Alter Ego
Düsteres 19. Jahrhundert
Dass die Macher von Alter Ego eher ernstere Thematiken bevorzugen, haben sie nicht zuletzt mit Black Mirror bewiesen. Auch ihr jüngstes Adventure setzt nicht auf eine kunterbunte Welt, Fantasy-Einflüsse oder völlig abgedrehte Rätsel, sondern bleibt vielmehr bodenständig, realistisch und schickt euch zurück ins 19. Jahrhundert.
Zugegeben, vielleicht nicht die spannendste Zeitperiode, aber dennoch will Alter Ego mit seinen Dialogen und Rätseln vor den Bildschirm fesseln. Die Geschichte des Spiels beginnt im Hafen der englischen Stadt Plymouth. Ein Boot legt an und ein Mann wird in Handschellen von Bord geführt. Timothy Moor, um genau zu sein – einer der beiden Hauptcharaktere des Spiels. Eigentlich wollte er nur nach Plymouth, um seinen Kumpel zu treffen und sich mit ihm auf den Weg nach Amerika zu machen. Unterwegs hat man ihn jedoch ausgeraubt und bezichtigt ihn nun als blinden Passagier, um ihn aus dem Weg zu räumen. Timothy kann der vor Ort wartenden Polizei aber mit einem beherzten Sprung ins Wasser entkommen und verschwindet in der Kanalisation.
Ab diesem Punkt überlässt euch das Spiel auch schon die Kontrolle über den halbnackten Helden, der nur mit einer Unterhose bekleidet durch die Kanalisation kriecht. Die ersten Rätsel stellen noch keine wirklichen Herausforderungen dar und sind ziemlich offensichtlich. Nachdem Timothy die Leiter hochgestiegen ist, wirft er erstmal ein langes Holzbrett um, damit er auf der die andere Seite kommt. Zuvor nutzt er seine Handschellen, um einen Spitzen Zacken von einem Zaun abzubrechen, der wiederum dabei hilft, einen kleinen Stein aus der Wand zu kratzen. Mit beiden zertrümmert man anschließend ein Schloss und gelangt über einen kleinen Kanal in ein Haus, in dem man auf Emily Gray stößt.
Mit ein wenig Überzeugungsarbeit glaubt sie einem schon bald, dass man eigentlich kein böser Mensch ist und ist auch durchaus bereit zu helfen. Zuvor muss man aber noch kleinere Aufgaben für sie erledigen, wodurch aber eines zum anderen führt. Timothy soll die Waschmaschine reparieren und Seife im Wasser aufweichen. Dadurch werden auch seine Hände glitschig, die er dann mit Hilfe eines an der Wand befindlichen Hakens von den Handschellen befreit.
Im Anschluss daran und nachdem man ein paar Klamotten bekommen hat, hilft sie einem nochmal. Da sie öfter die Kleidung der Seemänner wäscht, lockt sie den Seemann, der Timothy beraubt hat, vor das Haus. Während sie das tut, muss man ein paar Sachen für sie waschen und findet dann nassen Tabak darin. Der eignet sich doch wunderbar als Köder, wenn er nur nicht so feucht wäre. Also presst er auf dem Dachboden mit einer Maschine erstmal so gut es geht die Feuchtigkeit hinaus und legt es dann zum Trocknen auf den Kamin. Nun nur noch das Objekt der Begierde vom Dachfenster auf die Bank werfen, warten, bis der Kollege darauf anspringt, und die schweren Handschellen auf seinen Kopf stürzen lassen. Resultat: Zielperson K.O. am Boden und Timothy bekommt sein entwendetes Medaillon wieder.
Alter Ego dreht sich aber nicht nur um Timothy selbst. Eine wichtige Rolle nimmt auch der Tod von Sir William ein, der auch als „White Beast“ bekannt war. Dem zuständigen Doktor zufolge starb er eines natürlichen, wenn auch überraschenden Todes. Während er noch unter den Lebenden weilte, wurde er vieler Verbrechen beschuldigt, die man ihm jedoch nie nachweisen konnte. Im Laufe des Spiels soll man Hinweise finden, die zur Aufklärung seines Todes führen. Nicht nur über Timothy, sondern ebenso über den zweiten Hauptcharakter – einen Inspektor, der im dritten Kapitel des Spiels eingeführt wird. Beide zur gleichen Zeit wird man übrigens nicht steuern können, die Protagonisten wechseln sich je nach Kapitel ab.
Momentan präsentiert sich Alter Ego mit seinen 3D-Arealen und festen Perspektiven noch etwas trocken, leblos. Allzu viele Aktivitäten gibt es auf dem Bildschirm nicht wirklich, mal abgesehen von ein paar Fliegen, die um eine Lampe kreisen. Ob sich hier bis zum baldigen Release noch etwas ändert, ist fraglich. Dass das Spiel so trocken rüberkommt, mag zum Teil auch an der mangelnden Sprachausgabe der Preview-Version liegen, die noch überhaupt nicht vertont ist. In der fertigen Fassung wird unter anderem Johannes Berenz (Ben Affleck in Dogma) der Figur Timothy seine Stimme.
Atmosphärisch wird auch einiges davon abhängen, wie sehr er dem Charakter Leben einhauchen kann, zumal es eben auch viele Dialoge gibt und einige Rätsel auch Stück für Stück neue Dialogoptionen freischalten. Dabei erwartet einen übrigens auch immer wieder mal eine Prise schwarzer Humor. „Wenn ich ein wenig Spaß haben wollte, könnt ich ihn fragen, ob er Brian gesehen hat“, denkt sich Timothy etwa, wenn man sich einen blinden Violinenspieler genauer anschaut.
Die Rätsel selbst sind – wie anfangs schon angesprochen – realistisch gehalten und sollen einen nicht mit irgendwelchen abgedrehten Lösungswegen konfrontieren. Oder, um es mit den Worten des zuständigen PR-Mannes auszudrücken: „Nichts MacGyver-mäßiges.“ Das Interface hält sich während des Abenteuers recht bedeckt, normalerweise ist lediglich der Mauszeiger zu sehen. Interaktive Objekte erkennt man anhand des sich verfärbenden Cursors und der entsprechenden Texteinblendung, alternativ hilft per Tastendruck die Hotspot-Funktion. Das Inventar ruft man auf, indem man den Zeiger schlicht an den unteren Bildschirmrand bewegt.
Eines steht fest: Wenn ihr Adventures á la Monkey Island, Sam & Max oder The Book of Unwritten Tales mögt, ist Alter Ego wahrscheinlich eher weniger nach eurem Geschmack. Spieler ernsthafterer, ruhigerer Adventures dürften allem Anschein nach auch hier wieder auf ihre Kosten kommen. Zumindest anfänglich stellen die Aufgaben aber noch keine allzu große Herausforderung dar, was sich im späteren Verlauf des Spiels hoffentlich noch ändern wird. Davon abgesehen überzeugt Alter Ego mit seiner realistischen, düsteren Atmosphäre, auch wenn die Schauplätze nicht gerade lebendig daherkommen. Wie sehr Alter Ego dann letztendlich überzeugen kann, wird die Testversion in Kürze zeigen.
Alter Ego erscheint am 26. März für den PC.