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Alte Schule in einem alten Haus: The Evil Within

Shinji Mikami hat weder auf modernen Shooter-Horror Lust, noch auf modern überhaupt.

Das Horror-Genre muss gerettet werden und seine Rettung liegt allein in der Hand der Indies (lest hierzu auch Björns Special Die Zukunft des Horros). Ganz allein? Nein, ein Japaner hat genug von den ganzen Weltraum-/Zombie-/Mutanten-Ballerorgien und er kann einiges an Referenzen vorweisen. Shinji Mikami hat das Genre mit Resident Evil in den Mainstream geholt und es ein paar Folgen später mit Resident Evil 4 aufgefrischt. Wikipedia weiß dabei immer die lustigsten Dinge: Resident Evil war offenbar ein (offensichtlich erfolgreicher) Versuch Mikamis, seine Enttäuschung über den Film Zombie zu verarbeiten. Erstaunlich, dass der ebenfalls unter den Namen Zombi 2 (ohne e), Zombies, Zombie Island, Zombie Flesh Eaters oder Voodoo völlig unbekannte Film aus den Spät-70ern Jahre später solchen Einfluss haben sollte. Aus Schrott kann also doch was Gutes kommen.

Es geht nichts über eine gute, alte Leichenhalle.

So oder so, diesmal ist Mikami mit dem von ihm mitgestalteten Genre unzufrieden und The Evil Within soll es richten. Echter Old-School-Resident-Evil-Horror. Es beginnt 'old-school' genug, der neue Ort ist ein Irrenhaus. Das ist zwar nicht sonderlich originell, zieht aber immer. Vor allem, wenn es einen offenbar übernatürlichen Psycho-Patienten gibt, der das ganze Haus zu seiner Spielwiese erklärt. Oder noch viel mehr als das, aber dazu später noch einen ersten Spoiler - eine Warnung folgt.

21:9 für mehr Unbehagen

Es wirkt fast wie die (sehr gute) HD-Version eines verlorenen Horror-Klassikers.

In der Rolle des Cops Sebastian erreicht ihr nach einem Notruf den verdächtig an ein altes Herrenhaus erinnernden Ort. Eine Menge Polizeiautos vor der Tür, kein Mensch in Sicht und alle Waffen sind weg. Zumindest haben wir schon mal eine Erklärung, woher die Knarren dann später kommen werden.

In diesem Raum erhascht ihr einen ersten Blick auf euren Widersacher.

Einige Dinge fallen sofort auf. Die recht nah am Helden schwebende, in Hüfthöhe platzierte Kamera der Third-Person-Sicht erzeugt mit ihrem leicht klaustrophobischen Winkel genau den Effekt, dass man eben immer etwas weniger sieht, als nötig wäre, um sich sicher zu fühlen. Probleme mit ihr waren in dem vorgespielten Abschnitt jetzt nicht direkt zu erkennen. Wie viel Freiheiten ihr mit ihr haben werdet, wird sich noch zeigen, aber der Winkel passte schon mal. Auch sonst scheint die Kamera in keiner Einstellung zufällig gewählt. Ob Schrecksekunde oder ein erster Blick in einen neuen Raum, jemand hier wusste, dass nicht nur das, was man zeigt, einen Eindruck hinterlässt, sondern auch wie man es präsentiert.

Der Eindruck der bewusst erzielten, leicht unangenehmen Beengung wird durch das eigenwillige Bildformat unterstützt, das Besitzer von 21:9 - TVs erfreuen wird. Sofern es denn einen gibt. Für den Rest von uns bedeutet das jedoch schwarze Balken oben und unten, sofern ihr nicht mit dem Zoom des Bildschirms herumspielt.

