Alien: Isolation – Es tut mir so leid!
Horror mit starker A:I.
Wirklich: Es tut mir wirklich wahnsinnig leid. Es tut mir leid, dass ich seit zehn Jahren nichts Besseres zu tun habe, als jedem, der es nicht wissen will, davon zu erzählen, wie grandios Alien: Isolation war. Beziehungsweise noch immer ist – ich habe es ja gestern erst wieder gespielt. Die PC-Version mit Mod-aufgefrischter Grafik.
Wobei dieser Survival-Horror par excellence auch im Original fantastisch aussieht. Die metallenen Flure der Raumstation Sevastopol sind bis heute traumhafte Science-Fiction-Kulissen. An den Wänden die kleinen Kissen grauer Kunststoff-Isolierung. Grelle Scheinwerfer, deren Strahlkraft durch Gitter gebrochen oder im seichten Nebel wabernder Lichtschwämme aufgelöst wird.
So überragend hat es Ridley Scott mit Alien vor- und so hat es Creative Assembly vor genau zehn Jahren detailgetreu nachgemacht. Ist das britische Studio hauptsächlich für Strategie der Marke Total War bekannt, hat es sich in meinem Gedächtnis vor allem mit Alien: Isolation, entstanden unter der kreativen Leitung von Alistair Hope, ein Denkmal gesetzt.
Momente für die Ewigkeit
Und deshalb tut es mir auch furchtbar leid, dass ich noch heute ständig davon schwärme – von dieser einen Szene etwa auf der Krankenstation. Wo man durch die Fenster eines langen, im Kreis verlaufenden Flurs das andere Ende desselben Gangs sehen konnte. Unvorsichtig bin ich dort gewesen; es gab ja gerade keinen Ping auf dem sonst so nervösen Bewegungssensor. Also habe ich in aller Ruhe den Blick durch eins dieser Fenster genossen – als sich das Alien plötzlich auf der anderen Seite durch einen Lüftungsschacht in meinen Flur schälte und mir kurz in die Augen sah.
Vielleicht wisst ihr noch, dass man normalerweise nicht die geringste Chance hat, wenn das Biest auf einen zu sprintet. Selbst für den Flammenwerfer, vor dem es beim rechtzeitigen Auslösen flüchtet, ist es dann oft zu spät. Doch dieser eine, runde Gang war gerade lang genug, sodass ich in dem gefühlten Bruchteil einer Sekunde, der mir bis zum polternden Eintreffen des tödlichen Doppelkiefers blieb, hinter einem großen Tisch in Deckung gehen und mich dort verstecken konnte.
Zwei oder drei Minuten kroch ich dort vor dem Alien davon, immer auf die jeweils andere Seite der Sichtsperre und in der Hoffnung, keinen Fehler zu machen. Bis sich der Angreifer endlich zurückzog und ich einen der eindringlichsten Momente überstanden hatte, den ich beim Spielen je erlebt habe.
Viel mehr als nur ein bisschen Grusel
Ja, so leid mir das tut, aber auch diese Stealth-Action muss ich an dieser Stelle über den grünen Klee loben. Denn obwohl es immer in der Nähe befindliche Wachen schon in anderen Abenteuern gegeben hatte: Diese übergroße Filmikone hob das ständige Katz-und-Mensch-Spiel auf eine ganz andere Ebene. Nicht nur wegen des berühmten Antagonisten, sondern vor allem deshalb, weil es verdammt gut gemacht war.
Schließlich kann man den perfekten Jäger nicht nur ablenken, sondern auch so frei hinter einer Deckung hervor schauen, wie das aus der Ego-Perspektive bis heute viel zu selten möglich ist. Man kann ihn zwar nicht töten, durch Schüsse und Feuer aber für ein paar Sekunden in die Flucht schlagen. Man kann in Spinde klettern und dort die Luft anhalten – wenn auch nur so lange, bis der schwarze Albtraum auf den Trichter kommt und die Türen aufstößt.
Und dann ist da natürlich dieser Kunstgriff, dass uns Hope den einen, in jeder anderen Stealth-Action absolut sicheren Zufluchtsort einfach weggenommen hat: die Lüftungsschächte. Denn das Alien kriecht ja selbst in diesen Schächten umher und falls man ihm dort entgegen- oder nicht schnell genug davon weg kommt…
Mal ganz abgesehen davon, dass etliche Geräusche, darunter das Öffnen und Schließen der Eingänge aller Lüftungsschächte, ein herannahendes Alien suggerieren. Der magische Soundtrack von Jerry Goldsmith ist zudem nahtlos in die neuen Arrangements von Christian Henson, Joe Henson und Alexis Smith eingebettet und verleiht dem Ganzen eine ebenso bedrohliche wie bezaubernde Note.
