Amnesia: The Bunker im Test – Genau deshalb liebe ich das oft gescholtene Backtracking!
Alien: Isolation im Ersten Weltkrieg.
Zwei Dinge solltet ihr nicht erwarten, wenn ihr Amnesia: The Bunker spielt: eine aufwändige Triple-A-Produktion vom Schlage eines Resident Evil 4 und ein intensives Einbetten des Szenarios in die Geschichte. Obwohl man in der Rolle des französischen Soldaten Henry Clement nämlich 1916 in einem französischen Bunker unterwegs ist, spielt der Große Krieg keine erzählerische Rolle, sondern dient hauptsächlich als Drohkulisse.
Tatsächlich hatten die Entwickler im Vorfeld selbst betont, dass man über Notizzettel zwar erfahren wird, warum Henri in dem fast menschenleeren Bunker furchtbar zugerichtete Leichen findet – und ich habe die meist knappen sowie angenehm zurückhaltend verteilten Hinweise durchaus gerne gelesen habe. Hauptsächlich hat das schwedische Studio Frictional Games aber ein Versteckspiel im Stil von Alien: Isolation inszeniert, bei dem man auf Schritt und Tritt von einer übermenschlich starken Kreatur verfolgt wird, während man versucht dem besagten Bunker zu entkommen.
Denn dessen Ausgang ist natürlich versperrt. Man benötigt daher den Sprengstoff, der sich hinter einem verriegelten Metallgitter befindet, und muss auch erst den Zünder zusammensetzen, um das Dynamit in die Luft zu jagen – weshalb man Codes für Schlösser benötigt, um weitere Hinweise zu finden, die zu wichtigen Werkzeugen oder neuen Schlüsseln führen, bis man irgendwann das stets klar definierte Ziel erreicht. So ist man eine ganze Weile in den Tunneln unterwegs, etwa zehn Stunden in meinem Fall.
Ständig hört man dabei, wie die Kreatur mit großem Tempo hinter den Wänden angerauscht kommt. Falls man ruhig wartet, hält sie meist nur inne und lauscht – um irgendwann aber aus einem der niedrigen Löcher hervorzukriechen, die sie überall in die Wände geschlagen hat, und sich laute Störungen genauer anzusehen. Falls sie Henri dann entdeckt, stürmt sie direkt auf ihn zu, was in den meisten Fällen zu seinem Tod führt.
Sieht sie ihn nicht, patrouilliert sie eine Weile durch die Räume und Flure. Das matte Licht flackert, wenn sie ihn sucht, Henris Herzschlag pumpt mit 180 und hoffentlich hat er ein gutes Versteck gefunden. Das können Kleiderschränke oder der Fußboden unter einem Tisch sein. In einem der Schlafsäle bin ich um ein mit Decken verhangenes Bett geschlichen – immer auf die dem Biest gegenüberliegende Seite und übrigens fast komplett im Dunkeln. Denn der Generator war gerade ausgegangen und sämtliche Elektrik daher ohne Strom.
Ah, Licht... Das Wesen traut sich ja bevorzugt im Dunkeln hervor. Nehmt den Hinweis auf einer der ersten Notizen daher ernst und haltet den Generator ständig am Laufen! Henri findet nicht gerade üppig viele, aber gerade genug Benzinkanister, um ihren Inhalt in den Tank zu füllen und die Maschine wieder anzuwerfen. Holt anschließend noch seine Stoppuhr hervor, damit er sie so weit aufziehen kann, wie der Generator laufen wird. Das ist bis zum ersten Flackern euer einziger Hinweis darauf, wann ihr so langsam wieder das Büro mit dem Generator aufsuchen solltet. Dort befindet sich schließlich der einzige Speicherpunkt: die Lampe über dem Tisch, auf dem eine alte Schreibmaschine beinahe unauffällig den Hut vor ihrem Vorvater zieht.
