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Animal Crossing: New Leaf - Test

Kleine Stadt mit starker Persönlichkeit.

"Was genau ist so toll an Animal Crossing? Ich versteh' den Sinn dahinter nicht. Was machst du denn außer Rumlaufen und Krempel einsammeln?" Das fragte meine Freundin, nachdem ich ihr in der vergangenen Woche mehrmals über Animal Crossing: New Leaf vorschwärmte und sie dazu nötigte, sich das Spiel ebenfalls zu kaufen. Und ganz ehrlich? Diese Frage lässt sich nur schwer beantworten und erst recht nicht in wenigen Sätzen.

Eine normale Aufzählung der täglichen Aktivitäten hört sich im ersten Moment nämlich nicht gerade aufregend oder gar spaßig an. Auf einer immer noch recht kleinen Karte lauft ihr jeden Tag zum Strand, um Fische zu fangen. Ihr schüttelt jeden einzelnen Baum, damit er seine Früchte fallen lässt, grabt Fossilien aus dem Boden und fangt mit einem Netz jedes Insekt, das sich in eure Nähe wagt. Anschließend verkauft ihr den ganzen Krempel wieder oder überreicht besondere Funde an das Museum. Mit dem Geld kauft ihr euch neue Möbel, Klamotten oder vergrößert eure Wohnung, um sie mit noch mehr Zeug vollzustopfen. Falls ihr dann noch Zeit habt, sprecht ihr mit den tierischen Bewohnern eurer Stadt, erledigt kleine Aufträge für sie und lasst euch zwischendurch beleidigen, solltet ihr sie nicht jeden Tag besuchen.

Virtueller Urlaub

Klingt eher nach Arbeit und weniger nach Spaß. Die Faszination von Animal Crossing packt sicherlich nicht jeden, doch Kenner vergangener Teile werden mir zustimmen, dass sich beim Spielen alle Teile perfekt zusammenfügen. Es versprüht seinen eigenen Charme, den in dieser Form nur wenige Titel erreichen, wie zum Beispiel Harvest Moon. Das beginnt bereits beim Start einer neuen Stadt, die wie immer mit einer kurzen Reise beginnt. Während euch einer der putzigen Charaktere nach eurem Namen oder Geschlecht fragt, fühlt man sich als Freund der Serie wie zu Hause, selbst wenn der letzte Kontakt wie bei mir knapp acht Jahre zurückliegt.

Ein 3DS-Bundle mit speziellem Muster gibt es natürlich auch.

Sobald ihr das erste Mal in eurer Stadt frei herumlaufen dürft, untersucht ihr jede Ecke, lasst euch von dem malerischen Stil einfangen und pfeift wenig später schon die erste Melodie mit. Animal Crossing ist wohl das einzige Spiel, bei dem ich mich freiwillig nach einem Spaziergang auf eine Bank setze und meine Figur auf das ruhige Meer blicken lasse. Wer die Sorgen des Alltags für ein paar Minuten vergessen möchte, startet das Spiel und genießt die Atmosphäre.

Für alle Leute, die zumindest ein übergreifendes Ziel als Motivation benötigen, erhaltet ihr wie immer zu Beginn ein Haus von Tom Nook, der dieses Mal endgültig ins Immobiliengeschäft eingestiegen ist und seinem Sohn den alten Laden übergab. Sein Charakter hat sich dabei wenig geändert und auch in New Leaf müsst ihr eure Wohnung abbezahlen, die Nook während der ersten Tage noch durch ein schäbiges Zelt ersetzt. Im weiteren Verlauf könnt ihr für immer höhere Beträge euer Haus durch zusätzliche Räume ergänzen, einen zweiten Stock anfordern und auch das Äußere nach euren Wünschen anpassen, bis ihr schlussendlich eine prunkvolle Villa inmitten eurer Stadt stehen habt.

Wer die Sorgen des Alltags für ein paar Minuten vergessen möchte, startet das Spiel und genießt die Atmosphäre.

Von außen sieht es immer kleiner aus.

Doch nicht nur euer eigenes Heim könnt ihr verbessern. Zu der größten Neuerung in New Leaf gehört euer Amt als Bürgermeister. Nachdem ihr euch zu Beginn für einen Ort entschieden habt, ernennt man euch recht schnell zum neuen Oberhaupt der Stadt, was ein paar neue Entscheidungen und Aufgaben mit sich bringt. So dürft ihr nun das generelle Verhalten durch bestimmte Initiativen verändern. Steigert An- sowie Verkaufspreise, um schneller an Geld zu gelangen oder legt die Hauptaktivitäten der Bürger auf den späten Abend, um auch Nachts Muscheln verkaufen zu können. Wesentlich interessanter sind die unterschiedlichen Bauprojekte, die ihr als Bürgermeister in Arbeit geben dürft. Ihr wollt ein neues Haus am Wasserfall oder protzige Springbrunnen, die eure Villa umringen? Solange ihr das nötige Kleingeld beisteuert, erfüllt ihr euch über diesen Weg jeden Wunsch. Eure Bürger schmeißen ebenfalls etwas Geld mit in den Topf, doch den Großteil der Summe müsst ihr selbst tragen.