Die Technik selbst jedoch ist das, was am wenigsten beeindrucken dürfte. Sicher, das hier war kein fertiger Build, es war nicht mal wirklich so richtig eine Alpha und einiges wird sich noch ändern. Bisher wirken die Modelle und Texturen fast grobschlächtig nach modernen Maßstäben. Es wirkt fast wie die (sehr gute) HD-Version eines verlorenen Horror-Klassikers. Und ehrlich gesagt empfand zumindest ich das als genau den richtigen Look. B-Movie-Horror sieht nie aus wie eine Michael-Bay-Effektorgie, sie kostete immer weniger als das Neueste vom CG-Markt und verfehlt - gut gemacht - den Effekt trotzdem nicht. In genau diese Richtung geht der visuelle Eindruck von The Evil Within. Last euch also nicht von nicht ganz so schicken Bildern täuschen, in Bewegung passt es wie die Axt in den Zombieschädel.

Press X to continue

Nach der Flucht steht die Welt Kopf.

Apropos Splatter: Es geht schnell und ordentlich zur Sache. Nach keinen fünf Minuten und einem ersten kurzen Flimmer-Überwachungskamera-Ausblick auf den Antagonisten wird Sebastian ausgeknockt. Erwachen tut er wie die junge Lara kopfüber baumelnd in einem Schlachthaus. Der erste Oberpsycho, ein Zweieinhalb-Meter-Riese mit einem Schlachtbeil. Vor euren Augen weidet er fröhlich und zu klassischer Musik einen anderen Körper aus, um an der Schlacht-Theke seine berühmten Asylum-Sausages - perfekt mit Händlmaiers! - zuzubereiten. Man kennt das ja und natürlich hat er auch netterweise seine Filetiermesser nur einen Hänge-Körper entfernt von euch stecken lassen.

Stick vor, Stick zurück und schon könnt ihr euch aus der misslichen Lage befreien. Das „Press X to continue" zieht sich leider ein wenig durch. Es ist nicht anders oder aufdringlicher als in Mikamis Resi-Titeln, also sucht euch aus, ob ihr es unter "rückständig" oder "ganz einfach und unbedingt dazugehörig" verbuchen wollt. Seid ihr dann der Meinung, dass ihr mit dem Messer erst mal auf den Riesen losgehen solltet, erlebt ihr die erste Sterbeszene. Kämpfen sollt ihr überhaupt so selten wie nur möglich, auch wenn eine später gezeigte Einlage einen Ausblick auf einen Zombie-Ansturm gab. Diesen müsst ihr zumindest partiell mit Waffen beantworten, bevor der nächste Trigger zündet und ihr flüchten dürft.

Subtiler Horror ist schön und gut, aber manchmal muss der Zombie einfach platzen.

Wer mit dem Messer auf den Riesen losgeht, sieht die erste Sterbeszene.

Hier zu Beginn ist Kampf überhaupt kein Mittel, also schleichen, einen Schlüssel in unmittelbarer Nähe des Metzger-Meisters gegriffen und damit in einen Seitengang gehuscht. Schade, dass der mit einem Alarm gesichert ist. Der Riese hetzt euch nicht schnell, aber ziemlich unaufhaltsam hinterher und das Spiel demonstriert euch ein paar der Möglichkeiten, Haken zu schlagen und vor allem auch euch zu verstecken. In einem Raum, der eine Sackgasse darstellt, müsst ihr in einen Spind schlüpfen und hoffen, dass das Monster nicht auf diesen Schrank, sondern die verschlossene Tür daneben eindrischt. Was er auch tut.

Man weiß ja, dass das Monster ein williger Fluchhelfer ist.

So schick der klaustrophobisch eingeschränkte Blick aus dem Spind auch ist, als routinierter Spieler weiß man sofort und sehr genau, wie es geht und was gleich passieren wird. Als jemand, der nicht alle Resident Evils spielte, hat man bestimmt richtig Panik. Vielleicht auch im nächsten Raum, in dem sich rotierende Sägen von links und rechts schnell nähern. Der Held humpelt nach einem halberfolgreichen Angriff des Monsters und so scheint es fast unmöglich, dass ihr es zur anderen Tür schafft. Natürlich reicht die Zeit ganz genau und ein erfahrender Spieler wusste das auch schon beim Zugucken. Erfahrung ist manchmal keine gute Sache.

