Anger Foot: Ich hoffe, ihr habt eine dicke (Horn)haut, denn die werden eure Fersen brauchen!
Nicht mehr ganz Proto, dieser Typ.
Jetzt weiß ich, warum das ursprüngliche Anger Foot lediglich ein Prototyp war. Falls ihr wollt: Den gibt es noch immer – wahlweise kostenlos – auf itch.io. Nur hat er mit dem, was Entwickler Free Lives seitdem daraus gemacht hat, kaum noch was zu tun. Okay, die Prämisse bleibt natürlich dieselbe. Kennt ihr Hotline Miami noch? Genau wie dort rauscht man auch in Anger Foot durch relativ kleine Levels und startet jedes Mal von vorn, wenn man mal wieder das Zeitliche segnet.
Die großen Unterschiede zu der Top-Down-Action sind die Perspektive, denn Anger Foot erlebt man aus den Augen von, äh, Anger Foot und anstatt zu schießen, kickt man – großer Unterschied Nummer zwei – Gegner einfach aus dem Weg. Der Name kommt ja nicht von ungefähr. Man kann ihnen sogar ihre Granaten wieder zurücktreten, explodierende Fässer durch den Raum oder quasi beides in einem: explodierende Gegner durch den Flur kicken. Und immer donnert dazu dieser stumpfe Beat mit dem feingeistigen Arrangement eines Scooter-Stücks.
Anger Foot nimmt sich selbst in etwa so ernst wie die Deutsche Bahn das pünktlich Sein. Weshalb mir eine der großen Neuerungen gegenüber dem Prototypen ausgesprochen gut gefällt: Man spult im fertigen Spiel nicht immer einen Level nach dem nächsten ab, sondern ist hin und wieder auch in friedlichen Teilen von Shit City unterwegs, wo es nur ein Gesetz gibt, nämlich dass es kein Gesetz gibt.
Entweder entlockt man den Bewohnern dort kurze Albernheiten wie: „Das ganze Haus bebt, wenn Goo Cop in seinem Hubschrauber vorbeifliegt. Er schmeißt eine Party auf dem Hausdach. Ich würde gerne dahin gehen, aber ich habe Angst vor großen Höhen. Und Hubschraubern. Und Partys.“ Oder man kickt sie einfach in die nächste Wand. Oder beides. Auf jeden Fall geht es dabei um Füße.
Ach, und um Schuhe! Denn die haben sie Anger Foot geklaut, weshalb er überhaupt erst unterwegs ist. Und er findet ja neue, wenn er Level abschließt sowie noch eine oder alle beide Bonusaufgaben erfüllt. Die sind jetzt abwechslungsreicher und reichen vom Erledigen aller Gegner über knappe Zeitlimits, das Zurückkicken von Granaten bis hin zu einer bestimmten Anzahl an Kopfschüssen.
Stimmt, Waffen gab es im Prototypen schon und es gibt sie auch jetzt. Tatsächlich finde ich das Schießen sogar deutlich wichtiger als damals, weil die Steuerung und das Verhalten der Gegner um einiges eleganter funktioniert und dadurch auch ein paar mehr Fehler verzeiht. Einfach ist Anger Foot in späteren Levels nicht! Aber man stirbt keine frustrierenden Tode mehr, wie das im Prototypen noch der Fall sein konnte.
Ein bisschen könnte Free Lives bis zum Release am 11. Juli trotzdem noch nachbessern: So richtig rund läuft die Technik in manchen Szenen auch auf einem schnellen Rechner nicht und gelegentlich trifft man Gegner am Kopf, obwohl sie längst hinter einem Türrahmen verschwunden sind. Alles in allem dürfte das fertige Spiel aber eine runde Sache werden - die hoffentlich nicht PC-exklusiv bleiben wird, sondern auch auf den Konsolen erscheint. Auch die neue Gamepad-Steuerung ging nämlich einwandfrei von der Hand, nachdem ich die Stick-Beschleunigung deaktiviert hatte.
Woher ich das alles weiß? Publisher Devolver hat eine Vorschau-Version zur Verfügung gestellt, die ein paar Dutzend Levels sowie die ersten neuen Bosskämpfe enthält. Deshalb habe ich Goo Cops Hubschrauber auch schon vom Partydach gekickt – gut, dass die zuvor zitierte Gesprächspartnerin nicht da war!
Gut auch, dass einem die sammelbaren Schuhe verschiedene Fähigkeiten verleihen. Die einen stocken Munition auf, wenn man Gegner kickt, mit den anderen richtet man bei Bossen größeren Schaden an und so weiter. Das spornt mich zumindest enorm an, nicht nur die Level abzuschließen, sondern mich anschließend auch noch zehn Minuten oder länger an den Bonusaufgaben festzubeißen.
Für mich steht damit jetzt schon fest, dass Anger Foot vielleicht keinen großen Einschlag im Bereich der Nahkampf-Action hinterlassen dürfte – aber doch ein verdammt spaßiges, erfreulich abwechslungsreiches und angenehm motivierendes Vergnügen sein wird. Bei mir rennt dieser brachiale Kick jedenfalls offene Türen ein!