Vor, zurück, zur Seite, ran
Dabei ist das nicht die einzige Art, mit der Amnesia: The Bunker an vor allem frühere Horror-Klassiker erinnert. Es ist auch die Tatsache, dass man sich die gesamte Zeit lang an einem einzigen Schauplatz aufhält, zwischen den verschiedenen Flügeln des Bunkers (Quartiere, Gefängnis, Waffenkammer und so weiter) hin und her pendelt, um immer wieder in das Büro zurückzukehren. Was dieses Aufhalten an nur einem Ort bringt? Mir hilft es, ein Gefühl für den Raum zu entwickeln. Auf dass viel eher der Eindruck entsteht, mich an diesem speziellen Ort zu befinden. Dieses Eintauchen in eine andere Welt ist etwas, das gutes Backtracking oft möglich macht.
Es muss aber eben gut gemacht sein. Ständig dieselben Punkte abzuklappern, nur um ständig dieselben Punkte abzuklappern, hat eher einen gegenteiligen Effekt. Das gibt es anderswo ja zur Genüge. Doch davon kann hier zum Glück keine Rede sein, da die Wege nicht allzu lang sind und der Grundriss logisch erscheint. Man muss ihn sich zum großen Teil außerdem selbst erschließen, weil die Karte im Büro nur grob das Areal umreißt. Den Rest fügt man beim Erkunden im Kopf zusammen. Und über die Informationen in den Notizen. In diesem Punkt ist das dritte Amnesia dem ebenfalls gerade erst erschienenen Remake von System Shock erstaunlich ähnlich.
Und dann ist da noch die zweite große Stärke, die ich an The Bunker schätze: Man klickt keine Oberfläche aus über dem Spiel liegenden Symbolen an, sondern interagiert auf glaubwürdige Art mit der virtuellen Umgebung. Wenn Henri etwa die wenigen Patronen in den Revolver schiebt, kippt man erst alle verbrauchten Patronen aus der Trommel und schiebt daraufhin eine neue nach der anderen hinein. Es gibt auch keinen Lebensbalken. Wie es um ihn steht, sieht man an seinen blutigen Fingern, wenn man das Inventar aufmacht.
Man muss außerdem immer alles ausrüsten, damit Henri es auch benutzen kann. Die Gasmaske ist zum Beispiel nicht einfach da, sobald man sie findet. Nur wenn Henri sie bei sich trägt, kann er sie auch aufsetzen, weshalb man im späteren Verlauf gut überlegen muss, welche Werkzeuge, Binden oder Granaten man vielleicht lieber in der Kiste im Büro zurücklässt, um unterwegs gefundenen Nachschub überhaupt mitnehmen zu können.
Sämtliche Türen sowie Schubfächer fasst man zudem erst an, um sie mit dem rechten Analogstick zu öffnen oder schließen. Fässer oder Kisten verschiebt man auf die gleiche Weise. Und so richtig klasse finde ich schließlich die alte Taschenlampe, weil sie zwar ohne Batterien auskommt und damit quasi ewig hält. Man muss sie aber ständig aufziehen, damit ihr Dynamo für kurze Zeit Licht erzeugt.
Ein klitzekleines Problem daran ist nur das Rasseln, das sie dabei macht. Denn Henris mordsüchtiger Freund aus einer scheinbar anderen Welt hat verdammt gute Ohren. Das ist auf dem einfachsten Schwierigkeitsgrad vermutlich selten ein Problem. Schon auf dem normalen sollte man sich allerdings überlegen, ob man die Taschenlampe wirklich ankurbeln will oder es besser sein lässt. Was denkt ihr denn, warum ich wie oben beschrieben in fast vollständiger Dunkelheit um das Bett geschlichen bin, während mich mein Verfolger direkt dahinter gesucht hat? Hätte ich dort die Lampe angemacht, hätte er mich sofort entdeckt.