Was jetzt folgt, ist der kleine Initial-Spoiler: Als ihr nach der Flucht endlich zurück in den Vorhof nach draußen findet, steht ihr vor den zerstörten Resten der umliegenden Großstadt. Ihr allein findet euch auf einer Art Insel in dem Chaos, hinter euch das einladende Irrenhaus. Nach dem ersten Kapitel stellt das Spiel die ganze Welt auf den Kopf. Was das soll, wo das hinführt? Selbst wenn ich es wüsste, das würde ich euch nie verraten.

Aus der Leiche bricht eine achtbeinige Spinnenfrau. Man kennt das ja.

Die Szene des Kampfes gegen die Zombies dagegen hätte auch mich, sofern man uns denn ans Pad gelassen hätte, aus der Ruhe gebracht. Spontane Erinnerungen an die belagerte Hütte aus Resident Evil 4 wurden wach. Fenster verbarrikadieren, mit Sprengfallen für den initialen Blast ausstatten und kauernd hoffen, dass die Biester vielleicht doch nicht wissen, dass man zu Hause ist. Natürlich wissen sie es und es ist ihnen latte, dass der erste Ansturm in kleinen Stücken nach den Explosionen endet. Es kommen immer mehr.

Man darf gespannt sein, ob das Spiel noch mehr mit dem Feuer spielt, als es nur als Dörfler-Zombie-Waffenbeleuchtung zu nutzen.

Kopftreffer sind natürlich wie immer zu bevorzugen. Es wird aber auch unterschiedliche Trefferzonen geben, sodass ihr gezielt auf Waffenarme oder Beine schießen könnt, falls der Kopf mal nicht in Sicht ist. Der Kampf ist an dieser Stelle für ein paar Runden unausweichlich, dann jedoch dürft ihr euch in den zuvor verschlossenen Keller zurückziehen. Ich bin kein Freund solcher Trigger-Ereignisse, aber sie gehören wohl dazu.

So wie auch die Szenen, die auf die Flucht durch den Gang folgen. Der Gang selbst ist einer dieser tollen, eigentlich simplen, aber immer wieder effizienten Effekte, um euch zu beunruhigen. Er scheint immer länger zu werden, dreht ihr euch um ist hinter euch plötzlich was ganz anderes und wieder zurückgewandt steht ihr genauso plötzlich vor einem ganz neuen Raum. Horror-Dimensionsverschiebungen sind immer lustig. Da verzeiht man gern, dass im nächsten Raum komplett vorhersehbar aus der Leiche am Boden eine achtbeinige Frau, die sich wie eine Spinne bewegt, herausbricht. Man kennt so was ja.

Genau, man kennt so was ja. The Evil Within wirkt auf den ersten Blick - der etwas unter einer halben Stunde dauerte - wie ein vertrauter, geliebter Horror-Flick, den man mit Freunden alle paar Jahre vorkramt. Ein bisschen billig, aber sehr unterhaltsam und euch, wenn man es sich selbst vielleicht nicht immer eingestehen will, irgendwie auch bis heute unheimlich. Mein Zombies im Kaufhaus also. Ich hatte in keiner Weise den Eindruck, dass Mikami vorhat, dem Genre mit The Evil Within groß etwas hinzuzufügen, aber vielleicht kommt das im späteren Spiel ja noch. Bis zu diesem Zeitpunkt war es ganz klar eine Rückorientierung auf die Art des Survival Horrors des ersten Resident Evil, nur mit offensichtlich besserer Steuerung. Und nein, ich glaube nicht, dass Horror nur entsteht, wenn die Steuerung kaputt ist. Zumindest nicht die Art von Horror, die ich bevorzuge. Hier heißt es wohl wegzulaufen, die Ressourcen gut einzuteilen und nicht die wertvolle Munition in den forcierten Schrecksekunden zu verballern. Survival halt. Inhaltlich beginnt es dank des ersten Twists unterhaltsam genug, sodass ich schon gespannt bin, herauszufinden, was in dem alten Haus vor sich geht. Und ja, allein dass es ein altes Haus ist, ist für mich ein großer Bonus. Man fühlt sich gleich wieder wie zu Hause.

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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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The Evil Within

PS4, Xbox One, PS3, Xbox 360, PC

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