Animal Well im Test: Erst hat es mich nicht interessiert, dann neugierig gemacht und am Ende glatt verzaubert
Magie und Tiere.
Meine Güte, ist das schön! Sowohl visuell als auch inhaltlich. Mit welcher Präzision der kleine Blob da über Plattformen springt. Wie er durch raschelndes Gras wetzt und von der Decke hängende Ranken zur Seite schiebt. Wie unverschämt gut sich das anfühlt, wenn man mit etwas Nachdenken und ein wenig Geschick endlich eine gut versteckte Truhe öffnet oder eine der coolsten Schnellreisen überhaupt entdeckt.
Mich ziehen Plattformer nicht gerade magisch an. Tatsächlich hatte ich nicht einmal vor, Animal Well überhaupt zu spielen. Es sind immer nur wenige, die mich überhaupt interessieren. Das ebenso minimalistische wie spielerisch starke Worldless war eine der Ausnahmen. Und vielleicht liegt es ja an dieser klugen Reduktion auf stilvolle Akzente, in der nicht nur Augen und Ohren, sondern vor allem der Kopf versinken kann, dass ich auch von Animal Well nicht genug bekommen kann.
Das hat ja nicht mal ein Kampfsystem, wenn man als frisch geschlüpfter Blob eine geheimnisvolle Welt voller Gefahren entdeckt, die von der Magie eines zauberhaften Märchens erfüllt ist. Geister fliegen dort umher und seltsam große Tiere wohnen da. Ein Hund, der meinen Blob wie einen Spielball fängt und so lange schüttelt, bis er eins seiner Lebensherzen verliert. Eine Kröte, die den Blob mit hungriger Zunge aus dem Leben schnalzt. Störche, deren lange Schnäbel nach Futter am Boden picken, sowie viele, viele mehr.
Was der Blob dagegen tun kann? Anfangs nur springen sowie Leitern empor klettern. Später kommen Seifenblasen hinzu, die man selbst setzt und dem Blob als Podest dienen, von dem aus er höhere Plattformen erreichen kann. Man muss nur flink sein, denn steht er erst mal auf einer Seifenblase, sinkt die nach unten. Das ist die Art der Herausforderung, die einen hier erwartet.
Wobei ich es Animal Well hoch anrechne, dass jeder Fall in die Tiefe, solange er nicht auf spitzen Zacken endet, ohne den Verlust eines der vier Herzen endet. In Verbindung mit der herrlich präzisen Steuerung ist das Klettern und Kraxeln in den dunklen Höhlen dadurch immer fordernd, aber nie frustrierend – auch wenn das Abenteuer gerne mit 90 oder 120 Sekundenbildern laufen könnte, anstatt auf 60 festgesetzt zu sein. Das stört in Anbetracht der schmucken Pixelkunst nicht allzu sehr, fällt aber auf.
Mit den Seifenblasen gibt es acht Werkzeuge, unter anderem Feuerwerkskörper, die manche Geister verschwinden lassen und andere zumindest ablenken. Mehr will ich nur deshalb nicht vorwegnehmen, weil das Entdecken viel zu dem Spaß beiträgt, den man mit Animal Well hat. Mir geht das zumindest so: Das Öffnen jeder Kiste, das Ausprobieren jedes Werkzeugs und viele andere Entdeckungen sind ein Erfolgserlebnis, weil man dafür eine anständige Herausforderung meistern muss und weil überall eine clevere Idee drin steckt.
Seien es gut versteckte Kisten mit wertvollen Eiern, die man oft erst mal finden muss, bevor man dann auch noch den richtigen Einfall braucht, um das Versteck zu erreichen. Oder sei es die Tatsache, dass große Tiere zwar als Bosse dienen, man aber nie gegen sie kämpft, sondern lediglich an ihren gefährlichen, aber nie für sich genommen aggressiven Verhaltensweisen vorbeikommen muss. Gut: Wenn man diese Disk aus dem Podest zieht und anschließend durch alle Räume hinweg von einer gespenstisch verzerrten Katze verfolgt wird… Aber auch das ist ja eine einfallsreiche Situation!