Nun halten Kugeln das Monster zumindest kurzzeitig auf. Auch Gas mag es überhaupt nicht, Feuer ebenso wenig. Es gibt nur nichts davon in großer Anzahl und wie erwähnt ist das Inventar auch so knapp bemessen, dass man selten genug Gegenstände bei sich hat, um sich wirklich sicher zu fühlen. Man findet zwar überall mal eine Patrone oder eine Granate. Aber vielleicht will man Letztere ja ohnehin lieber zum Öffnen verschlossener Türen nutzen und die wenigen Kugeln für einen noch größeren Notfall aufheben.
Sinnvoll ist das schon deshalb, weil man sich irgendwann ja doch mal so weit in einen noch unerforschten Gang hineintraut, bis das Licht ausgeht. Und ist es erst mal dunkel, traut sich die Kreatur gleich viel eher aus ihrem Versteck heraus…
Spätestens dann sollte man wissen, dass das Wesen auch sehr hellhörig auf die ungewöhnlich bissigen Ratten reagiert. Die piepsen ja sofort, wenn man ihnen nahekommt, versperren aber oft den gesamten Weg, während sie an einer Leiche von Henris Kameraden knabbern. Und sie laufen ausgesprochen hartnäckig hinter ihm selbst her, falls er eine Blutspur hinterlässt. Was macht man in so einem Fall?
Mal angenommen, das letzte Speichern im Büro liegt mehr als 20 Minuten zurück: Riskiert man es dann wirklich, die Taschenlampe anzukurbeln, damit die lichtscheuen Ratten Abstand halten? Und was, wenn man partout keine zwei Stofffetzen findet, um daraus eine Binde herzustellen? Mein Tipp: Verbrennt die Leichen, indem ihr Benzin auf den Boden kippt und es anzündet. „Zubereitetes“ Fleisch mögen die Rohkostler nämlich gar nicht.
Um das Lösen solcher Probleme dreht sich vieles in Amnesia: The Bunker. Wobei nichts davon übermäßig komplex ist. Auch stellt das Biest in den engen Gängen eine anspruchsvolle Bedrohung dar, ist im Grunde aber nicht besonders clever und es gibt in den meist engen Räumen zudem wenig Deckung, hinter der man ein so spannendes Herumschleichen erleben könnte wie bei dem erwähnten Bett im Schlafsal. Die Kreatur taucht zudem seltener spontan auf als sein geistiger Verwandter in Alien: Isolation.
Abgesehen davon fand ich es ein wenig schade, dass es mir irgendwann sehr leicht fiel ihr Verhalten vorherzusehen und sie, wenn nötig, auf Distanz zu halten. Und ich war erstaunt darüber, dass ich zwei wichtige Werkzeuge fast die gesamte Spielzeit über gesucht habe, Henris Besuch im Bunker dann aber einschließlich eines knappen Endes recht schnell vorbei war, nachdem ich diese Werkzeuge gefunden hatte.
Amnesia: The Bunker im Test – Fazit
Es ist also ein durchaus überschaubares Spiel – nach Alien: Isolation keine Weiterentwicklung des Prinzips, sondern eher dessen kleiner Bruder. Darüber sollte man sich bewusst sein. Gleichzeitig ist das freie Erkunden und relativ offene Problemlösen im Zusammenspiel mit dem physischen Eingreifen in die Welt aber so vereinnahmend, dass ich meine Zeit in diesem bedrückenden Szenario wirklich genossen habe. Es hat einfach etwas für sich, einen glaubwürdigen Ort intensiv kennenzulernen, anstatt an einmaligen Tapeten kurz vorbeizulaufen. Und es fühlt sich verdammt gut an, mit ansonsten leerem Inventar etliche Flaschen zum großen Vorratstank zu schleppen, um sie dort mit Benzin zu füllen und nach einigen verdammt haarigen Momenten in fast völliger Finsternis zum Generator zurückzukehren – mit ausreichend Sprit für gleich mehrere Ausflüge. Wenn ihr solche Momente und Erfolgserlebnisse wertschätzt, dann kann ich euch Amnesia: The Bunker daher nur empfehlen!
Amnesia: The Bunker | |
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