Wobei nicht alles hörbar gemacht wird. Erinnert ihr euch zum Beispiel an die gruseligen, beinahe lautlos umher schlurfenden Androiden – an ihre rot leuchtenden Augen in einem finsteren Gang, während sie das, was von der Sevastopol noch übrig ist, am Laufen halten? Schön, dass Hope und sein Team auf diesem Weg auch die gewissenlosen Weyland-Yutani-Helfer einbezogen haben.
Anfassen statt nur dabei
Und so leid es mir tut, aber ich werde auch nicht müde, das exzellente Mittendringefühl zu betonen. Denn man drückt in Alien: Isolation nicht nur einfach Knöpfe. Stattdessen führt man zahlreiche Aktionen aus, indem man Schultertasten zieht, um etwas zu greifen, oder Analogsticks schiebt, um Hebel zu bewegen. Das ist mitnichten eine Kleinigkeit! Es ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie stark ein gelungenes Nachahmen realer Bewegungen meine Immersion vertieft, sprich den Kopf ins Spiel zieht…
… so tief, dass ich im Gegensatz zu manchen Meckerern nicht das geringste Problem damit hatte, ungefähr zehn, in meinem Fall sogar eher 20 Stunden länger auf der Sevastopol zu verbringen, als es aus rein dramaturgischer Sicht notwendig war – die (kurzen) DLC-Inhalte an Bord der USCSS Nostromo noch gar nicht mitgerechnet. Denn es tut mir leid, aber lieber lasse ich mich von einem grandiosen Ritt wie diesem mit Haut und Haaren aufsagen als ihn zu beenden, bevor ich mich nach einem Ausgang sehne.
Wie es der Zufall will – und es ist tatsächlich ein Zufall, da ich erst nach dem Schreiben des Artikels darauf gestoßen bin –, wird Alien: Isolation noch bis zum 8. Oktober, also bis morgen, auf fast allen Plattformen für gerade mal 7,49 Euro verkauft (8,24 Euro im PlayStation Store). Einzige Ausnahme ist die Fassung für Nintendo Switch. Sollte euch das Vergnügen bisher also entgangen sein, dann schlagt zu! Besser könnt ihr die Tage vor und nach Halloween nicht verbringen. Achtet nur darauf, dass ihr nach Alien: Isolation – The Collection sucht, sprich der Komplettversion einschließlich aller DLC-Pakete. Denn die normale Grundfassung kostet den normalen Preis.
- Steam
- Epic Games Store
- Xbox Store
- PlayStation Store (scrollt etwas nach unten)
- Nintendo eShop
Es tut mir also leid, dass ich seit zehn Jahren von diesem perfekten Eskapismus rede. „Perfekt“, weil ich so wahnsinnig gerne in dieser abgeranzten Weltraum-Dystopie versinke und ein so gutes Spielprinzip genieße, während sich das ständige Aufpassen und Schleichen unter meinem pochenden Puls zu einem edlen Horror-Trip verdichtet. Von den ersten Minuten an, in denen das schwere Metall der Sevastopol quasi hörbar auseinanderbricht, bis zu späteren, teils überraschenden Sequenzen: Das erste von Hope geleitete Projekt ist ein audiovisuelles Meisterwerk. Und ein spielerisches noch dazu.
Alien im Überfluss - und doch zu wenig davon
Nur eines tut mir deshalb gar nicht leid. Dass ich seit zehn Jahren nämlich so ziemlich allen Entwicklern von Creative Assembly von ihrem eigenen Spiel vorschwärme – ob sie nun daran mitgearbeitet haben oder nicht. Denn ich will, dass es einen Nachfolger davon gibt. Und sei es nur, weil Alien: Isolation zu allem „Überfluss“ auch noch – und im Gegensatz zum Großteil der Filme – absolut nahtlos an Scotts ursprüngliche Vision anschließt.
Die Geschichte von Amanda Ripley schlägt jedenfalls eine perfekte Brücke zwischen dem ersten und dem zweiten Film und darf von mir aus gerne fortgeführt werden. Es wäre doch gelacht, wenn Amanda nicht genauso zäh wie ihre Mutter wäre und es in Zukunft daher nicht mit noch weiteren der fiesen Biester aufnehmen könnte! Ein einziges würde mir für den Anfang ja schon reichen.