Alpha Protocol
Bond, Bourne, Bauer und...Thornton?
Michael Thornton stieß einen leisen Fluch aus. Er hatte es vermasselt. Er beging den schlimmsten Fehler und jetzt würde er hier, in diesem dreckigen Lagerhaus irgendwo im letzten Winkel dieser staubigen, verdammten Wüste, dafür bezahlen müssen. Er hatte jemandem vertraut. Er setzte auf das Wort eines anderen, dass die Tarnidentität lange genug halten würde. Sie hielt auch. Genauso viele Sekunden wie er brauchte, um an den ungünstigsten Punkt der Höhle des Löwen zu geraten. Hätte er die Wache einfach erschossen, hätte er wenigstens selbst die Regeln dieses ungleichen Kampfes bestimmt.
Jetzt saß er fest hinter ein paar Kisten, die vielleicht bei Beschuss explodieren würden. Wie beruhigend. Schritte näherten sich. Thornton vertraute auf sein Glück. Er hechtete vor, erfasste den Raum. Nur zwei Rücken zu ihm. Zwei unwirklich dumpfe Schläge aus der Glock und beide sanken zusammen. Es hätte fast geklappt, hätte der eine nicht noch den Abzug der AK betätigt. Lautes Krachen peitscht durch die Halle.
An die nächsten Sekunden würde sich Thornton wie an all diesen Situationen entrückt erinnern. Es war jemand anders, der wie ein Derwisch durch das Lager fegte, die Verteidiger rechts und links herauspickte, von Deckung zu Deckung hechtend. Es war so schnell vorbei wie es anfing. Wieder etwas für das Gewissen und das Vaterland. Wenn in „doubt“, „close your eyes, think of England“. Er trat die Tür zum schmuddeligen Büro ein und bevor Sanchez seine Waffe herumbringen konnte, drückte ihm Thornton die eigene an die Schläfe. „Wo ist er?“
Sanchez redete schnell. Am Ende redeten sie immer. Was jetzt? Bald würde die traute Zweisamkeit gestört werden. Ihn der CIA übergeben? Das würde sicher dort Thorntons lädierten Ruf aufbessern. Andere Kontakte wären nicht so gnädig. Ihn erschießen? Die einfache und so oft auch saubere Lösung? Die Amerikaner hätten auch damit kein Problem. Sanchez wahrscheinlich schon. Oder ihn einfach laufen lassen? Er könnte noch einmal nützlich sein. Konsequenzen. Was er auch tat, stets wird seine Gegenwart von dem definiert, was noch kommt. Thornton warf einen Blick auf seine Glock und entschied sich.
Konsequenzen definieren eine gute Geschichte in einem Rollenspiel, da hat Sega sicher recht. Und Konsequenzen dürfte auch das Schlüsselwort für ein sehr ungewöhnliches Rollenspiel sein. Alpha Protocols Welt der internationalen Superspionage dreht sich immer neu um Eure Entscheidungen und die folgenden Wirkungen. Spielt Ihr hart, erledigt Ihr wie das Schwert Gabriels Bösewichte links und rechts. Oder versucht Ihr die Konflikte zu lösen, indem Ihr akzeptiert, dass es besser ist, die kleinen Übel leben zu lassen, um an die großen heranzukommen? Egal wie Ihr vorgeht, die Geschichte läuft weiter.
Manche Situationen können Euch das Folgende vereinfachen, wenn Ihr „richtig“ entscheidet, andere verbauen Euch einen Weg, manchmal ändert sich danach alles. Hehre Ziele, die sich die Profis von Obsidian hier setzten. Auch bei den Vorbildern wird nicht gerade tief gestapelt. Die drei großen JBs der Agentenszene werden aufgerufen: James Bond, Jason Bourne und Jack Bauer. Dazu eine Welt, in der Ihr nie wisst, wem Ihr vertrauen könnt, wer die Wahrheit sagen würde, ob es eine gibt oder ob nicht vielleicht doch alles nur grau ist.
Es stimmt, dass die Welt eines Fantasy- oder Science-Fiction-Abenteuers sich nicht grundlegend davon unterscheidet. Hier der König, ein netter Kerl, aber warum munkelt das Volk dann so dunkle Worte? Wem könnt Ihr trauen? Nach und nach deckt Ihr eine Verschwörungsgeschichte auf, grabt nach der Wahrheit und stellt Euch ihr. Nichts anderes machen die meisten Agentengeschichten. Ein freundlicher, vielleicht leicht exzentrischer Geschäftsmann nach außen, dahinter ein Abgrund.