Ach, und wenn ich von Eiern schreibe: Um die geht’s offenbar. Zumindest findet man recht schnell einen Raum, dessen vier große Tore erst aufgehen, wenn man die darauf gravierte Anzahl an Eiern gesammelt hat. Warum? Das gehört wie alles, was es herauszufinden gilt, zu den Geheimnissen dieses liebevollen Abenteuers – ohne dass man übrigens auch nur einen Hinweis oder andere Texte lesen müsste.
Eine Karte erleichtert allerdings die Orientierung, auch wenn die sehr kleinen Pixel dort nicht immer hilfreich sind. Immerhin darf man selbst Markierungen setzen und ich musste nie lange überlegen, wo ich die nächste noch nicht geöffnete Tür finden würde. Für einige davon braucht man Schlüssel. Andere öffnen sich, nachdem man eins der ebenfalls cleveren Rätsel gelöst hat.
Alles ergibt sich aus dem Aufbau der Umgebung und der Logik des Spiels. Weshalb es umso schöner ist, wenn es im Kopf mal wieder Klick macht und man eine Herausforderung erkannt, eine Lösung gefunden oder einfach nur entdeckt hat, warum sich der steinerne Kopf in der Wand eine der Seifenblasen geschnappt hat. Ein bisschen erinnert mich das an Tunic, wenn ihr mich nach einem halbwegs aktuellen Vergleich fragt.
Animal Well ist digital sowohl auf Steam als auch im PlayStation Store sowie für Nintendo Switch erhältlich. Der reguläre Preis liegt bei knapp 25 Euro, wurde zur Einführung aber auf gut 22 Euro reduziert und Abonnenten von PlayStation Plus Extra können das Abenteuer im Rahmen ihres Abos quasi kostenlos spielen.
- Steam
- PlayStation Store
- Nintendo eShop
- Zauberhafte Kulisse mit etlichen liebevollen Details
- Verpasste Sprünge werden nicht bestraft
- Exzellentes Tempo mit kurzen, ständig wechselnden Herausforderungen und ohne Längen
- Einfallsreiche Werkzeuge und spielerische Herausforderungen
- Clever versteckte Kisten und andere Belohnungen
- Ausreichend forderndes Abenteuer mit kurzen Boss-Begegnungen, aber ohne Kämpfe
- Nicht allzu übersichtliche Karte
- Keine Bildraten jenseits der festen 60 Sekundenbilder
Und es ist eine so bezaubernd schöne Welt! Von dem raschelnden Gras und sanft ins Pendeln gebrachten Kerzen geht eine wohltuende Ruhe aus. Der mit tiefem Hall fauchende Wind verleiht der riesigen Höhle die Anmut einer mythischen Grabstätte. Und wenn sich in der schattigen Tiefe, ein paar Ebenen im Hintergrund, etwas bewegt, dann sind das vielleicht die Vorboten der Gefahren, die den Blob dort zu erwarten scheinen.
Animal Well im Test – Fazit
Manchmal komme ich deshalb aus dem Grinsen kaum raus. Und meistens bin ich einfach nur verloren – im besten beziehungsweise mit allen Sinnen. Denn Animal Well ist nicht nur eine hervorragend austarierte spielerische Herausforderung. Es belohnt vor allem das Hineindenken in die mysteriöse Welt sowie die Neugier beim Entdecken tausend toller Ideen. Die übrigens alle dem Kopf von Billy Basso entstammen. Umso beeindruckender, dass Basso das alles im Alleingang auf den Bildschirm gezaubert hat. Denn sein erstes eigenes Abenteuer gehört gleich zu den besten seiner Art!
Animal Well | |
---|---|
PRO | CONTRA |
| |