Skip to main content

Airplane Mode Test - Da fahre ich lieber nach Las Vegas

Am Ende war es doch nur ein schlechter Witz

Eurogamer.de - Finger weg! Badge

Airplane Mode Test. So, ihr - ein paar von euch wenigstens - wolltet, dass ich mich mit Airplane Mode herumschlage und es teste. Und ich hatte ehrlich gesagt auch nichts dagegen. Als Prä-Corona-Vielflieger faszinierte mich das Konzept die Flugreise aus der Sicht des Passagiers zu simulieren. Sei es nur aus einem dadaistisch künstlerischen Motiv heraus, die mal nette, mal weniger nette, aber in sich selbst immer irrelevante Erfahrung eines Kurz- und Mittelstreckenfluges in eine Art interaktive virtuelle Erfahrung zu bringen, hat was. Ich weiß nicht genau was, aber da mir das bei einigen Performance-Art-Stücken so geht, will ich das Konzept gar nicht in Frage stellen. Die Umsetzung dagegen schon und die ist schlicht Müll in Byte-Form.

Ich war schon mal in Halifax, Reykjavik und New York. Ich weiß nicht, was ich hier aus dem Fenster sehe, aber es ist keiner dieser drei Orte.

Erst einmal erübrigen sich Vergleiche mit dem legendären Desert Bus von vornherein. Wer es nicht kennt, Desert Bus war eines aus einer Reihe von Mini-Games aus einem nicht veröffentlichten SEGA-CD-Spiel zu dem legendären Magier-Komiker-Duo Penn und Teller. Wer ihre Shows nicht kennt: Ihr habt YouTube, holt ein wenig Material nach, es ist großartig. Ihr Spiel sollte den leicht schrägen, anarchischen Humor widerspiegeln und Desert Bus war so etwas wie die Dekonstruktion des Videospiels. Ihr fahrt einen Bus sieben Stunden lang durch eine Wüste. Keine großen Kurven, keine Action, das Geschwindigkeitslimit kann nicht überschritten werden. Ihr könnt anhalten und die Tür aufmachen, wenn ihr wollt. Oder auch mal hupen, wenn euch danach ist. Der größte Trick von Desert Bus war allerdings, dass der Bus scheinbar nicht mehr ganz okay ist und immer leicht nach rechts driftet. Ihr müsst also immer gegensteuern, sonst strandet ihr und werdet in Echtzeit zurück abgeschleppt. Es ist eine Übung in Konzentration, Ausdauer und kontrollierter Langeweile. Es ist technisch immer noch ein Videospiel, gekreuzt mit einer Art Folter für das denkende Hirn. Es ist einzigartig, großartig von einem künstlerischen Standpunkt aus gesehen und man braucht nicht wirklich zwei davon. Schon gar keines, das wichtige Aspekte einfach vergisst und andere, die es zeigen möchte, komplett in den Wüstensand von Desert Bus' ewiger gelber Hölle setzt.

Wie Flug-Mahlzeiten: Ein müder Witz, verpackt in schale Technik.

Airplane Mode dachte vielleicht, dass es das gleiche erreichen kann, dass es das Desert Bus unserer Zeit könnte - auch wenn Desert Bus eigentlich erst in unserer Zeit wirklich entdeckt wurde. Aber zunächst, was passiert hier eigentlich: Ihr sitzt auf einem Flugzeugsitzplatz in der Holzklasse, Coach, Economy, soziales Reiseabstellgleis, Hölle über Erden, je nachdem, wen ihr gerade fragt. Für etwa zwei oder fünf Stunden, je nachdem, ob ihr von New York nach Halifax oder Reykjavik fliegt oder zurück. Bei Nacht. Wenn es Tag-Flüge gibt, hat mein Zufallsgenerator eine Macke, weil ich bei fünf vollen Flügen und 10 Neustarts, um es auszuprobieren, nie die Sonne sah. Und auch sonst nicht viel aus dem Fenster heraus. Flight Simulator 98 war eine grafische Offenbarung im direkten Vergleich. Und Flight Simulator 88 würde ich mehr ästhetisches Gesamtbewusstsein attestieren.

Der größte Teil des Budgets wanderte in den belanglosen, seichten Zynismus des Sicherheitsvideos.

In der Kabine sieht es etwas hübscher aus. Ca. 2005 würde ich sagen, was die Charaktermodelle der Mutanten um mich herum angeht. Der Sitz vor mir wurde recht akkurat umgesetzt. Etwas zu sauber vielleicht, zu wenige Kratzer, aber Lieblosigkeit zu Detail könnte auch der alternative Name dieses "Spiels" sein. Es beginnt bei den ganz grundlegenden Dingen. Super, dass man ein niedliches Sicherheitsvideo gebastelt hat, das ein paar pseudozynische Witzchen reißt, die ich cleverer von 12-jährigen Sitznachbarn in meiner Reisezeit gehört habe. Super, dass ich ein Hochglanzmagazin durchblättern kann, das auf platteste Weise diese altgediente Art der Jet-Set-Kultur parodiert. Wobei, parodiert ist ein zu schönes Wort dafür, "platt nachäfft, ohne hinter den tieferen existenziellen Witz der Magazine dieser Art zu blicken", wäre wohl die bessere Formulierung. Hier wird mehr Humor liegengelassen als Erdnüsse auf dem Boden nach einem Langstreckenflug. Um mal auf Niveau zu bleiben.

