerung zum Kampf stellt. Futuristische Waffen, weitläufige Basen der Bösen, und immer ein paar markige Sprüche auf den Lippen der Schurken und Helden, das klingt nicht nur nach G.I. Joe gegen Cobra, die Story wird auch in einem Retro-Zeichentrickstil, der an die G.I. Joe-Animationsfilme der späten 1980er-Jahre erinnert, präsentiert. Finde ich schon mal gut.
Die erste spielbare Mission führt mich in eine Basis von LEGION, in der der böse Doctor Babylon sein Unwesen treibt. Der Auftrag ist denkbar simpel: Alles zerstören und Babylon töten. Die Ausführung erweist sich dann als nicht ganz so einfach, denn der Zwischenboss schickt mir Welle um Welle an hirnlosen, aber ballerfreudigen Schergen unterschiedlicher Couleur entgegen und erweist sich im Endkampf als durchaus zäher Gegner. Aber im Gegensatz zu anderen Third-Person-Actioner gibt es eine feine taktische Besonderheit. Ich wähle nicht nur einen Helden, sondern kann gleich drei aus einem Agenten-Dutzend auswählen.
Gewechselt wird jederzeit, auch mitten im hitzigsten Feuergefecht, per Knopfdruck. Das erlaubt strategisches Vorgehen, denn jeder Agent verfügt über individuelle Fähigkeiten und Waffen, die situationsbedingt einen Vorteil verschaffen. Ich habe mich für Roderick Stone, genannt Hollywood, einen Reality TV Star mit automatischen Waffen und Granaten, die kolumbianische Himmelspiratin Fortune, die mit zwei Pistolen um sich ballert und eine eigene Kampfdrohne mit sich führt sowie dem massigen Hardtack, der nicht nur ordentlich was einstecken kann, sondern auch genauso ordentlich austeilt, entschieden. Ein guter Allrounder, eine Fernkämpferin und ein Tank: eine schlagkräftige Mischung, mit der ich mich dann auch recht problemlos bis zum Boss durchkämpfe. Die Fights sind schnell, die Gegner zahlreich und wenn ich nicht zügig eine Deckung finde, verlieren meine Agenten rapide an Lebenskraft. Also immer einen Blick auf die Lebensleiste und wenn es eng wird, auf den nächsten Helden wechseln, damit sich der angeschlagene Recke erholen kann oder dank Triple-Jump einen sicheren Platz erreichen und von oben die Feinde dezimieren.
Jeder Agent verfügt über eine Spezial- und eine Mayhem-Fähigkeit, die sich als ganz besonders zerstörerisch erweist. Zum Beispiel schleudert Hardtack als Spezialfähigkeit eine Harpune auf einen Gegner, die ihn betäubt und gleichzeitig zu sich heranzieht, um dem Unglücklichen dann aus nächster Nähe den Todesstoss zu verpassen. Habe ich genügend Schaden angerichtet, füllt sich die Mayhem-Leiste und ich kann einen ultimativen Angriff auslösen. Zum Beispiel einen ganzen Schwarm Minen abschießen, die an den Wänden und Gegnern kleben und auf Knopfdruck explodieren. Sehr effektiv gegen größere Gegnergruppen. Jeder der zwölf Agenten verfügt über individuelle Fähigkeiten, die sich noch verbessern und ausbauen lassen. So lohnt es sich immer wieder einen neuen Trupp zusammen zu stellen und mit den unterschiedlichen Waffen und Kräften zu experimentieren. Schön: Die Charaktere werden mit dem schräger, schwarzhumorigen, Volition-Humor präsentiert und bekommen eine eigene Hintergrundstory. Beispielsweise stoße ich auf die Rollerskates-fahrende, fluchende, mit einer Mini-Gun um sich ballernde Rockerbraut Daisy, die ich meinem Kader hinzufügen kann. Aber erst nachdem ich ihre persönliche Geschichte voller alkoholbedingter Blackouts und sinnloser Gewaltorgien absolviert habe.
Schauplatz der "Fies gegen Böse"-Schlachten ist eine futuristische Version der Stadt Seoul, die als offene Welt gestaltet wurde, in der ich mich - nach dem Freischalten von neuen Regionen - frei bewegen kann und auch im Untergrund noch Herausforderungen finde. Geboten werden über 50 Storymissionen, die für gut zwanzig Stunden Daueraction sorgen sollen. Aber auch das typische Abarbeiten von immer gleichen Aufgaben, deren Markierungen die Übersichtkarte zupflastern. Hier einen Außenposten von LEGION einnehmen, da ein Fahrzeug stehlen, mit dem ich mich schneller über die Straßen von Zielort zu Zielort bewegen kann, dort eine Patrouille angreifen. Es ist zu befürchten, dass hier eine gute Portion Spielzeitstreckung mit wenig abwechslungsreichen Missionen eingebaut wurde. Aber die Maloche muss man sich ja nicht antun, außer man möchte eben jedes kosmetische Gimmick für Spielgeld erwerben, jede Fähigkeit bis zum Maximum aufleveln oder den Fuhrpark komplettieren. So generisch die Füllmissionen auch klingen, die Aufgaben, welche die Geschichte vorantreiben sind auf jeden Fall mit schrägen Ideen und jede Menge Humor gespickt.
Nach gut zwei Stunden Ballern mit mal mehr, mal minder guten Witzen, war ich eigentlich von dem Spielprinzip des Hero-Shooters angetan. Die Charaktere unterscheiden sich in ihren Fähigkeiten deutlich und der cleveren Zusammenstellung des Strike-Teams kommt eine echte Bedeutung zu. Schade eigentlich, dass die Entwickler nicht nur auf einen Mehrspielermodus verzichtet haben, sondern auch keine Möglichkeit für Koop bieten. Gemeinsam mit zwei Freunden lokal oder online gegen LEGION anzutreten, könnte ich mir schon als erheblichen Spielspaßmehrwert vorstellen. Auch optisch habe ich was zu nörgeln: Die Cartoonwelt ist einfach noch zu leer, detailarm und anscheinend weitgehend zerstörungsresitent. Wenn ich mit einem Maschinengewehr auf ein Fass oder Fenster schieße, will ich mehr als nur ein paar Kratzer sehen. Aber bis August sind es ja noch ein paar Monate.