Another World 20th Anniversary Edition - Test
Schon wieder fünf Jahre rum?
Wie zur Hölle bewertet man so etwas? Das ist eigentlich ein Fall für „Nehmt lieber einen Klassiker oder auch nicht", aber nicht für einen normalen Test. Nur, dass es halt derzeit für 8 Euro in allen Konsolen-Online-Stores angeboten wird und um die aktuelle Zielgruppe buhlt, egal ob jung oder alt. Wobei Alt natürlich eher darauf anspringt, immerhin haben sie wenigstens schon mal davon gehört. Wenn nicht damals, dann damals vor einigen Jahren, als die 15-Jahre-Jubi-Edition erschien, die mit der 20-Jahre-Ausgabe praktisch identisch ist, welche für PC, Mac und iOS schon seit drei Jahren zu haben ist, schließlich war 2011 das Jubiläum.
Mit den Extras wie dem Soundtrack hält sich man sich für die 8 Euro auf den Konsolen leider nicht auf, womit ich alle PC-Besitzer einfach mal lieber in Richtung gog.com oder Amazon schicke. Und ja, es ist nicht noch mal überarbeitet worden. Vor fünf Jahren wurde der ursprüngliche, niedrig aufgelöste Stil durchaus angemessen und liebevoll überarbeitet. Ihr könnt jederzeit zwischen beiden umschalten und werdet feststellen, dass es am Ende eigentlich nur eine Frage des Geschmacks ist. Im Gegensatz zum missratenen Flashback-Design-Remake bleibt Another World ganz nah bei sich selbst und sieht je nach Wahrnehmung ganz schön trüb und grau bis hin zu absolut fantastisch aus. Ich persönlich tendiere zu Letzterem und stimme der Entscheidung zu, nach der dieses Spiel zusammen mit 13 anderen für eine MOMA-Ausstellung ausgewählt wurde.
Nun, was heute Retro- Nostalgie auslöst, vielleicht sogar immer noch inspirierend wirkt, war damals absolutes Triple-A und State-of-the-Art. Das Ding sah auf dem Amiga gigantisch aus und wir guckten das Intro-Video ein Dutzend Mal. Vor allem, weil es uns eine Pause beim Spielen von Another World einräumte. Das Ding war brutal schwer und das ist es nach wie vor. Nur leider nicht in einem fairen Sinne und das ist der Punkt, an dem die Probleme mit der Wertung anfangen. Spieldesign war damals oft nicht so ausgefeilt und oft auch mutig, etwas zu versuchen. Und oft war es mal auch einfach nur faul und bringt euch lieber 20 Mal um, bevor es euch durch konsequente Aneinanderreihung von Versuch und Fehler endlich weiterkommen lässt.
Vor 20 Jahren ließ einen die Technik darüber hinwegsehen, wie banal das Spiel eigentlich aufgebaut war: ein recht linearer Sidescroller, aufgeteilt in etwa 30 meist keine fünf Bildschirme großen Bereiche. In fast jedem davon befindet sich irgendetwas, das den Spieler sofort tötet. Schon der erste Screen bringt euch um, wenn ihr euch nicht beeilt, der zweite tut das auch, der dritte und vierte bringt euch um, wenn ihr zu schnell seid und die nächsten fünf, wenn ihr zögert. Das hat alles nur sehr wenig mit Reflexen oder Denken zu tun. Ihr kommt an, sterbt, ahnt, was ihr tun müsst, wo ihr hinschießen sollt oder wie ihr einer Falle entgeht. Dann versucht ihr zehn weitere Male, das umzusetzen, wobei euch häufig genug die alles andere als übertrieben präzise und schnell ansprechende Steuerung unter die Erde bringt. Nun, die Todesanimationen sind häufig ganz nett. Damals waren sie teilweise drastisch, heute zuckt keiner mehr bei aufgespießten Helden. Und wer die Wii U-Version spielt, sieht, dass auch Nintendo seitdem einen langen Weg ging. Auf dem Super Nintendo damals war das Blut des Helden noch grün.
Jetzt blutet ihr überall rot, das immer noch sehr oft und wie schon gesagt selten fair. Macht das Spaß? Nun... es schafft einen störrischen, freudlosen Drang weiterzukommen. Vor allem wenn ihr das Spiel nicht kennt, reicht die simple, aber effektiv und praktisch ohne Worte erzählte Geschichte um einen unfreiwilligen Ausflug auf einen fremden und feindseligen Planeten gerade so dafür aus. Ein so stummer wie trotzdem ausdrucksstarker Begleiter sorgt dafür, dass ihr euch nicht zu einsam fühlt. Das grobe Dutzend Schauplätze reiht sich elegant nahtlos aneinander, es ist auch dank seines erstaunlich zeitlosen Designs und der schlichten, aber bedeutungsvollen Animationen stimmungsvoll bis zum Ende. In einem fairen Spiel dieses Umfangs würdet ihr das nach einer Dreiviertelstunde sehen, hier kann es schon mal je nach Ausdauer, Geschick und Hartnäckigkeit Tage dauern - normal dürften so acht bis zehn Stunden sein.
Tja, und jetzt? Das ist kein gutes Spiel, war es eigentlich im Sinne von „Spiel" noch nie. Es war damals tolerierbar, weil es technisch und bei den Mitteln seiner Erzählung neues und aufregendes Terrain erkundete. Diese Grenzen haben sich schon lange weiterverschoben, und obwohl der Stil immer noch optische Freuden bereitet, bezweifle ich doch, dass es heute mehr Leute als damals gibt, die bereit sind das Gnadenlose, vor allem aber das Unfaire in Another World zu verzeihen. Ich persönlich bereue den Kauf nicht, habe es gern noch mal gespielt, aber es sind fast ausschließlich nostalgische Gründe, die mich das sagen lassen. Hegt ihr auch solche gegenüber Another World? Nun, warum nicht. Als modernes, jetzt in aktuellen Stores herumwanderndes Spiel jedoch: nein. Es gibt zig höllisch schwere Indies, die zeigen, dass "schwer" auch "fair" sein kann. Design bringt einen manchmal bis ins MOMA, aber es ist am Ende nicht alles.