Simulation? Falsches Wort, das impliziert Realismus.

Toll also, dass es all das gibt und auch, dass ich mit einer Wischbewegung den Gurt schließen kann. Nicht muss. Die Stewardess geht durch die Reihen, ja. Sie guckt auch. Und geht dann weiter. Sie sagt nicht "Bitte schließen sie ihren Gurt". Auch nicht "Wenn sie ihren Gurt nicht schließen, dann werden wir nicht starten." Und schon gar nicht "Das ist ihre letzte Ermahnung, wenn sie den Gurt nicht schließen, dann werden wir umdrehen, sie von Bord eskortieren und ihnen die entstandenen Kosten in Rechnung stellen." Alles Sätze, die ich schon hörte. Hier wird einfach gestartet, egal, was ihr macht. Endzeit-Liberalismus in Aktion, wer beim Luftloch durch die Kabine segeln will, sollte die Freiheit haben das zu tun.

Wie parodiert man etwas, das selbst schon eine Parodie ist? Reale Flugzeug-Magazine leiden schon unter dem Trump-Satire-Phänomen und das hier ist sicher nicht die Antwort.

Noch absurder wird es beim Ritual der Getränkeausgabe. Bei ersten Flug war ich in mein eigenes Handy so vertieft, dass ich gar nicht mitbekam, dass die Stewardess mit meiner zuvor am kleinen Sitzbildschirm getroffenen Getränkeauswahl - den Wagen und die Interaktion zu simulieren, wäre Aufwand gewesen, etwas dem Airplane Mode grundsätzlich aus dem Weg geht - neben dem Sitz stand. Da stand sie dann. Keine Ahnung wie lange. Ich nahm das Getränk und stellte es auf den Tisch vor mir. Dann wandte ich mich dem Handy zu, später klingelte es an der Tür, ich überließ Airplane Mode eine Weile sich selbst. Als ich wiederkam, war das Flugzeug gelandet, mein Tisch noch unten, das Getränk vor mir und die Stewardess stand mit einem Mülleimer und einer alle Sicherheitsbedenken ignorierenden Engelsgeduld dort und wartete auf meinen leeren Becher. Realistische Simulation des Flugablaufes? Mega-Fail.

Es gibt ein paar unterschiedliche Passagiere, aber ich hatte auch schnell Wiederholungen. Und das Babygeschrei ist rein zufallsbasiert. Zumindest das ist realistisch.

Es gibt auch kein Ende, kein Game Over auf die eine oder andere Art. Das Flugzeug ist gelandet und da steht es dann. Ihr werdet für Fehlverhalten nicht abgestraft, man kann nicht auf ein virtuelles Klo gehen oder gar das Flugzeug abschließend verlassen. Auch das Entertainment-System ist eine Katastrophe. Clever wäre es gewesen, Netflix oder YouTube als Player einzubauen und in das virtuell simulierte Handy Spotify. Die Filmauswahl in modernen Flugzeugen ist meist recht gut, hier bekommt ihr drei Dinge, die zufällig aus dem Public Domain herausgepickt wurden. Dass ich den hier namensgebenden "Airplane-Mode" im virtuellen Handy anschalten kann, ist ja toll. Aber erst einmal interessiert das schon in realen Flugzeugen die wenigsten Leute und zu sonst ist das Ding auch nicht viel zu gebrauchen. Wiederum, eine Einbindung eines Android-Simulators wäre hier ambitioniert, aber im Sinne der realistischen Simulation gewesen. Sicher, das würde vielleicht wirklich zu weit gehen, aber irgendwas! Gib mir irgendwas, was ein wenig Liebe zu Thema zeigt, das über die hingerotzte Umsetzung einer besoffen vom Himmel gefallenen Idee hinausgeht!

Airplane Mode Test - Fazit

Airplane Mode ist digitaler Abfall. Ich hätte es nie dafür kritisiert, dass es kein Spiel im eigentlichen Sinne ist, denn das wäre ebenso sehr am Ziel vorbeigeschossen, wie diese "Simulation". Als jemand, der wirklich viel Zeit in Flugzeugen zubrachte, war ich interessiert, zu sehen, was geboten wird, ob die Erfahrung eingefangen wird und Details beachtet werden. Stattdessen bekomme ich eine technisch unterirdische Langeweile, die ambitionslos ein paar müde Witze reißt, danach das altehrwürdige Motto "Call it a Day" verkündet und abstürzt. Was es auch ganz gern mal tut. Dankenswerterweise. Statt auf den Schultern von Gaming-Kultur-historischen Giganten wie Desert Bus zu stehen (Ironie?), rutscht Airplane Mode in das Nirvana niedlicher Ideen, bei denen es völlig gereicht hätte, sie gehabt zu haben. Umgesetzt offenbart man nämlich nur die eigene Ambitionslosigkeit, möglicherweise Inkompetenz und dass der Witz am Ende doch nicht so gut war.


  • Entwickler / Publisher: Bacronym / AMC
  • Plattformen: PC, Mac
  • Release-Datum: erhältlich
  • Sprache: Deutsch, Englisch und weitere
  • Preis: zirka 10 Euro

Schon gelesen?