Alien: Isolation - Schrank-Simulator 2014
Zwischen Traumerfüllung und zweifelhaftem Vergnügen.
Das englische "be careful what you wish for" ("pass auf, was du dir wünschst") ist eine Wendung, mit der wir Videospieler gemeinhin nicht viel anfangen können. Schon früh, nachdem ein Hersteller ein neues Spiel vorstellt, das bei uns einen gewissen Nerv trifft, haben wir ein ziemlich genaues Bild, was wir davon erwarten. Wir wissen, wie es unserer Meinung nach aussehen und sich anfühlen soll und vor allem, was wir nicht darin sehen wollen.
Im Fall von Alien: Isolation wollen verspielte Fans der Filmreihe vor allem kein Ballerspiel, sondern einen langsam vor sich hindröhnenden Überlebenskampf. Einen finsteren Weltraumausflug auf der Flucht vor einem unbesiegbaren, unberechenbaren Alien, das man selten überhaupt zu sehen bekommt. Genau das liefert Creative Assembly jetzt. In Alien Isolation spielt man tatsächlich gegen ein Biest, dessen "strukturelle Perfektion nur von seiner Feindseligkeit übertroffen" wird. Das Spiel und sein ikonografisches Monster schenken einem nichts. Es ist so "core" und unbarmherzig, wie es auf dem Wunschzettel stand, und technisch und gestalterisch auch noch ungemein ausgereift - und doch weiß ich nicht, ob das hier noch Spaß war.
Sound-Design, Beleuchtung und das Tauschgeschäft der vagen Ahnung des Bewegungssensors gegen eine klare Sicht den Korridor hinunter stellen dem Spieler eine ungemein atmosphärische Arena für ein Versteckspiel hin. Nur dass es in dieser Variante auf Leben und Tod gespielt wird. Es ist so gut gemacht, dass ich persönlich Isolation vornehmlich atemlos durch die Lüftungsschlitze der großzügig verteilten Wandschränke erlebte. An einer Stelle hockte ich gefühlte zehn Minuten in einem der Spinde. Ewig hatte ich versucht, aus dem dumpfen Stapfen des Xenomorphs, den Bewegungen des grünlich weißen Punktes auf dem Bewegungsscanner und der übersichtlichen Kartenfunktion ein Muster oder so etwas wie eine Patrouillenroute abzuleiten.
Irgendwann musste es doch einen "Tell" geben, ein Signal, das verrät, "das Vieh ist beschäftigt, jetzt ist es an der Zeit, die Beine in die Hand zu nehmen! Go, go, go!". Doch Fehlanzeige. Das Biest geht mal hierhin, mal dort, mal dreht es auf dem Absatz um oder verschwindet in einem Lüftungsschacht in der Decke. In meinem Fall kam es auf einer seiner Runden durch die ringförmige Krankenstation mit all ihren Nebenräumen und Lüftungsschacht-Verbindungen sogar zweimal kurz hintereinander in das Sprechzimmer, dessen Schrank mir ein zweites Zuhause geworden war. Das Ende vom Lied: Nach all dem langen Warten und Abpassen wurde ich trotzdem gefressen und versuchte es vom letzten manuellen Speicherpunkt noch einmal.
Andere Stealth-Spiele sind ausrechenbar, leben von Sichtkegeln und Laufwegen. Das kann man von Alien Isolation nicht sagen. Dem Horror spielt das natürlich in die Karten. Aber schön, nein, schön ist das nicht mehr. Ich bin sicher, das liest sich wie ein Lob, und das es gewissermaßen auch. Es ist definitiv ein Verdienst der Designer, dass ich auch nach den Toden 14 und 15 noch Angst vor Nummer 16 hatte. Und doch, wenn ein Spiel es hinbekommt, dass mir fast reflexartig der Unterschied zwischen Eustress und Distress - Bio-Prüfungskurs, 11. Klasse, Herr Wilken, ca. 1996 - durchs Hirn schießt wie eine Ellenlänge zahniger Alien-Zunge, dann weiß ich nicht mehr, ob hier nicht vielleicht eine Grenze überschritten wurde. Es war nah am Frust, wohlgemerkt ohne wirklich unfair zu sein, denke ich zumindest.
Wenn ich neben der empfohlenen Schachtel Beruhigungsmittel noch einen Verbesserungsvorschlag anbringen dürfte, dann sollte Creative Assembly vielleicht das Interface ein bisschen entschlacken, denn zum Beispiel um eine der womöglich rettenden, weil Alien-ablenkenden Leuchtfackeln zu werfen, muss man sie per Kreismenü erst wählen, dann zünden und bei gehaltener rechter Maustaste auf den Weg bringen. In einem Spiel, in dem man im Grunde schon tot ist, wenn einen die schleimige Nemesis zu sehen bekommt, dauert das einfach zu lange. Dann wiederum, wenn ich mich in eine Situation bringe, in der nur perfekte Bewegungsabläufe in Millisekundenschnelle noch Rettung verheißen, habe ich vermutlich schon vorher etwas falsch gemacht.
Ansonsten gefiel die Mission durch diverse Bereiche der Krankenstation vor allem im Hinblick auf den Look. Die eigens für dieses Spiel geschaffene Engine produziert ein ungemein sauberes Bild mit wundervoller Beleuchtung. In einen dunklen Gang zu treten, der nur stellenweise von LEDs und Displays etwas eingefärbt wird, und mit einem Summen die Neonbeleuchtung anspringen zu sehen, das wird den hohen ästhetischen Standards des ersten Films in vollem Umfang gerecht. Besonders imponierte mir, wie selbst Randdetails das Flair der detaillierten Spätsiebziger-Zukunftsvision stützen. Wo einem andere Spiele kaum lesbaren Texturmatsch als Bildschirmanzeige auf einem virtuellen Computer verkaufen wollen, kann man hier fast immer ausmachen, woran die Leute arbeiteten, bevor der Xeno ihnen eine zusätzliche Körperöffnung verpasste.
Jeder Knopf der grundsätzlich mechanischen Tastaturen ist voll ausmodelliert und überhaupt prangen an jeder Wand vollkommen funktional wirkende Paneele, Tasten und Ventile. Creative Assembly hat sich die größte Mühe gegeben, Sevastopol Station als Ort zu gestalten und als Spiegel seiner Zeit. Denn wenn man nicht das Gefühl hat, wirklich dort zu sein, was steht dann schon auf dem Spiel? Es ist fast schade, dass man von dieser beinahe verschwenderisch aufwendig definierten Spielwelt so häufig nur die Innenseite einer Schranktür zu sehen bekommt.
Es gibt im Grunde nichts, was ich Alien Isolation zu diesem Zeitpunkt zur Last legen könnte, außer, dass es für mein fleddriges Nervenkostüm seine Sache beinahe zu gut macht. Es hat den Anschein, als sei Creative Assembly alles gelungen, was man sich vorgenommen hat. Meine Erwartungen - Hoffnungen eigentlich - wurden erfüllt. Doch wo ich im Vorfeld meines ersten Kontakts mit diesem Spiel geradezu fiebriger Vorfreude war, bin ich jetzt ein bisschen froh, dass ich damit fürs Erste durch bin. "Bravo" also nach Horsham in England. Ihr habt mir zwei Abende ruiniert, die eigentlich ganz beschaulich angefangen hatten.
Manchmal bekommt man eben doch, was man sich wünschte - warum zum Teufel musste ich mir wünschen, mit einem Drei-Meter-Monster in einem finsteren Stahlgefängnis eingesperrt zu sein?