Selbstverwirklichung

So verwandelt sich die zu Beginn recht kahle Stadt in euren Traumort, wodurch ihr euch noch fester daran bindet und die späteren Tage genauso genießt wie zu Beginn, selbst wenn sich die Aktivitäten zwischen beiden Punkten kaum verändern. Und dennoch blicke ich nach über 30 Stunden auf mein kleines Städtchen Fünke - maximal acht Buchstaben verhindern meine Vorliebe zu leicht vulgären Begriffen - ein wenig traurig zurück, weil ich mir vom Amt als Bürgermeister einfach mehr Entscheidungen versprochen hatte. Denn auch in New Leaf habt ihr irgendwann sämtliche Ziele erreicht, alle Käfer sowie Fossilien gefunden und euer Heim mit den teuersten Gegenständen bestückt.

Doch es ist der Weg bis zum unvermeidlichen Sättigungspunkt, der zählt. Und dieser ist durch einige kleine Änderungen noch besser als zuvor. Stapelt Früchte endlich in eurem Inventar, sodass sich euer Charakter nicht alle fünf Minuten über ein volles Inventar beschwert. Kauft erstmals Hosen ein, taucht im Meerwasser und besucht die Insel des ewigen Sommers aus der GameCube-Version, auf der mehrere Minispiele auf euch warten. Letztere dürft ihr auch zusammen mit Freunden spielen, deren Städte ihr natürlich ebenfalls frei erkundet, sobald sie euch dazu einladen. Wollt ihr im Nachbarort eures Kumpels so richtig für Chaos sorgen, all seine Bäume fällen und die gesamte Bewohnerschaft verärgern, besucht ihr ihn einfach in einer Traumwelt, die keine Nachwirkungen auf die echte Stadt hat. Tobt euch also frei aus.

Es ist wie so oft der Weg bis zum unvermeidlichen Sättigungspunkt, der zählt

K.K. ist auch wieder mit dabei.

Wollt ihr dagegen zusammen spielen, können auf einem Modul drei weitere Personen zu euch ziehen. Allerdings kann immer nur der erste Bewohner Bürgermeister sein. Da befasse ich mich schon lieber mit dem Street-Pass, den man clever in Animal Crossing: New Leaf integrierte. Ich wusste nicht einmal von dem Feature und sah die Auswirkungen erst nach einem normalen Spaziergang durch Akihabara, wo ihr euren Street-Pass jede halbe Stunde neu auffüllen könnt. Trefft ihr auf eine Person, die ebenfalls New Leaf besitzt, überträgt das Spiel automatisch seine Wohnung auf euer Modul, die ihr dann in Ruhe besuchen könnt. Ziemlich interessant, wie manche Leute dekorieren. Eine Person hatte sämtliche Zimmer mit allen Nintendo-Items gefüllt, die sich in Glückskeksen befinden. Mehrere Minuten vergingen, bis ich alle Zelda- oder Metroid-Statuen angesehen hatte, die teilweise sogar durch Animationen zum Leben erweckt werden.

Animal Crossing: New Leaf verändert nichts an seiner grundlegenden DNA, sondern fügt dieser nur weitere Stränge hinzu, die dem gesamten Spiel noch mehr Persönlichkeit einhauchen. Auch wenn ich mir mehr Aufgaben und Verantwortungen als Bürgermeister gewünscht hätte, fühlt es sich trotzdem gut an, wenn ihr den Ort nach euren persönlichen Vorlieben aufbaut und das Wachstum über die Monate erkennt. Vielleicht kann Nintendo für Leute mit meinem Geschmack ja auch einen etwas dunkleren Ableger rausbringen, in dem ich die Einwohner mit meiner strengen Diktatur versklave und Tom Nook unter seinem eigenen Geld begrabe. Ach kommt, das würdet ihr auch gerne tun!

Wer in der Vergangenheit nichts mit dem ruhigen Ton und Ablauf von Animal Crossing anfangen konnte, wird sich auch kaum von New Leaf bekehren lassen. Doch alle Liebhaber, die besonders im Wii-Ableger wirkliche Neuerungen vermisst haben, müssen hier zugreifen. Habt ihr bisher noch keinen Ausflug in den Tierwald gewagt, bietet New Leaf den perfekten Startpunkt, um euch die nächsten Wochen in dieser idyllischen Welt zu verlieren. Animal Crossing: New Leaf mag auch in seiner neuen Iteration nicht das komplexeste Spiel sein, doch es besitzt einen seltenen Charme, der selbst das bloße Sitzen auf einer virtuellen Bank in ein wunderbares Erlebnis verwandelt. Und genau dafür liebe ich es so.

9 / 10

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